Der erste Schritt zur Parlamentszustimmung für die Stärkung des Rettungsschirms EFSF ist getan. Nächste Woche stimmt der Bundestag ab.

Berlin. Die umstrittene Ausweitung des Euro-Rettungsfonds EFSF hat die erste parlamentarische Hürde in Deutschland genommen. Der Haushaltsausschuss des Bundestages billigte am Mittwoch in Berlin nach Angaben von Teilnehmern mehrheitlich die geplante Stärkung des EFSF. Die Linke stimmte dagegen. Separat beschlossen wurden auch die erweiterten Parlamentsrechte für Euro-Hilfen.

Der Bundestag soll kommende Woche endgültig über die Reform abstimmen. Eine Mehrheit des Parlaments gilt als sicher, nachdem SPD und Grüne Zustimmung signalisiert haben. Weiter fraglich ist aber eine eigene Mehrheit der schwarz-gelben Koalition. Der erweiterte EFSF soll möglichst noch Anfang Oktober starten. Allerdings ist die Zustimmung auch anderer nationaler Parlamente noch offen.

Der Rettungsfonds EFSF erhält neue Instrumente. Zugleich soll der Garantierahmen für Not-Kredite an kriselnde Euro-Länder deutlich aufgestockt werden. Der Bundestag soll nach dem Gesetzentwurf von Union und FDP an allen wesentlichen Entscheidungen beteiligt werden. Auch bei eiligen Hilfen des Euro-Rettungsfonds EFSF muss die Zustimmung des Bundestages eingeholt werden.

Finanzminister Wolfgang Schäuble hält eine eigene schwarz-gelbe Mehrheit bei der Bundestagsabstimmung über den erweiterten Euro-Rettungsschirm nicht für zwingend. Davon hänge der Fortbestand der Regierung nicht ab, sagte der CDU-Politiker der „Berliner Zeitung“ (Mittwoch). „Wir haben eine Mehrheit von 80 Prozent für das Gesetz im Bundestag.“ Damit bezog sich Schäuble auf die Zusage von SPD und Grünen, der EFSF-Erweiterung zuzustimmen.

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Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und die Führung der Unionsfraktion haben hingegen immer wieder die Erwartung geäußert, dass Schwarz-Gelb bei der Abstimmung auch eine eigene Mehrheit erreicht. Nach Ansicht der Opposition müsste die Regierung zurücktreten, wenn sie diese in einer so wichtigen Frage verfehlt.

Künftig soll der Rettungsfonds Staatsanleihen kriselnder Euro-Staaten aufkaufen können – sowohl von Investoren als auch von Regierungen. Zudem kann er vorsorglich eingreifen und einem Land eine Kreditlinie bereitstellen. Auch sollen Staaten Geld erhalten, damit sie ihre Finanzinstitute stützen können.

Zugleich soll der Garantierahmen für Hilfen auf 780 Milliarden Euro aufgestockt werden. Davon soll Deutschland bis zu 253 Milliarden Euro schultern. Mit dem erhöhten Garantierahmen soll sichergestellt werden, dass der EFSF tatsächlich Notkredite von bis zu 440 Milliarden Euro vergeben und sich günstig Geld beschaffen kann.

Bei raschen oder vertraulichen Entscheidungen soll ein Kreis von neun Vertretern des Haushaltsausschusses vorher zustimmen. Diese Gruppe soll – wie zuvor beim Bankenrettungsfonds Soffin – vom Plenum gewählt werden. Auch ist der Bundestag explizit zuständig, wenn eine vereinbarte Notmaßnahme wesentlich geändert wird.

Der Antrag der Koalitionsfraktionen dazu wurde dem Vernehmen nach nochmals geändert. So soll das Plenum des Bundestages unterrichtet werden, wenn die Gründe für die besondere Vertraulichkeit weggefallen sind. Der Widerspruch des „Vertrauensgremiums“ müsse mit Mehrheit fallen. Ein eigener Antrag der SPD sei abgelehnt worden.

