Bevor die neue europäische Bankaufsicht ihre Arbeit aufnehmen kann, ist laut dem Finanzminister noch viel zu tun. EU berät auch über Spanien-Hilfen.
Brüssel. Eine neue europäischen Bankenaufsicht kann nach Ansicht von Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) nicht aus dem Boden gestampft werden. „Das wird Zeit brauchen, das ist aufwendig, das ist nicht einfach zu schaffen und daran werden wir arbeiten“, sagte Schäuble am Montag vor dem Treffen der Euro-Finanzminister in Brüssel. Eine solche Aufsichtsbehörde zu schaffen, sei „keine Kleinigkeit, sondern eine Riesenaufgabe“. Nach einem Bericht des „Wall Street Journal“ (WSJ) soll die künftige Bankenaufsicht die Geschäfte der 25 größten Geldhäuser der Eurozone überwachen. Geplant sei, die Behörde bei der Europäischen Zentralbank (EZB) anzusiedeln. Sitz solle aber Brüssel und nicht die EZB-Zentrale in Frankfurt sein.
Schäuble nannte kein exaktes Datum für den Start der europäischen Bankenhüter. Er erinnerte aber daran, dass der Rat bis Jahresende darüber beschließen solle. EU-Diplomaten gehen davon aus, dass die Aufsicht frühestens Mitte 2013 stehen wird.
Die gemeinsame mächtige Bankenaufsicht ist laut Gipfelbeschluss von Ende Juni Voraussetzung dafür, dass der Euro-Rettungsschirm Notkredite direkt an marode Banken weitergeben kann. Dies sei erst dann möglich, „wenn eine europäische Bankenaufsicht in Kraft ist, funktioniert – nicht beschlossen ist“, betonte Schäuble. Es gehe dabei nicht um die Vergemeinschaftung der Bankverbindlichkeiten - solche Spekulationen seien absurd: „Das Gegenteil ist der Fall.“
Dem WSJ-Bericht zufolge sollen kleinere Banken unter der Aufsicht der nationalen Behörden bleiben, die aber wiederum von der Zentralbank kontrolliert würden. Beim Treffen der Euro-Finanzminister am Montagabend in Brüssel wurde noch nicht mit Entscheidungen zur Bankenaufsicht gerechnet.
Allerdings gibt es ausgerechnet innerhalb der EZB-Führung Widerstand gegen die Pläne. So herrscht bei der Bundesbank laut WSJ“ die Sorge, die EZB könne mit der neuen Kontrollfunktion überfordert sein und ihrer Kernaufgabe – der Sicherung von Preisstabilität - nicht mehr ausreichend nachkommen.
EZB-Präsident Mario Draghi hatte gefordert, Geldpolitik und Bankenaufsicht müssten strikt voneinander getrennt sein, um eine gegenseitige Beeinflussung zu verhindern. Daher könnte die räumliche Trennung zwischen Frankfurt und Brüssel sowie der Erhalt nationaler Bankenaufsichten für kleinerer Institute ein Kompromiss sein, um die Unabhängigkeit der EZB auch nach außen hin nicht zu gefährden, schreibt die Zeitung.
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Draghi bekräftigte am Montag vor dem Wirtschafts- und Währungsausschuss des Europaparlaments in Brüssel, die EZB sei bereit, mit weiteren Maßnahmen die Euro-Krise einzudämmen. Voraussetzung dafür sei, dass alle Aktionen „in den Grenzen ihres Mandats“ lägen und diese die Notenbank-Bilanz nicht „unnötigerweise“ gefährdeten. Die EZB werde ihr Mandat erfüllen und die Finanzstabilität sichern.
Dies antwortete Draghi auf die Frage, ob der Euro-Rettungsfonds mit einer Banklizenz ausgestattet werden könne, um sich direkt bei der Notenbank Geld zu leihen, oder weitere Schritte denkbar wären.
Die EZB hatte in der vergangenen Woche den Leitzins im Euro-Raum auf das historisch niedrige Niveau von 0,75 Prozent gesenkt, um die Wirtschaft mit billigem Geld zu unterstützen.
Zudem forderte der Notenbankpräsident die Staats- und Regierungschefs auf, nicht hinter die Beschlüsse des Gipfels zurückzufallen. Dazu gehörten eine zentrale und mächtige Bankenaufsicht, direkte Hilfen an marode Banken durch den Rettungsschirm ESM und die Möglichkeit des Ankaufs von Staatsanleihen notleidender Staaten durch den ESM. „Ein Gipfel hat Glaubwürdigkeit, wenn die Akteure – sobald sie den Gipfel verlassen haben – keine Stellungnahmen abgeben, die der Gipfelerklärung, die sie unterstützt haben, widersprechen. Und das gilt für alle Teilnehmer“, sagte Draghi.
