Versandhändler plant eine Internetplattform für Arzneimittel. Das Pilotprojekt soll noch in diesem Jahr in der Hansestadt starten.
Hamburg. Modeartikel, Unterhaltungselektronik oder Möbel lassen sich schon lange beim Hamburger Otto-Konzern bestellen. Doch nun will der weltgrößte Versandhändler auch in das lukrative Apothekengeschäft einsteigen. "Wir planen den Aufbau einer Internetplattform, über die Apotheken als unsere Partner Arzneimittel anbieten können", sagte Unternehmenssprecher Thomas Voigt dem Abendblatt.
Die Details des neuen Angebots sind noch geheim. Nach Informationen des Abendblatts will Otto aber noch in diesem Jahr mit einem Pilotprojekt in Hamburg an den Start gehen. Fünf bis zehn Partnerapotheken aus der Hansestadt sollen an dem Projekt teilnehmen. Im Erfolgsfall will Otto das Angebot dann auf die gesamte Bundesrepublik ausweiten. Voraussichtlich werden zunächst nur rezeptfreie Medikamente angeboten.
Grundsätzlich sieht das Konzept vor, dass die Kunden die Arzneimittel über die neue Internetplattform ordern und Otto dann die komplette Abwicklung der Zahlungsvorgänge übernimmt. Ausgeliefert werden die Medikamente aber ausschließlich über die Partnerapotheken vor Ort. Sie sind rechtlich gesehen auch die Vertragspartner der Kunden, da Otto selbst über keine Lizenz für den Verkauf von Medikamenten verfügt.
Um an dem Projekt teilnehmen zu können, sollen die Apotheker Lizenzgebühren und eine Umsatzprovision an Otto zahlen. Nach Angaben des Branchendienstes "Apotheke Adhoc" wird eine jährliche, sogenannte Partner Fee von 1000 Euro fällig, hinzu kämen 15 Prozent des Umsatzes mit nicht verschreibungspflichtigen Medikamenten (OTC). Der Unternehmenssprecher wollte diese Zahlen allerdings nicht bestätigen.
Der Vorteil für die Apotheker soll vor allem in dem großen Know-how der Otto-Gruppe im Onlinehandel liegen. Immerhin ist der Konzern die weltweite Nummer zwei im Internetgeschäft hinter dem US-Unternehmen Amazon. Zudem will Otto das neue Angebot mit einer breit angelegten Werbekampagne begleiten. So sollen mögliche Interessenten etwa über Anzeigen in Lesezirkel-Zeitschriften angesprochen werden, die in Arztpraxen ausliegen. Denkbar ist auch, dass Kunden, die ohnehin bei Otto bestellen, Werbung für den neuen Service in ihren Paketen finden.
Für die Verbraucher soll die neue Plattform vor allem deshalb attraktiv sein, weil Otto über die Bündelung mehrerer Apotheken ein sehr breites Angebot an Arzneimitteln für den Versand zur Verfügung stellen kann. Gleichzeitig bleibt über das Partnermodell aber der Kontakt zur Apotheke vor Ort erhalten, die auch die Beratung der Kunden übernehmen kann.
Insgesamt befinden sich die rund 2700 Versandapotheken in Deutschland weiter auf Wachstumskurs. Laut einer Untersuchung der Marktforschungsgesellschaft Inside Health legte ihr Umsatz mit nicht verschreibungspflichtigen Produkten zwischen Juli 2010 und Juni 2011 um 6,8 Prozent auf fast 700 Millionen Euro zu. In den normalen Apotheken waren die Umsätze mit den sogenannten OTC-Produkten hingegen mit minus 0,5 Prozent leicht rückläufig, lagen mit gut acht Milliarden Euro allerdings auch auf einem wesentlich höheren Niveau. "Aufgrund des zuletzt hohen Margendrucks versuchen immer mehr Apotheker, sich über den Versand ein zusätzliches Standbein aufzubauen", sagt die Sprecherin des Branchenverbands BVDVA, Kerstin Kilian, dem Abendblatt.
Trotz dieser guten Ausgangslage ist es allerdings fraglich, ob sich das Otto-Projekt tatsächlich als Erfolg erweist. So scheint die Resonanz auf den Vorstoß des Versandhandelskonzerns bislang auf wenig Gegenliebe bei den Hamburger Apothekern getroffen zu sein. Ursprünglich hatte Otto nämlich geplant, mit dem Projekt schon im Juli an den Start zu gehen, musste den Termin aber wegen des geringen Interesses von potenziellen Partnern verschieben.
In der Branche werden vor allem die hohen Provisionen, die Otto verlangt, als problematisch eingestuft. Dadurch sei es den Partnerapotheken kaum möglich, den vergleichsweise preisaggressiven Versandapotheken wie DocMorris Paroli zu bieten.
Auch die Apothekerkammer Hamburg steht dem Otto-Projekt eher skeptisch gegenüber. "Mir erschließt sich noch nicht der Vorteil, wenn sich zwischen Apotheke und Kunde noch eine dritte Partei als Vermittler einschaltet", sagt Geschäftsführer Reinhard Hanpft. Die Verbraucher könnten ihre Arzneimittel schließlich auch direkt bei einer Versandapotheke bestellen.