Die Ratingagentur Moody's bewertet Irland nur noch mit Ramschstatus. Die EU und Deutschland sprechen dennoch deutlich ihr Vertrauen aus.

London/Dublin. Es ist das dritte europäische Land, das mit der Abwertung leben muss: Nach Griechenland und Portugal ist Irland dran. Die EU-Kommission hat die Entscheidung der Ratingagentur Moody’s zu einer Herabstufung der Kreditwürdigkeit Irlands kritisiert. Die schlechtere Bewertung sei unverständlich und der Zeitpunkt dafür fragwürdig, erklärte die Sprecherin von EU-Kommissionspräsident Jose Manuel Barroso am Mittwoch in Brüssel. Irland mache Fortschritt bei der Umsetzung seines Reformprogramms und sei jetzt auf dem richtigen Weg. Derzeit sei gerade die Delegation der EU-Kommission vor Ort in Dublin, um dies zu überprüfen. Die Experten würden dazu am Donnerstag Bericht erstatten.

Hintergrund der Kritik: Die Ratingagentur Moody's hat die Bonität von Irland auf "Ramschniveau“ herabgestuft. Somit ist es das dritte europäische Land, nach Griechenland und Portugal, dass den Stempel der "Beinahe-Zahlungsunfähigkeit" erhält. Moody's zweifelt die Kreditwürdigkeit des Landes an – und warnt Investoren vor den Gefahren eines Investments. Die Konsequenzen für das hoch verschuldete Irland sind drastisch. Für das Land dürfte es nun noch schwieriger und teurer werden, an frisches Geld zu gelangen. Moody's geht davon aus, dass Irland nach dem Auslaufen der derzeitigen Hilfsprogramme von Europäischer Union und dem Internationalen Weltwährungsfonds (IWF) Ende 2013 vor einer Rückkehr an den privaten Kapitalmarkt neue Unterstützung benötige. Die Probleme der heimischen Banken hatten Irland im vergangenen Jahr als erstes Land unter den Euro-Rettungsschirm EFSF gezwungen, der nach der Griechenland-Krise von EU und IWF aufgespannt wurde. 85 Milliarden Euro Hilfsgelder stehen bereit. Im Gegenzug muss der Inselstaat deutliche Einsparungen vornehmen.

Die Bewertung Irlands ist um eine Note von Baa3 auf Ba1 gesenkt worden, teilte Moody's am Dienstagabend mit. Der Ausblick bleibt "negativ“, heißt es weiter. Das bedeutet, dass weitere Abstufungen drohen. Moody's fürchtet, dass Irland seine Schuldenprobleme nicht aus eigener Kraft in den Griff bekommt.

Nach den jüngsten Verhandlungen der EU-Regierungen im Fall Griechenland steigt die Möglichkeit, dass private Kreditgeber als Vorbedingung für ein weiteres Hilfsprogramm an der Schuldenentlastung beteiligt werden. Für Moody's gilt die private Beteiligung als Indiz für Zahlungsunfähigkeit. Dadurch könnten die Refinanzierungskosten vor allem für schwächere Mitglieder der Euro-Zone steigen. „Dies ist ein Schlüsselfaktor in der fortlaufenden Beurteilung der Staatsanleihen der schuldengeplagten Euro-Zone durch Moody's“, heißt es. Mit einer ähnlichen Begründung hatte Moody's in der vergangenen Woche Portugal herabgestuft. Das Land hat allerdings mit Ba2 noch eine schlechtere Note als Irland erhalten.

Die Politik zeigt Unverständnis - die Finanzmärkte reagieren beunruhigt

Bei Europäischer Kommission und irischem Finanzministerium sorgt die Entscheidung Moody's für Unverständnis und erhitzt die Debatte, Ratingagenturen künftig zu beschneiden. Besonders kritisch sieht man, dass die Entscheidung von Moody's nicht im Einklang den Einschätzungen der anderen großen Agenturen steht, betont das Finanzministerium. S&P sowie Fitch bewerten Irland drei Stufen über Ramschstatus. Die EU-Kommission bedauerte in einer Mitteilung das Vorgehen von Moody's. Die drei marktbeherrschenden Ratingagenturen Standard & Poor's, Moody's und Fitch gehören zu den größten Kritikern der Schuldensünder in der Euro-Zone. Sie mussten dafür harsche Kritik von Seiten europäischer Politiker einstecken. EU-Justizkommissarin Viviane Reding hatte erst jüngst in einem Interview mit „Welt Online“ gesagt: „Europa darf sich nicht von drei US-Privatunternehmen kaputt machen lassen.“ Sie drohte den Ratingriesen mit der Zerschlagung oder der Schaffung von Konkurrenzagenturen in Europa und Asien. Auch Deutschland stärkt der irischen Regierung den Rücken. In der Bundesregierung und in der EU gebe es großes Vertrauen zum Reformprogramm des Euro-Staates, sagte eine Sprecherin von Kanzlerin Angela Merkel am Mittwoch in Berlin. Zuletzt sei dies auf dem Gipfel der Staats- und Regierungschefs der EU im Juni zum Ausdruck gebracht worden.

