Bei den Untersuchungen rückt auch die Hypo Real Estate selbst in den Fokus. Finanzminister Schäuble bestellt HRE-Manager zum Rapport ein.

Berlin. Nach dem Milliarden-Schock um die Fehlbuchungen bei der Hypo Real Estate wird nun fierberhaft nach den Ursachen gesucht: Bei den Ermittlungen rückt nun auch die Bank selbst in den Fokus. Denn die HRE, die nun Pfandbriefbank heißt, hat für ihre Bad Bank, die Abwicklungsanstalt FMS Wertmanagement, nach Angaben aus Finanzkreisen einen Großteil der Datenverarbeitung übernommen.

+++ Milliardenfehler HRE: SPD verlangt Aufklärung +++
+++ Bilanzfehler - Deutschland wird seine Schulden los +++

Der Bilanzfehler von 55,5 Milliarden Euro entstand, weil unter anderem steigende Kurse für Papiere in der Bilanz falsch verbucht worden sind. Pauschal gesagt, wurden Plus und Minus verwechselt. Aufgabe der FMS ist es aber zu schrumpfen, weil sie ja die von der HRE übernommenen „Giftpapiere“ langfristig zu möglichst guten Konditionen wieder losschlagen soll. Weil die FMS Wertmanagement vor einem Jahr über 12 000 Posten - darunter 7000 Finanzderivate – von der HRE übernommen hat und diese abwickeln soll, sei rein technisch eine komplette Trennung, etwa von IT-Systemleistungen, nicht möglich gewesen, hieß es in Bankkreisen. Das Finanzministerium will nun rasch klären, wer für die kapitale Panne in der Bilanz verantwortlich ist.

Bei der Fehlbuchung handelt es sich wohl um den größten Bilanzirrtum der Geschichte. Die Opposition forderte von Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) Aufklärung darüber, wieso sich die Banker um 55,5 Milliarden Euro zulasten der Bundesrepublik verrechneten. Nach einem Bericht des Nachrichtenmagazins "Spiegel" bestellte Schäuble HRE-Manager zum Rapport ein. Die Union kündigte eine Untersuchung im Bundestagsfinanzausschuss an. Am Freitag war bekannt geworden, dass die deutschen Staatsschulden nach der Korrektur eines Bilanzfehlers geringer ausfallen als bisher gedacht. Der offizielle Schuldenstand sinkt um 2,6 Prozentpunkte auf 81,1 Prozent des Bruttoinlandsprodukts.

Das Bundesfinanzministerium räumte ein, dass die FMS Wertmanagement den Irrtum bereits vor mehreren Wochen eingeräumt habe. Das Ministerium ließ indes offen, wie es zu der riesigen Fehlbuchung kommen konnte und wieso diese stillschweigend korrigiert wurde. Erst durch einen Bericht des Onlineportals "Stern.de" gelangte die Panne an die Öffentlichkeit. Selbst bei der Aufklärung musste sich das Ministerium korrigieren: Erst erklärte ein Sprecher, der Bilanzfehler sei nur halb so groß, dann bestätigte er die volle Summe.

Die Wirtschaftsprüfungsgesellschaft PwC teilte am Sonntagabend mit, dass sich im Rahmen der Prüfung keine Anhaltspunkte für Fehler im Jahresabschluss zum 31. Dezember 2010 ergeben hätten. Im Zusammenhang mit dem verkürzten Halbjahresabschluss zum 30. Juni 2011 seien jedoch Geschäftsvorfälle identifiziert worden, bei denen die Verrechnung von Forderungen und Verbindlichkeiten aus Derivategeschäften gegenüber demselben Vertragspartner unterblieben sei.

Die mit diesen Geschäftsvorfällen im Zusammenhang stehenden Buchungen seien vor Veröffentlichung des verkürzten Zwischenabschlusses von der FMS korrigiert worden. Dadurch hätten sich die Forderungen und Verbindlichkeiten gegenüber Kreditinstituten sowie die Bilanzsumme der FMS Wertmanagement um jeweils 55,5 Milliarden Euro reduziert.

Die Opposition kritisiert Verhalten der Regierung

Die Opposition warf der Regierung einen unverantwortlichen Umgang mit den Staatsfinanzen vor. "Das ist kein Betrag, den die schwäbische Hausfrau in einer Keksdose versteckt und vergisst", sagte der parlamentarische Geschäftsführer der SPD-Bundestagsfraktion, Thomas Oppermann . Das war eine Anspielung auf Bundeskanzlerin Angela Merkel, die bei einem CDU-Parteitag die Sparsamkeit einer schwäbischen Hausfrau als Vorbild genannt hatte. Oppermann sagte, der unbefangene Beobachter gewinne den Eindruck, dass das Finanzministerium in der Euro-Rettung die Übersicht verloren habe. "Das neue Motto der Bundesregierung ist: Milliarden sind nicht mehr so wichtig. Wir rechnen in Billionen."

Unionsfraktionsvize Michael Meister hat die für die Bilanz der HRE-„Bad Bank“ zuständige Wirtschaftsprüfungsgesellschaft PwC scharf kritisiert. „Auf diese Bilanz hat ja nicht nur einer geschaut. Auch die Rolle der Wirtschaftsprüfer muss aufgeklärt werden“, sagte der CDU-Politiker der „Rheinischen Post“. Ein Fehler in dieser Größenordnung hätte auffallen müssen. Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) treffe jedoch kein Vorwurf. „Er muss nun aber rückhaltlos aufklären, wie und warum das passieren konnte.“

Der Finanzobmann der Unions-Bundestagsfraktion, Hans Michelbach , forderte von den Verantwortlichen der Bank, dem Finanzausschuss des Bundestages Rede und Antwort zu stehen. "Der Vorgang ist geeignet, das Vertrauen in die Führung der Bank schwer zu erschüttern" sagte der CSU-Politiker. Er sprach auch von personellen Konsequenzen. Zugleich nahm er Schäuble gegen die Kritik in Schutz. Nicht der Minister trage die Verantwortung, sondern die Spitzen der Bank.

Hintergrund der milliardenschweren Falschbuchungen ist die Abwicklung der HRE, die auf dem Gipfel der Finanzkrise 2008 vom bundeseigenen Bankenrettungsfonds SoFFin gerettet wurde. Die eigentlich insolvente, aber "systemrelevante" Pfandbriefbank wurde mit milliardenschweren Bürgschaften vor dem Zusammenbruch bewahrt und als erstes Institut in der Bundesrepublik verstaatlicht.

Danach wurde die Bank aufgespalten: Die milliardenschweren Risiken in Form fauler Kredite sind nun Teil einer sogenannten "Bad Bank" namens FMS Wertmanagement, sie sollen in den kommenden Jahren abgewickelt werden. Der gesunde Teil der Bank führt einen Teil des früheren Geschäfts unter dem neuen Namen Deutsche Pfandbriefbank weiter.