Schweizer Währungsschützer ziehen die Notbremse und stoppen den Rekordflug des Franken mit fester Obergrenze. Die EU-Kommission will künftig gegen den Hochgeschwindigkeitshandel per Computer vorgehen.

Frankfurt/New York. Die Börse hat weiter wenig Vertrauen in eine baldige Lösung für die zunehmende Schuldenkrise, in die Banken und die Konjunktur. Sie scheint mit jedem Tag noch weniger zu werden, Kursausschläge an den Märkten bleiben heftig. Nun will die Schweizer Notenbank die eigene Wirtschaft schützen. Mit einer Einführung einer strikten Obergrenze für den Frankenkurs will sie den Währungs-Höhenflug stoppen. Einen derart starken Eingriff in den Währungshandel hat es seit über drei Jahrzehnten nicht mehr gegeben. Damals mussten sich die Schweizer gegen die D-Mark zur Wehr setzen. Nun will auch die EU durchgreifen und die gefährlichen Kursschwankungen durch superschnelle Computergeschäfte unterbinden.

Immer mehr Investoren hatten sich zuletzt auch angesichts der Gefahren durch die Euro-Schuldenkrise in den Schweizer Franken geflüchtet. Die Schweizer Währung gilt neben Gold als "sicherer Hafen“ für viele verunsicherte Anleger. Um die eigene Währung zu schützen, legte sich am Dienstag die Schweizerische Nationalbank (SNB)fest: Für einen Euro soll es künftig nicht weniger als 1,20 Franken geben. Bislang schwankten die Währungskurse, wie es beim Euro zum Dollar der Fall ist, je nach Angebot und Nachfrage.

Die starke Währung ist für die Exportwirtschaft des Alpenlandes eine enorme Belastung. Den meisten ist die Schweiz durch Käse und Uhren bekannt – viel wichtiger sind aber Exportgüter wie Pharmaprodukte und Maschinen.

+++ Die Rezessionsangst erschüttert die Börse +++
+++ Die Angst der Banker - Kommt neue Krise? +++

Der vergleichsweise günstige Euro verleitete viele Schweizer andererseits, über die Grenze zu fahren und kräftig einzukaufen, davon profitierten auch deutsche Händler. Ein Schweizer Franken soll nun künftig höchstens 0,833 Euro wert sein. Ende 2007 war ein Franken noch für etwa 0,60 Euro zu haben – in diesem Jahr lag er schon bei 0,97 Euro, eine Aufwertung von mehr als 60 Prozent.

Die Ankündigung der SNB überraschte die Finanzmärkte, die mit heftigen Kursbewegungen reagierten. Am Devisenmarkt sprang der Euro zur US-Währung kurzfristig deutlich auf 1,4275 Dollar, um dann unter die Marke von 1,40 Dollar zu fallen. Zum Schweizer Franken lag der Euro zuletzt knapp über dem angepeilten Mindestkurs von 1,20 Franken. Die SNB sei nun bereit, unbeschränkt Devisen zu kaufen, sagten Händler. Praktisch bedeutet das: Die Zentralbank werde immer, wenn der Wechselkurs die Zielmarke überschreitet, Euro kaufen – und dafür Franken auf den Markt werfen, was aber auch Inflationsgefahren birgt.

Die Aktienmärkte in Deutschland und Europa zeigten sich zunächst beeindruckt von dem drastischen Währungsschritt der Schweiz und reagierten positiv. Im weiteren Verlauf überwogen aber die Sorgen über die Euro-Schuldenkrise auch angesichts des mit Spannung erwarteten Urteils des Bundesverfassungsgerichts zum Euro-Rettungsschirm. Konjunkturängste sorgten für eine anhaltende Mollstimmung sowohl in Europa als auch in den USA.

Am deutschen Aktienmarkt schloss der Dax nach dem dramatischen Kurssturz des Vortages den vierten Handelstag in Folge mit Verlusten. Mit einem Minus von 1,0 Prozent auf 5193,97 Punkte und damit auf dem niedrigsten Stand seit Juli 2009 ging er aus dem Handel.

In den USA verpufften leicht positivere Konjunkturdaten schnell, obwohl sich die Stimmung der Einkaufsmanager im Dienstleistungssektor im August überraschend aufgehellt hat. Der entsprechende Indikator deutete Händlern zufolge aber nur auf eine moderate Erholung der US-Wirtschaft hin. Dies reichte jedoch nicht aus, um die weiter am Markt vorherrschenden Ängste vor einem Rückfall der USA in eine Rezession zu zerstreuen. Wie bereits in Europa standen Bankentitel einmal mehr weit oben in den Verkaufslisten der Anleger.

Die EU-Kommission will künftig gegen den Hochgeschwindigkeitshandel per Computer vorgehen, der Börsenkurse rasend schnell extrem abstürzen lassen kann. "Wir brauchen Regeln für den superschnellen Handel“, sagte die Sprecherin von EU-Binnenmarktkommissar Michel Barnier. "Dazu gehören automatische Stopps, die den Handel unterbrechen, falls die Kurse zu schnell fallen.“ Barnier werde im Oktober oder November eine Novelle der EU-Finanzmarktrichtlinie Mifid mit Vorschriften für den Wertpapierhandel vorlegen.

Die "Krisenwährung“ Gold erreichte kurz ein neues Rekordhoch von 1920,25 Dollar für eine Feinunze (31,1 Gramm). Allein seit dem vergangenen Freitag hat der Goldpreis um 90 Dollar oder fast fünf Prozent zugelegt. Nach der Ankündigung der Schweizer Zentralbank fiel der Goldpreis jedoch auf 1896 Dollar. Doch Experten erwarten bald eine Fortsetzung der Rekordjagd, da der Franken künstlich geschwächt werde.

Der Schweizer Währungsschritt hatte auch Auswirkungen auf den Ölmarkt. Die Ölpreise reagierten mit Aufschlägen, da die amerikanische Währung zum Euro zeitweise an Wert verlor. Die Kursschwäche des Dollar habe die in US-Dollar ausgewiesenen Rohstoffpreise für Anleger im Vormittagshandel attraktiver gemacht und sie hätten verstärkt zugekauft, sagten Händler. Am späten Nachmittag verteuerte sich ein Barrel (159 Liter) Rohöl der Nordseesorte Brent mit Auslieferung im Oktober um 1,50 auf 111,58 Dollar. Damit legte der Preis erstmals seit vier Handelstagen wieder zu. Die Maßnahmen der SNB hätten „die Finanzmärkte durcheinandergewirbelt“, hieß es in einer Einschätzung der Commerzbank.

Von Birthe Blechschmidt