In Griechenland setzt sich die Erkenntnis durch, dass das Land kurz vor der Staatspleite steht. Die Reaktionen sind höchst unterschiedlich.

Berlin/Athen. In Griechenland wächst die Angst vor einer Staatspleite. In den Tavernen ist das Thema Anlass für hitzige Diskussionen. Es gibt auch Befürworter eines harten Schuldenschnitts: „Ich will ein Ende jetzt – auch wenn es wehtut. Dann weiß ich wenigstens, wohin es geht“, sagte etwa ein junger Mann in der Taverne „Stelios“ in der Athener Vorstadt Nea Smyrni. Die Stimmung zwischen Wut und Angst zeigt sich in vielen Situationen: Überall in Athen wachsen die Müllberge, denn die Müllabfuhr streikt den vierten Tag in Folge. Der Bus- und Bahnverkehr fiel am Montag erneut aus, auch hier wird gestreikt. Medienberichten zufolge sollen 2011 schon 46 000 Griechen bei verschiedenen ausländischen Vertretungen und Auswanderungsstellen Arbeit im Ausland nachgefragt haben. Vor allem Australien ist als Zielregion gefragt.

+++ Hellas hofft auf die Kraft der Sonne +++
+++ IWF erhöht den Druck auf die Griechen +++

Extremisten nutzen die Stimmung und attackieren immer wieder Politiker. Jüngster Zwischenfall: Sogenannte „Empörte Bürger“ drangen am Samstag in ein Kino der nordgriechischen Hafenstadt Thessaloniki ein und schleuderten Joghurt auf den griechischen Innenminister Haris Kastanidis, der mit seiner Frau und Freunden einen Film sehen wollte. Videoaufnahmen von der Attacke stellten die Täter ins Internet. Umfragen zeigten in den vergangenen Tagen, dass mittlerweile viele Griechen den großen Schuldenschnitt, den sogenannten Haircut, für ihr Land erwarten: 67 Prozent gehen davon aus, dass dieser Schritt nicht mehr abwendbar sei. Sogar 85 Prozent der Befragten sind der Meinung, das Land bewege sich in die falsche Richtung.

Auch in den Medien ist der harte Schuldenschnitt zentrales Thema. „Feilschen vor dem „Friseurladen„“, beschrieb die Athener Zeitung „Ta Nea“ in Anspielung auf den Haircut (Haarschnitt) die Lage. Ein solcher Schuldenschnitt bedeutet, dass Athen ein Teil seiner Schulden dauerhaft erlassen wird. Dafür müssten die Gläubiger – vor allem Banken, Investoren und Staaten – auf eine Menge Geld verzichten. Viele Experten halten einen „Haircut“ für unausweichlich, weil Griechenland seine Schulden nicht mehr schultern kann. Inzwischen werden in der Eurogruppe Szenarien für einen Schuldenschnitt von bis zu 60 Prozent durchgespielt.

Die Regierung hielt sich am Montag dagegen zurück. Kommentare zu den Erklärungen von Bundeskanzlerin Angela Merkel und des französischen Präsidenten Nicolas Sarkozy vom Sonntag seien „verfrüht“, hieß es aus Kreisen des Finanzministeriums in Athen. Für Ministerpräsident Giorgos Papandreou wird die Lage indes immer schwieriger. Vorgezogene Wahlen oder ein Referendum über den weiteren Kurs des Landes schließen Beobachter nicht mehr aus. Ein Regierungssprecher dementierte dies aber vehement.

Derweil dauert die Untersuchung der griechischen Finanzlage durch die Troika an – zu ihr zählen Experten von EU, Europäischer Zentralbank (EZB) und Internationalem Währungsfonds (IWF). Von ihrem Bericht hängt aber nicht mehr nur die Auszahlung der dringend benötigten Kredithilfen für Griechenland in Höhe von acht Milliarden Euro ab. Die Troika soll nun auch einschätzen, ob die griechischen Schulden unter den jetzigen Bedingungen der Hilfeleistungen überhaupt noch tragbar sind.

(abendblatt.de/dpa)