Nach dem Rücktritt von Firmengründer Steve Jobs steht der Manager Tim Cook an der Spitze von Apple. Auf ihn warten einige Herausforderungen.
Hamburg. Unternehmen, die von ihren Gründern dauerhaft geprägt wurden, sind nicht selten. Doch Apple steht auf einer anderen Stufe: Steve Jobs ist Apple und Apple ist Steve Jobs. So jedenfalls empfinden es viele Millionen Benutzer von Geräten des kalifornischen Elektronikkonzerns.
Jobs ist nicht nur der lebende Beweis dafür, dass der amerikanische Traum wahr werden kann: Aus einer Garagenfirma hat er das zweitwertvollste Unternehmen der Welt werden lassen. Jobs hat auch Technologiegeschichte geschrieben. Er verwandelte ein Arbeitgerät, den PC, in ein Lifestyle-Produkt. Vor allem aber hat er drei Produktinnovationen, den MP3-Player, das Smartphone und den Tablet-Computer, im Apple-Gewand zum "Must have" gemacht. Mit einem charakteristisch klaren Design, benutzerfreundlicher Bedienung und geadelt durch das Logo des angebissenen Apfels traten sie als iPod, iPhone und iPad ihren Siegeszug an.
Die Käufer dieser Geräte sind nicht einfach nur Kunden, sie empfinden sich als Gemeinde, und für eine große Zahl ihrer Mitglieder hat Steve Jobs den Status eines Gurus, eines "iGod". Kommentare in Fan-Foren und im Kurzmitteilungsdienst Twitter, verfasst als Reaktion auf die Nachricht vom Rückzug Jobs' vom Amt des Apple-Vorstandschefs, beweisen dies. Neben den Einträgen "Das Ende einer Ära" und "Ich bin einfach nur traurig" finden sich Huldigungen wie "Wir verneigen uns vor dem großen Meister, wenn er von der Bühne tritt". Ein anderer Fan schrieb: "Steve Jobs tritt zurück? Das ist für uns Apple-Jünger ja, als wenn Gott sagen würde: 'Ich gehe. Petrus macht weiter.'"
Keine Frage, Steve Jobs war und ist kein Manager wie jeder andere. Schon durch seine frühen Jahre hebt er sich von einem Großteil seiner Kollegen ab. Der Sohn eines syrischen Einwanderers und einer Amerikanerin wächst bei Adoptiveltern auf, wirft sein Studium nach einem Semester hin, lebt als Hippie und experimentiert mit Drogen. Mit 19 Jahren entwickelt er Videospiele bei Atari, zwei Jahre später bastelt er zusammen mit seinem Freund Stephen Wozniak, ebenfalls ein Studienabbrecher, in der elterlichen Garage den Prototypen des "Apple 1". Um das Startkapital für die Gründung einer Firma zusammenzubekommen, verkaufen sie Wozniaks Hewlett-Packard-Taschenrechner und den VW Bulli von Jobs.
In den folgenden Jahren setzen die Jungunternehmer von Apple der erdrückenden Übermacht der mit Microsoft-Betriebssystemen versehenen PCs ihr eigenes Konzept entgegen: Computer mit leicht verständlicher, grafischer Benutzeroberfläche. Es mache mehr Spaß, Pirat zu sein, als in die Marine einzutreten, sagt Jobs über diese Zeit - und er genießt den Erfolg, hat eine Affäre mit der gut 15 Jahre älteren Folk-Sängerin Joan Baez.
Doch auch als er im Jahr 1985 einen internen Machtkampf verliert und Apple verlassen muss, bleibt er Unternehmer. Er gründet die Computerfirma NeXT und - zusammen mit einem Partner - das Trickfilmstudio Pixar, das später für 7,4 Milliarden Dollar an den Walt-Disney-Konzern geht. Apple allerdings bekommt die Trennung von Jobs nicht gut, die Erfolge bleiben aus, der Firma droht der Untergang. 1996 holt man ihn zurück. Bald darauf beginnt er eine Tradition, die ihn schließlich vollends zur lebenden Legende macht: Zweimal im Jahr hält die Apple-"Gemeinde" den Atem an, wenn Jobs in San Francisco zu offiziellen Präsentationen, den sogenannten "Keynotes", auf die Bühne tritt und Produktneuheiten vorstellt. Für den harten Kern der Fans haben diese Auftritte den Charakter eines Gottesdienstes. Jobs zelebriert ihn stets gleich gekleidet: schwarzer Pullover, Jeans und Laufschuhe.
Zur Aura um Jobs trägt bei, dass über sein Privatleben wenig bekannt ist. Seit 1991 ist er mit einer Ex-Bankerin verheiratet. Mit ihr hat er drei Kinder, eine Tochter stammt aus einer früheren Beziehung. Jobs ist Veganer und bekennt sich zum Buddhismus.
Seine Krankheit konnte er nicht vor der Öffentlichkeit verbergen. Er litt an Bauchspeicheldrüsenkrebs und musste sich im Jahr 2009 einer Lebertransplantation unterziehen. Bereits mehrfach gab Jobs die operative Führung von Apple zeitweise ab, was den Aktienkurs aber immer nur kurz absacken ließ. So leitet Jobs' Wunschnachfolger Tim Cook den Konzern faktisch bereits seit Jahresanfang 2011 - und in dieser Zeit hat die Aktie deutlich stärker zugelegt als der Gesamtmarkt. Ohnehin werde Jobs der Firma mit seiner "einzigartigen Einsicht, Kreativität und Inspiration" weiterhin helfen, teilte Apple mit.
