“Visonär“, “Außenseiter“, “Kein Weltverbesserer“: Das Lebenswerk des Mitbegründers von Apple wird von der internationalen Presse unterschiedlich bewertet.
Hamburg. Der Tod von Apple-Mitbegründer Steve Jobs hat weltweite Trauer ausgelöst. Nicht nur in Hamburg kondolierten Apple-Fans dem verstorbenen Computervisionären. Kontroverser wird das Lebenswerk von der internationalen Presse bewertet. Hier eine Auswahl einiger Pressestimmen:
"La Stampa" (Turin): "Steve Jobs ist tot und heute beweinen ihn Millionen. Sie beweinen ihn nicht etwa, weil sie ein Handy liebten, das sich oft und gerne 'aufhängt', sondern weil er ihnen den Schlüssel zur Zukunft geschenkt hat: hauchdünn, touch-screen und digital. Zwischen dem Paradies einer Web-Utopie der Zukunft und der frenetischen Vergangenheit der Ideen - von Rechts gegen Links bis zu Wall Street versus Hippie - hängt heute das abgemagerte bärtige Gesicht von Steve Jobs. Ruhe in Frieden, Visionär, ruhe in Frieden.“
"Lidove Noviny" (Prag): "Der Regisseur Spielberg hat ihn einen der größten Erfinder seit Edison genannt. Das war Jobs dann doch nicht, denn er stand nicht hinter einer vergleichbaren Bandbreite von Erfindungen – vom Phonographen über die Glühbirne bis zum künstlichen Kautschuk. Jobs hatte eine geniale Idee: Er wollte die Bedienung komplizierter Technik für die Menschen einfacher machen. Diesen Gedanken hat er perfekt vermarktet. Er hat die Musikdistribution verändert und das Internet auf Mobiltelefone gebracht. Diese Neuerungen waren nicht revolutionär, aber sie haben Millionen von Menschen berührt.“
"Dnewnik" (Sofia): "Emotional, wählerisch und von vielen als unersetzbar angesehen. Visionär und Virtuose. Einmaliger Leader, dessen Platz sich schwer wieder besetzen lässt. Talent und Träumer, wie ihn die technologische Welt seit Generationen nicht gesehen hatte. Ein außerordentlicher Geschäftsmann, Händler und Meister bei Verhandlungen. Charismatisch, gnadenlos, Perfektionist und Diktator. Die Liste der Beschreibungen, die Steve Jobs verherrlichen oder kritisieren, kann noch länger werden. Es ist jedoch unumstritten, dass unter seiner Leitung Apple es schaffte, das Leben von Millionen Menschen auf der Welt zu verändern und sie dazu zu bringen, die Technologien wie nie zuvor mit offenen Armen aufzunehmen."
+++ Thema: Unsere Zukunft ist eine nach seinen Spielregeln +++
"La Repubblica" (Rom): "Steve Jobs ist tot. Und wie die großen Krieger der Savanne, die sich im Staub auflösten und die Unsterblichkeit ihrer Mythen hinterließen, ist auch dieses 'Verrückte Pferd' nun unsterblich geworden. Er hat das Banale außerordentlich gemacht und selbst die obskurste aller Technologien verführerisch. Vielleicht sind wir wirklich 'foolish' gewesen, so wie er uns wollte: Ein wenig verrückt, ein wenig dumm. Aber wir haben uns konvertieren lassen zur himmlischen Apple-Kirche. Und es war schön, solange es andauern durfte. Thank you, Mr. Jobs.“
"Neue Zürcher Zeitung": Sein Beispiel bestärkt den Glauben, dass es einzelne Menschen sind, auf die es ankommt, dass es starke Individuen sind, die den technischen Fortschritt und die wirtschaftliche Entwicklung gestalten. Trotz aller Innovationen und Revolutionen, welche die Computerbranche immer wieder verändert haben, sind sich die Produkte, die unter der Ägide von Steve Jobs entstanden sind, ähnlich. Der Macintosh, der Next-Cube, das iPhone – sie atmen denselben Geist. Es kommt einem so vor, als ob diese Idee Jobs schon umgetrieben hätte, als er sich als Jüngling noch nicht mit Computern, sondern mit japanischer Tuschmalerei beschäftigte, die Idee, dass das Einfache das Schöne und das Schöne das Gute sei und dass das Gute oberstes Lebensziel eines Menschen zu sein habe.“
