Internetmarktplatz geht heute von Eppendorf aus mit 250.000 Produkten an den Start. Chef Tim von Törne will Zahl der Mitarbeiter verdoppeln.
Hamburg. Tim von Törne kennt das Problem schon. Immer wenn der gestandene Internet-Experte am Aufbau eines neuen Unternehmens arbeitet, nimmt der heute 40-Jährige kräftig zu. Zu viele Stunden vor dem Computer, zu wenig Zeit zum Radfahren, Laufen oder Schwimmen. Elf Kilo waren es diesmal, was für eine wirklich schwere Geburt spricht.
Genau genommen ging es aber auch nicht um eine Geburt, sondern eher um die Wiederbelebung einer längst schon tot geglaubten Marke. Der Versender Quelle, vor zwei Jahren im Zuge der Arcandor-Insolvenz untergegangen, kehrt in Form eines Onlineportals zurück. Heute um 13 Uhr wird die Seite mit 250 000 Artikeln aus den Bereichen Unterhaltungselektronik und Wohnen scharf geschaltet. "Die Marke steht für Zuverlässigkeit, Fairness, Einfachheit und auch ein positives Heimatgefühl", sagt Quelle-Geschäftsführer von Törne. "Diese Werte haben wir zeitgemäß ins Netz übertragen." Der Umsatz auf der Plattform solle schon bald im dreistelligen Millionen-Euro-Bereich liegen.
Es ist ausgerechnet Quelles früherer Konkurrent Otto, der hinter der Auferstehung der Traditionsmarke steckt. Der Hamburger Versandhandelsriese hatte im November 2009 die Rechte an der Marke aus der Insolvenzmasse gekauft und dafür zusammen mit dem Geschäft von Quelle in Russland sowie diversen Gerätemarken rund 65 Millionen Euro bezahlt. Knapp ein Jahr später verpflichteten die Hanseaten den Start-up-Experten von Törne für den geplanten Neustart. Der scharte ein Team von rund 30 Internetexperten um sich, um in Eppendorf ein zeitgemäßes Konzept für die Marke zu entwickeln.
Herausgekommen ist ein Onlinemarktplatz, auf dem andere Internethändler ihre Fahrräder, LCD-Fernseher, Handys, Sofas und Waschmaschinen anbieten können. "Wir wickeln für den Käufer alle Bestell- und Zahlungsvorgänge mit den von uns geprüften Verkäufern ab", erläutert von Törne das Konzept. So könne sich ein Kunde beispielsweise einen Couchtisch und eine Kamera bei drei unterschiedlichen Anbietern bestellen, erhalte am Ende aber eine Gesamtrechnung von Quelle. "Falls der Kaufpreis das verfügbare Budget überschreitet, bieten wir einen Ratenkauf an", sagt der Quelle-Chef. "Bei Fragen und Problemen, können sich die Verbraucher an unser eigenes Kundencenter wenden."
Bei der Auswahl der überwiegend mittelständischen Händler, die ihre Produkte auf der Plattform anbieten, hat Quelle neben der Seriosität auch auf deren Wettbewerbsfähigkeit geachtet. "Unsere Vertragspartner stehen auf Quelle.de durchaus in Konkurrenz", sagt von Törne. So könne es vorkommen, dass ein bestimmter Fernseher auf der Quelle-Plattform zu unterschiedlichen Preisen angeboten werde. "Der Kunde kann sich dann für das günstigste Angebot oder auch für das mit den kürzesten Lieferzeiten entscheiden." Quelle kassiert vom Händler für jeden Kauf eine Provision, die je nach Gerät zwischen sieben und 15 Prozent liegt.
Alte Quelle-Marken wie Privileg werden über die neue Plattform ebenfalls zurückkehren, allerdings auf Umwegen. Otto hatte sich zwar die Rechte an der Haushaltsgerätemarke gesichert, musste diese aber aus wettbewerbsrechtlichen Gründen an den Gerätehersteller Whirlpool weiterreichen. Nun übernimmt eine Otto-Gesellschaft den Vertrieb der Maschinen und bietet diese auf dem neuen Marktplatz an.
Von anderen Internetmarktplätzen will sich von Törne vor allem durch den Service und die einfache Benutzerführung absetzen. Betont schlicht kommt die Seite daher, mit einigen wenigen Klicks erreicht man die verschiedenen Produktkategorien. "Wir haben viel Arbeit darauf verwendet, dass sich auch jene Menschen auf unserer Seite zurechtfinden, die nicht mit dem Internet aufgewachsen sind." So spannte der Chef neben vielen externen Testern sogar seine eigene Mutter für die ersten Probeläufe ein. "Auch sie hat uns wertvolle Tipps gegeben." Zur Zielgruppe zählt von Törne junge Familien, Internetshopper, aber auch den "modernen Rentner".
Allerdings bewegt sich die neue Quelle-Seite in einem extrem harten Wettbewerbsumfeld. Neben Riesen wie Amazon und zahlreichen Preisvergleichsseiten gehen mit Media-Markt und Saturn demnächst auch noch zwei echte Schwergewichte in den Kampf um die Onlinekunden. Die Metro-Töchter haben den Internetboom verschlafen und versuchen nun, verlorenes Terrain wieder gutzumachen.
Und dann ist da nicht zuletzt der Otto-Konzern selbst, mittlerweile zweitgrößter Onlinehändler weltweit, der unter seiner Kernmarke Otto ebenfalls Fernseher, Handys und Sofas verkauft. "Die Gefahr einer Kannibalisierung von Quelle und Otto sehen wir aber nicht", sagt von Törne. Zum einen versuche die neue Plattform, ehemalige Quelle-Kunden für den Kauf im Netz zu gewinnen, die sonst nie bei Otto einkaufen würden. "Außerdem wird Otto von vielen Kunden vor allem mit Mode in Verbindung gebracht, das Markenbild von Quelle steht mehr für Hartwaren."
Zumindest muss man dem Otto-Konzern zugutehalten, dass er sich mit dem Quelle-Chef einen Experten verpflichtet hat, der das Geschäft im Internet glänzend versteht. Der Hamburger verantwortete früher unter anderem das Deutschland-Geschäft von Skype und baute zuletzt mit dem Start-up Cellity einen eigenen Anbieter von Telefonlösungen im Internet auf. Das Unternehmen verkaufte er im Anschluss mit Gewinn an Nokia.
"Ich habe einfach großen Spaß daran, neue Firmen aufzubauen", sagt von Törne. Für Quelle sieht er in den kommenden Jahren große Wachstumschancen. So werde das Sortiment zum Jahreswechsel schon mehr als eine Million Produkte umfassen. "In den kommenden Monaten wird die Zahl unserer Mitarbeiter in Hamburg sicher noch von derzeit 30 auf bis zu 60 steigen." Künftig will der Internetprofi aber darauf achten, dass die Arbeitszeiten vor dem Rechner nicht allzu sehr ausufern. "Nach der stressigen Anfangsphase kann ich vielleicht auch wieder mal an einem Triathlon teilnehmen und die überflüssigen Pfunde loswerden."