Verbraucherschützer kritisieren, dass Banken günstige Konditionen nicht an Kunden weitergeben. Jetzt hat die Politik die Zinsen im Visier.

Berlin. Zunächst ist die vermeintlich schnelle Lösung für viele Verbraucher verlockend: Wenn Bankkunden ihr Girokonto überziehen, bekommen sie einen kleinen Kredit ganz ohne Extraformalitäten. Doch der Preis der finanziellen Flexibilität ist hoch – mit zweistelligen Dispozinsen bis 14 Prozent und mehr sogar entschieden zu hoch , wie eine große Koalition von Verbraucherschützern beklagt.

Über die Konsequenzen ist nun aber neuer Streit entbrannt: Müssen endlich klare Obergrenzen per Gesetz her? Bundesverbraucherministerin Ilse Aigner (CSU) lehnt das ab und will auf mehr Transparenz setzen.

Warum kocht Ärger über Dispozinsen hoch?

Banken und Sparkassen kommen schon seit Jahren billig an Geld. Als Gegenmittel zur Linderung der Finanzkrise senkte die Europäische Zentralbank (EZB) ihren Leitzins – den wichtigsten Zins zur Versorgung der Geldinstitute mit Zentralbankgeld – drastisch ab: von 4,25 Prozent 2008 zunächst auf 1,0 Prozent und seit Anfang Juli sogar auf das historisches Tief von 0,75 Prozent.

+++ Banken berechnen Kunden häufig zu hohe Dispozinsen +++

+++ Westdeutsche überziehen ihr Girokonto häufiger +++

Doch die Kunden hätten davon viel zu wenig, monieren Verbraucherschützer schon seit längerem. Fürs Überziehen des Girokontos werden nach jüngsten Angaben der Stiftung Warentest im Schnitt nämlich immer noch zwischen 10 und 11 Prozent Zinsen kassiert, Spitze waren sogar mehr als 14 Prozent.

Welche Dimension haben Dispokredite?

Fast jeder vierte Volljährige in Deutschland hat in diesem Jahr schon sein Konto überzogen, wie das Bundesverbraucherministerium per Umfrage ermitteln ließ. Jeder Dritte fühlt sich demnach aber nicht gut genug über die Konditionen informiert, 80 Prozent empfinden die Zinsen als zu hoch. Wie viel Geldinstitute mit Dispositionskrediten kassieren, ist dabei eine relevante Größe: Im April summierten sich die gewährten Überziehungskredite laut Bundesbank auf 41 Milliarden Euro. Da macht jeder Prozentpunkt beim Dispozins 410 Millionen Euro aus. Rasch zu spüren bekommen Kunden niedrige Leitzinsen indes an anderer Stelle: Für Sparer gibt es meist nur um die 2 Prozent Zinsen.

Was plant die Ministerin, damit Dispozinsen sinken?

Aigner verlangt, dass die Geldinstitute volle Transparenz schaffen und so mehr Wettbewerb entsteht. Nötig seien umfassende Informationen und Vergleichsmöglichkeiten. „Banken und Sparkassen, die beim Dispo über Gebühr zulangen, müssen beim Namen genannt werden.“ In einer Studie schlagen das Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung und das Institut für Finanzdienstleistungen auch vor, Frühwarnsysteme auszubauen. So gebe es bei vielen Banken internen Alarm, wenn ein Konto länger im Minus ist. Das könnten sie an Kunden weitermelden.

Soll der Staat Dispozinsen gesetzlich begrenzen?

SPD-Chef Sigmar Gabriel schimpft über „Abzocke“ und fordert: „Wir brauchen endlich ein Gesetz mit einer Obergrenze für Dispozinsen.“ Wo der Markt versage, sei die Bundesregierung verpflichtet, für faire Bedingungen zu sorgen, verlangt Grünen-Expertin Nicole Maisch. „Die Gewinnmaximierung zulasten von Verbrauchern muss ein Ende haben“, mahnt der Chef des Verbraucherzentrale Bundesverbands, Gerd Billen.

Aigner fürchtet dagegen, ein gesetzliches Limit könnte nach hinten losgehen und es unter dem Strich für alle teurer machen. „Weil auch günstige Banken die Obergrenze voll ausschöpfen würden und sich teure Banken das entgangene Geld über Gebührenerhöhungen hereinholen.“

Wie erklären Banken und Sparkassen hohe Dispozinsen?

Die Bankenbranche verwies bisher stets darauf, dass flexible Dispokredite, die meist beim Zwei- bis Dreifachen des monatlichen Geldeingangs liegen, nur als Überbrückung für kurze Zeit gedacht sind. Dafür müssten die Institute auch vorsorglich Eigenkapital bereithalten. „Normale“ Kredite gebe es zudem zu weit günstigeren Konditionen – mit Zinsen zum Beispiel ab 4,99 Prozent. Die Stiftung Warentest argumentiert: „Gut sind Banken, die den Dispo fest an einen Referenzwert binden und den Dispozins um ebenso viele Prozentpunkte erhöhen oder senken, wie der Referenzwert steigt oder sinkt.“