Amazon steigert Umsatz auf 9,9 Milliarden Dollar. Für seinen radikalen Wachstumskurs nimmt der Onlinehändler Gewinneinbrüche in Kauf.
Seattle. Auch weiterhin hat Amazon die besten Erfolgsaussichten seine Marktführerschaft auszubauen - der weltgrößte Onlinehändler wächst derzeit im Rekordtempo. Der Umsatz stieg im zweiten Quartal um satte 51 Prozent auf 9,9 Milliarden Dollar (6,8 Mrd Euro). Konzerngründer und -chef Jim Bezos sieht vorallem die Unternehmenstugenden als ausschlaggebend für den scheinbaren unaufhaltsamen Expansionskurs an: Niedrige Preise, eine breitere Auswahl, eine schnelle Lieferung und Innovationen wären seit mehr als einem Jahrzehnt das Erfolgsrezept für das Unternehmen. Aber: die Investitionen in die Zukunft kosten Geld. Darum musste Amazon zum wiederholten Male einen Gewinnrückgang hinnehmen. Die Kunden honorieren die besonderen Aktionen allerdings mit Treue und Begeisterung. Besonders die Sonderangebote, wie das neueste Lady-Gaga-Album, das der Online-Händler für gerade mal 99 US-Cent anbot. Aber auch der Ausbau der Logistikzentren oder der Vorstoß in ganz neue Geschäftsbereiche ließen den Gewinn um 8 Prozent im Vergleich zum Vorjahreszeitraum auf unterm Strich 191 Millionen Dollar fallen.
Amazon fährt eine bekannte Strategie: Der Händler versucht, mit allen Mitteln Marktanteile hinzuzugewinnen und Konkurrenten wie Ebay auszustechen – zu Lasten seiner Profitabilität. Ob diese Rechnung aufgeht ist unter Experten umstritten. Zumindest dieses Mal übertraf Amazon die Erwartungen der Analysten und die Aktie stieg nachbörslich um mehr als 6 Prozent. Für das laufende Quartal sagt Amazon voraus, im besten Falle die 11-Milliarden-Umsatzmarke zu knacken – und dabei schlimmstenfalls nur noch einen Kleckergewinn von unterm Strich 20 Millionen Dollar zu erwirtschaften.
Amazon deckt mittlerweile den Gesamtbedarf an Konsumgütern ab. Ursprünglich gestartet mit dem Verkauf von Büchern und CDs sind mittlerwele auch Kosmetika, Fernseher und Herrenanzug zu erwerben. Gerade die neuen Sparten wachsen rasant. Der Konzern betreibt überdies Webhosting, bietet Filme im Onlineverleih an und vertreibt Apps für die boomenden Android-Smartphones. Eines der jüngsten Kinder ist ein Cloud-Musikdienst, bei dem Songs zentral auf Internetrechnern gespeichert werden und jederzeit abrufbar sind. Als neuesten Clou plant das Onlineversandhaus seinen eigenen Tablet-Computer. Medienberichten zufolge ist eine Markteinführung schon vor dem Oktober geplant. Auch erste Informationen sickerten durch: So soll das Gerät einen etwa 23 Zentimeter großen Bildschirm haben und mit dem Android-Betriebssystem laufen. Android wurde von Google entwickelt. Eine Kamera soll es allerdings nicht geben. Beim iPad2 gilt die als populäres Extra, das Videotelefonie ermöglicht.
Einen anderen Weg schlägt der Rivale Ebay ein: Der Online-Marktplatz wächst deutlich langsamer als Amazon, stattdessen setzt Ebay auf Dienstleistungen rund um den Einkauf im Netz. Eine der Perlen im Unternehmen ist die Bezahltochter PayPal. Die Leidtragenden der Entwicklung sind die klassischen Einzelhändler. Jüngst musste die zweitgrößte Buchhandelskette der USA nach monatelangem Überlebenskampf endgültig aufgeben. Bei Borders verlieren jetzt auch die letzten 10 700 Beschäftigten den Job. Die Nummer eins der US-Buchhändler, Barnes & Noble schwächelt ebenfalls und sucht vorsorglich nach einem Käufer.