Bei ihrem Treffen berieten die Euro-Finanzminister auch über das Hilfsprogramm für marode spanische Banken: Unter dem Druck der Finanzmärkte will man Spanien noch einmal entgegenkommen. EU-Diplomaten zufolge werden die EU-Finanzminister bei ihrem Treffen am Dienstag der viertgrößten Volkswirtschaft der Euro-Zone eine deutlich höhere Neuverschuldung in diesem Jahr erlauben als bisher geplant. Spaniens Minus dürfe 6,3 Prozent statt der bislang vereinbarten 5,3 Prozent erreichen, hieß es vor den Beratungen, die am Montag zunächst im Kreis der Euro-Gruppe aufgenommen wurden. Dies wäre bereits die zweite Lockerung des Defizitziels binnen weniger Monate. Die Regierung in Madrid soll den Diplomaten zufolge zudem ein Jahr länger bis 2014 Zeit bekommen, um die für alle EU-Staaten geltende Obergrenze eines Defizits von drei Prozent des Bruttoinlandsprodukts wieder zu erreichen. Auch Griechenland dringt auf Entlastungen.
Im kommenden Jahr wird Spanien den Diplomaten zufolge ein Loch von 4,5 Prozent zugestanden. Erst 2014 soll das Defizit dann auf 2,8 Prozent sinken. Bisher hat die EU darauf gepocht, dass die Regierung mit weiteren Einschnitten die Obergrenze von drei Prozent bereits im kommenden Jahr erreicht. EZB-Präsident Mario Draghi hielt die überschuldeten Länder Südeuropas ungeachtet des wachsenden Widerstands der Bevölkerung zu einem weiterhin strikten Sparkurs an. „Es gibt ganz klar soziale Spannungen. Aber meine Ansicht ist, dass wir mit den Programmen fortfahren sollten“, sagte Draghi im Europäischen Parlament.
Die Regierung in Madrid wird den Diplomaten zufolge für die Lockerungen weitere Sparmaßnahmen zusagen. „Spanien muss die notwendigen Einschnitte vornehmen, um das Ziel zu erreichen und darüber wird am Dienstag beim Treffen der EU-Finanzminister geredet“, hieß es. Wirtschaftsminister Luis de Guindos will seinen Kollegen ein Paket aus Einsparungen und Steuererhöhungen vorstellen, das 30 Milliarden Euro einbringen soll. Allein für dieses Jahr schlage er Maßnahmen im Umfang von zehn Milliarden vor, sagten Regierungsvertreter Reuters. Für 2012 war ursprünglich ein Defizitziel von 4,4 Prozent vereinbart, also fast zwei Prozentpunkte weniger als inzwischen akzeptiert. Spanien steckt in einer heftigen Rezession, die sich wegen der Schuldenkrise noch weiter zu vertiefen droht.
Auch Spaniens Antrag für Hilfen aus dem Rettungsfonds für seine angeschlagenen Banken soll von den Euro-Finanzministern vorangebracht werden. „Ich denke, dass wir einen verbindlichen Rahmen und Zeitplan verabreden können“, sagte Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble vor Beginn der Beratungen. De Guindos sagte, die Regierung werde eine Bad Bank gründen, um die Bilanzen der Institute von faulen Immobilienkrediten zu säubern. An Auflagen seien die üblichen Konditionen nach dem EU-Beihilferecht zu erwarten. Die abschließende Entscheidung soll nach seinen Worten beim nächsten Treffen der Euro-Finanzminister am 20. Juli möglich sein.
Die langfristigen Pläne für eine Entlastung Spaniens von den Banken-Hilfen brauchen nach Schäubles Worten dagegen noch viel Zeit. Erst wenn die geplante europäische Bankenaufsicht voll funktionsfähig sei, eröffne sich die Möglichkeit, Banken direkt aus dem Rettungsfonds zu stützen, sagte er. „Dann könnte ein entsprechender Beschluss gefasst werden“, betonte er.
An den Finanzmärkten ist zuletzt wieder das Misstrauen gegenüber Spanien gewachsen. Der Beschluss des jüngsten EU-Gipfels, eine direkte Rekapitalisierung von Banken durch den Rettungsschirm zu erlauben, sorgte nur kurzfristig für Entspannung. Die Renditen spanischer Anleihen stiegen wieder auf Prozentsätze, die auf Dauer als nicht finanzierbar gelten.
Die neue griechische Regierung wollte ihrerseits am Abend einen ersten Anlauf unternehmen, die Euro-Partner um Lockerungen im vereinbarten Reformprogramm zu bitten. Finanzminister Yannis Stournaras nimmt erstmals in seiner neuen Funktion an dem Treffen teil. Der Volkswirt ist für die EU allerdings ein alter Bekannter: Er hat Griechenlands Beitritt zum Euro vorbereitet und wird mitverantwortlich dafür gemacht, dass das Land seine Finanzlage damals besser dargestellt hat als sie war. In dem Mittelmeerland wächst der Druck auf die Regierung, spürbare Entlastungen bei den Einschnitten zu erreichen. Aus Protest gegen die zuletzt gedämpften Forderungen an die europäischen Partner warf der stellvertretende Arbeitsminister das Handtuch: Die Regierung verhandle nicht hart genug mit den Kreditgebern über Zugeständnisse, erklärte Staatssekretär Nikos Nikolopoulos in seinem Rücktrittsschreiben. (rtr/dpa)