Die Bundestagsbeteiligung an der Euro-Rettung

EFSF-AUFSTOCKUNG UND ERWEITERUNG

Die Europäische Finanzstabilisierungsfazilität (EFSF) soll nach einem Beschluss der Staats- und Regierungschefs der Euro-Zone vom 21. Juli aufgestockt und mit neuen Instrumenten zur Stützung von überschuldeten Euro-Ländern ausgestattet werden:

– Die EFSF soll künftig 440 Milliarden Euro effektiv zur Verfügung haben, bisher sind es etwa 250 Milliarden Euro. Die EFSF wird durch Staatsgarantien der Euro-Länder abgesichert. Weil sich die EFSF das Geld selbst am Finanzmarkt leiht, aber nicht alle Euro-Länder wie Deutschland ein AAA-Rating haben, sind die EFSF-Kredite übersichert. Die Staatsgarantien steigen auf rund 780 von bisher 440 Milliarden Euro. Der Anteil Deutschlands daran wird von 123 auf 211 Milliarden Euro erhöht.

– Die EFSF kann bisher nur im Rahmen eines Hilfsprogramms Darlehen an Euro-Länder geben, die am Finanzmarkt kein Geld mehr auftreiben können. Künftig soll sie zur Beruhigung der Märkte schon im Vorfeld Kreditlinien zusagen können, besondere Kredite zur Rekapitalisierung von Banken geben, sowie direkt bei den Regierungen (Primärmarkt) oder an den Kapitalmärkten (Sekundärmarkt) Staatsanleihen kaufen können.

BUNDESTAGSBETEILIGUNG

Bisher reicht es aus, wenn sich die Regierung bei einer Aktivierung der EFSF um Einvernehmen mit dem Haushaltsausschuss bemüht. Künftig gelten umfangreiche Beteiligungsrechte:

– Grundsätzlich darf der deutsche Vertreter in der EFSF Maßnahmen nur zustimmen oder sich enthalten, wenn der Bundestag oder ein Sondergremium des Bundestages vorher zugestimmt hat. Das soll sicherstellen, dass kein einziger deutscher Euro ohne vorherige Zustimmung der Volksvertretung ausgegeben wird.

– Bei besonderer Eilbedürftigkeit oder Vertraulichkeit werden die Beteiligungsrechte des Bundestages von einem neuen Gremium ausgeübt, das sich aus Abgeordneten des Haushaltsausschusses rekrutiert. Die Mitglieder des Gremiums werden vom Bundestag für eine Wahlperiode gewählt. Die Anzahl soll möglichst klein sein, aber jede Fraktion mindestens einen Vertreter haben, wobei die Mehrheitsverhältnisse gewahrt bleiben sollen. Diese Regelung läuft nach Worten von Fraktions-Experten auf ein neunköpfiges Gremium hinaus.

– Von Eilbedürftigkeit oder Vertraulichkeit wird regelmäßig ausgegangen bei der Gewährung der neuen Nothilfen, also vorsorglichen EFSF-Kreditlinien, Krediten zur Banken-Rekapitalisierung und Anleihekäufen auf dem Sekundärmarkt.

– Bei allen anderen Entscheidungen kann die Regierung Eilbedürftigkeit oder Vertraulichkeit beantragen. Das Gremium kann dem mit Mehrheit widersprechen. In diesem Fall entscheidet der Haushaltsausschuss über die neuen Notmassnahmen, in den anderen Fällen das Bundestagsplenum.

– Das Bundestagsplenum entscheidet allerdings immer selbst über einen neuen Hilfsantrag eines Euro-Landes, über eine Änderung des EFSF-Rahmenvertrages und bei der Überführung der Rechte und Pflichten der EFSF auf den geplanten dauerhaften Euro-Rettungsschirm ESM, der 2013 seine Arbeit aufnehmen soll.

ZEITPLAN

Mit dem Beschluss des Haushaltsausschusses ist der Weg frei für die finalen Parlamentsberatungen. Der Bundestag stimmt am

29. September über die Aufstockung der EFSF-Garantien und die Neufassung seiner Beteiligungsrechte ab. Der Bundesrat folgt nur einen Tag später in einer Sondersitzung. (rtr/dpa)