Unter Branchenexperten sind die Meinungen darüber, ob das Unternehmen den Erfolgskurs in der neuen Konstellation fortsetzen kann, geteilt. Mit dem Rückzug von Jobs auf den Posten des Verwaltungsratsvorsitzenden werde sich nicht viel ändern, sagen die einen. Andere, wie der Analyst Trip Chowdhry von Global Equities Research, sind anderer Ansicht. Längerfristig werde der Konzern Mühe haben, mit marktprägenden Ideen aufzuwarten: "Apple ohne Steve Jobs ist nichts." Dennoch geriet die Aktie gestern im frühen Handel nur leicht unter Druck.
Tatsächlich fühlte sich einer der Kommentatoren bei Twitter angesichts mancher anderer Beiträge gedrängt, darauf hinzuweisen, dass Jobs ja nicht tot ist: "Ich wüsste gern, wie er sich fühlt, wenn er all diese Nachrufe liest."
Das ist Tim Cook:
Der Kronprinz ist gekrönt. Tim Cook übernimmt nach dem Rücktritt der IT-Legende Steve Jobs die Führung von Apple. Im Vergleich zu seinem langjährigen Chef ist Cook geradezu unauffällig. Der 50-Jährige aus Alabama hat bislang weder die Showtalente seines Chefs erkennen lassen noch dessen visionäre Gabe. Von der Internetseite lächelt die bisherige Nummer zwei die Kundschaft in einem geschäftsmäßigen hellblauen Hemd an.
Doch Cook, der seit Langem das Tagesgeschäft bei Apple verantwortet und den Konzern faktisch seit Januar führt, sollte nicht unterschätzt werden. Als er während einer früheren Auszeit von Jobs das Ruder übernahm, legte die Apple-Aktie rund 60 Prozent zu. Für seine Vertretung wurde Cook 2004 auf Empfehlung seines Chefs mit Bargeld und Aktienoptionen im Wert von 22 Millionen Dollar belohnt. Im vergangenen Jahr, in dem sich die Aktie des wertvollsten Technologiekonzerns wieder kräftig verteuerte, erreichte die Vergütung sogar einen Wert von 59 Millionen Dollar. Cook gilt schon lange als effektiver Manager, der eben bislang eher hinter den Kulissen agiert.
Jobs selbst holte den IBM- und Compaq-Manager 1998 zu Apple - und Cook griff beim damals ums Überleben kämpfenden Unternehmen schnell durch. Er schloss eigene Produktionswerke und setzte auf Auftragsfertiger. Er ließ die Lagerbestände von Monaten auf Tage schmelzen. Das half Apple, bei dem schnellen Modellwechsel in der Elektronikbranche keine Auslaufgeräte als Altlasten herumliegen zu haben.
Cook sei seine beste Personalentscheidung gewesen, habe Jobs einmal geschwärmt. Die beiden hätten sich vom ersten Moment an verstanden.
Ähnlich wie Jobs gilt Cook als öffentlichkeitsscheuer Workaholic, der lange im Büro bleibt, viel Zeit im Flieger verbringt und auch mal E-Mails mitten in der Nacht verschickt. Cook und Jobs eint nach Ansicht früherer enger Mitarbeiter ihre Liebe zum Detail. "Trotz ihrer Unterschiede im Stil ist die Intensität, mit der sie arbeiten, fast gleich", sagt Mike Janes, ehemaliger Chef beim Apple iTunes-Store. "Sie sind beide Perfektionisten."
Kommentar:
Leuchtturm und Last zugleich
von Olaf Preuß
Wenn Nachrichten über die Gesundheit des Firmengründers den Aktienkurs bewegen, kann das für ein Unternehmen nicht gut sein. Der angekündigte Rückzug von Apple-Chef Steve Jobs aus dem operativen Geschäft drückte die Aktie gestern zunächst kräftig ins Minus, bevor der Kurs dann wieder stieg. Die Anleger sehen den Schritt als eine Zäsur, obwohl Jobs' schwere Erkrankungen seit Jahren bekannt sind. Der hagere Mann im schwarzen Rollkragenpullover gilt als Ikone der Computerindustrie schlechthin. Unter seiner Führung stieg Apple zum wertvollsten Technologieunternehmen der Welt auf.
Wie stark Jobs die jüngsten Innovationen bei Apple - vor allem die mobilen Geräte iPhone und iPad - zuletzt noch selbst geprägt hat, ist schwer zu beurteilen. Wenn er aber so vorausschauend ist, wie es ihm mit Blick auf seine Entwicklungen zugeschrieben wird, müsste er Apple wetterfest für die Zeit nach seiner Ära gemacht haben. Die meisten Branchenexperten glauben dies auch.
Bei Microsoft, neben Apple wichtigstes Unternehmen der Informationstechnologie, ist der Übergang gelungen. Gründer Bill Gates widmete sich beizeiten der karitativen Arbeit. Noch immer ist Microsoft der mächtigste Softwarekonzern der Welt. Aber längst wird die Marke nicht mehr so mit Gates gleichgesetzt wie früher.
Gründer sind Pioniere, und manche werden zu Legenden. Aber auch sie müssen den richtigen Zeitpunkt für den Abschied finden. Max Grundig etwa ist das nicht gelungen. Der Wirtschaftswunder-Held und einst führende europäische Hersteller von Unterhaltungselektronik hielt viel zu lange an seinem Unternehmen und an seinen Ideen fest. Grundig ging in der Konkurrenz aus Asien unter.
Offen ist, ob Apple seinen Aufstieg mit weniger Präsenz von Steve Jobs wird fortsetzen können. Jedenfalls wird der Visionär fehlen, der den Menschen mit seinen Produkten so viele neue Möglichkeiten eröffnet hat.