Der scheidende EZB-Chef Trichet mahnt die Regierungen, die aktuelle Krise schnell und koordiniert anzugehen. Sie wäre bereits systemisch.

Brüssel. Das Vermächtnis des Trichets sind mahnende Worte und die Forderung nach einer koordinierten Lösung für die Bankenkrise. Der scheidende Chef der Europäische Zentralbank (EZB), Jean-Claude Trichet holt zu seinem Abschied noch einmal aus: Er fordert von den europäischen Regierungen eine schnelle Lösung, nicht nur für die Banken-, sondern auch für die grassierende europäische Schuldenkrise. „Diese Krise ist systemisch und muss entschieden angegangen werden“, sagt er in seiner Rolle als Vorsitzender des Europäischen Systemrisikorats (ESRB) vor dem Europaparlament in Brüssel.

„Die Behörden und Regierungen der Länder, die europäischen Institutionen müssen die Herausforderung annehmen und zusammen schleunigst handeln." Es dürfe keine weitere Verzögerungen mehr geben, mahnt Trichet. Diese würden nur zur Verschlimmerung der Krise beitragen. Die Krise sei bereits von den kleineren auf die großen Staaten übergesprungen. Es sei daher unabdingbar, dass alle Behörden im Einklang arbeiteten. „Die hohe Vernetzung innerhalb des EU-Finanzsystems hat das Risiko einer signifikanten Ansteckung hochschnellen lassen“, erklärte Trichet weiter. „Dies bedroht die Finanzstabilität in der EU als Ganzes“ und habe auch Auswirkungen auf die Realwirtschaft in Europa und darüber hinaus.

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Um die aktuelle Bankenkrise zu überwinden, plädierte Trichet für eine schnelle und koordinierte Rekapitalisierung der europäischen Institute und stellte auch eine mögliche Beteiligung des EFSF in den Raum. Trichet sprach als Chef des Europäischen Systemrisikorats (ESRB) vor dem Wirtschafts- und Währungsausschuss des Europaparlaments. Der Risikorat war als Reaktion auf die Finanzkrise geschaffen worden und soll als eine Art Frühwarner Entwicklungen im europäischen Finanzsystem beobachten.

In dieser Funktion mahnte Trichet auch eine ganze Reihe weiterer Änderungen im europäischen Finanzsystem an. So fordert der Risikorat von Europa eine Lösung für die Probleme im Zusammenhang mit Fremdwährungskrediten, die in einigen EU-Ländern viele Privatpersonen in oder in die Nähe des Ruins getrieben hatten. Hier müssten die Anleger mit besseren Informationen ausgestattet werden und deren Kreditwürdigkeit besser unter die Lupe genommen werden. Außerdem sei eine strengere Überwachung nötig.

Außerdem fordern die Finanzexperten, mögliche Schäden durch den sogenannten Hochfrequenzhandel genauer unter die Lupe zu nehmen und stellten mögliche Änderungen bei hochkomplexen Produkten in Aussicht. Die zuständigen Behörden haben nach den Empfehlungen des Risikorates nun einige Monate Zeit, um diese umzusetzen. Inwieweit sie dies tun, wird vom ESRB überwacht.

(abendblatt.de/dpa)