"The Times" (London): "Apple ist der Beweis dafür, dass westliche Unternehmen gegen die wachsende Konkurrenz aus Asien bestehen können. Jobs Verbindung von Vision, Erneuerung, Design und Vermarktung haben nicht nur westliche Rivalen in Schach gehalten, sondern auch die Konkurrenz aus Korea und China auf die Plätze verwiesen. Westliche Politiker wie David Cameron bemühen sich darum, Unternehmer wie Steve Jobs zu pflegen. Doch den Regierungen sind Grenzen gesetzt. Jobs Erfolg hat kaum etwas dem amerikanischen Hochschulsystem zu verdanken. Er hat das College ohne Abschluss verlassen, wie auch Bill Gates. Doch es gilt, eine Unternehmenskultur zu pflegen, die dem Außenseiter und Visionär eine Chance gibt, dem ehrgeizigen, risikofreudigen und unvernünftigen Menschen.“
"Libération" (Paris): "Das Unternehmen Apple hat trotz seines Erfolgs einen Ruf als ästhetisches, fortschrittliches und sogar unkonventionelles Unternehmen wahren können. In einer Garage geboren und immer im Geist Kaliforniens. Dieser Mythos gehört zu den schönsten Erfindungen von Steve Jobs. Denn Apple wirtschaftet zeitgemäß und lässt seine Produkte in bunkerähnlichen Fabriken in China herstellen. Apple ist schon lange nicht mehr cool. Die Firma setzt sich brutal durch, riegelt ihre Software und Dienstleistungen ab, um ihre Kunden unter Kontrolle zu halten. Apple stellt Verlagen und Produzenten von Musik, Spielen, Büchern oder Software knallharte Bedingungen nach dem Prinzip: friss oder stirb in Freiheit. Auch das gehört zum Erbe von Steve Jobs: Autoritarismus in Jeans und Turnschuhen.“
"Le Monde" (Paris): "Sein gesamter Werdegang hat ihn zu einem außergewöhnlichen Chef gemacht. Bevor er zu einem globalisierten Star wurde, war Steve Jobs ein globalisierter Unternehmer. Er hat alle Vorteile der Globalisierung ungehemmt ausgenutzt. Eines der Instrumente seines Erfolgs ist der taiwanesische Zulieferer Foxconn, in dessen riesigen Werkshallen in China iPhones und iPads hergestellt werden. Die Angestellten von Foxconn und auch die von Apple können ein Lied davon singen. Die manchmal irrsinnigen Anforderungen von Jobs haben auch soziale Schäden angerichtet. Er ist einer der Erfinder der heutigen Welt und wird gefeiert wie wenige Chefs vor ihm. Alle Achtung.“
"Salzburger Nachrichten": "Steve Jobs war kein Weltverbesserer, wie ihn im Eindruck seines unerwarteten Todes viele darstellen. Jobs verbesserte Produkte und war ein geniales Verkaufstalent. Denn Apple sammelt genauso die Daten seiner Nutzer wie Google und Amazon, beschäftigt ein ebenso großes Heer von Anwälten, um Konkurrenten wegen verletzter Patentrechte in Grund und Boden zu klagen, und lässt seine Produkte wie viele Mitbewerber beim taiwanesischen Hersteller Foxconn fertigen, der Mitarbeiter wie Sklaven behandelt und durch eine Selbstmordserie unter seinen Angestellten auch im Westen bekannt wurde. Doch Jobs hat es verstanden, aus der Marke Apple ein Lebensgefühl zu machen. Ein Lebensgefühl, das Menschen die Scheu vor der Technik nimmt und ihnen den Spaß und den spielerischen Umgang mit ihr wieder zurückgibt.“
Mit Material von dpa