Der Sprecher des Bundesfinanzministeriums, Martin Kotthaus, sagte, über die Rolle der Ratingagenturen in der Schuldenkrise werde auf Ebene der Euro-Finanzminister gesprochen. Es müsse bei bestimmten Bewertungen hinterfragt werden, wie sie zustande gekommen seien. „Es gab in der Vergangenheit Ratings, die nicht mit der Realität zusammenzubringen waren“, sagte er mit Blick auf die Finanz- und Bankenkrise. Die Regulierung der Ratingagenturen sei aber keine nationale, sondern eine internationale Aufgabe.

Aber auch die Verteidiger der Ratingagenturen melden sich zu Wort. So warnt etwa das Institut der deutschen Wirtschaft Köln (IW) davor, den Agenturen die Schuld für die Euro-Misere anzulasten. Das eigentliche Problem nämlich wäre es, dass sich der Finanzmarkt noch immer nicht vom vergangenen Schock erholt habe. Nach Meinung von Bundesbankpräsident Jens Weidmann ist die Kritik an den Ratingagenturen zwar in Teilen berechtigt, lenkt jedoch von den eigentlichen Problemen ab. „Die kritisierten Bonitätsnoten sind ja nicht willkürlich, sie spiegeln reale Probleme in den betroffenen Ländern wider“, sagte Weidmann der „Zeit“.

Die Lage an den Anleihemärkten Italiens und Spaniens hat sich am Mittwoch deutlich entspannt. In beiden Euro-Ländern gaben die Risikoaufschläge für Staatsanleihen spürbar nach. Demgegenüber verschlechterte sich die Situation an den Märkten für irische und portugiesische Staatspapiere. In Irland stieg der Risikoaufschlag für zehnjährige Titel auf ein neues Rekordhoch. Händler sprachen von einer erhöhten Unsicherheit, nachdem die Ratingagentur Moody’s die Kreditwürdigkeit Irlands am Dienstagabend auf „Ramsch-Niveau“ gesenkt hatte. Die Höhe der Renditen für Staatsanleihen zeigt die Gefahrenzulage an, die die Märkte für das jeweilige Land verlangen. Hohe Renditen sind grundsätzlich ein Zeichen für ein großes Misstrauen der Investoren. Zum Vergleich: In Deutschland liegt die Rendite für zehnjährige Staatsanleihen derzeit bei 2,7 Prozent und damit so tief wie in keinem anderen Euro-Land. Grund ist die erstklassige Bonität Deutschlands.

Dementsprechend war der Renditeanstieg in Irland am Mittwoch der stärkste im gesamten Euroraum. Im Vormittagshandel legte die Rendite für zehnjährige Papiere um 0,35 Punkte auf 13,15 Prozent zu. Nach Griechenland ist dies die zweithöchste zu zahlende Rendite im Währungsraum. In Portugal stieg die Rendite um 0,26 Punkte auf 11,81 Prozent. Am deutlichsten waren die Renditen am Mittwochvormittag in Italien und Spanien rückläufig, nachdem sie am Montag und Dienstag zeitweise drastisch gestiegen waren. In Italien sank die Rendite für zehnjährige Staatstitel um 0,13 Punkte auf 5,42 Prozent, in Spanien um 0,12 Punkte auf 5,69 Prozent.

Irland - "Wir tun alles"

Die Politik versucht nun alles um die aufgebrachten Finanzmärkte zu beruhigen. So versicherte die EU-Kommission, Irland sei auf dem richtigen Weg, um aus der Schuldenkrise herauszufinden. Das Finanzministerium in Dublin erklärte, Irland tue alles, um die Schuldenprobleme in den Griff zu bekommen. Dabei habe man bereits Fortschritte gemacht. Noch in diesem Jahr werde die Wirtschaft wieder wachsen. Laut NTMA kommen Irland dabei auch die Entscheidungen vom Euro-Gruppen-Treffen am Montagabend in Brüssel zugute. Demnach soll der Euro-Rettungsfonds EFSF künftig flexibler zur Stützung eingesetzt werden. Nach Worten von Eurogruppen-Chef Jean-Claude Juncker schließt das theoretisch auch einen Schuldenrückkauf mit Hilfe des EFSF ein.

Auch Irlands Abwicklungsbank (NTMA) betont ihre Zuversicht, dass das Land bis Ende 2013 ausreichend finanziert sei. Analyst Robert Tipp von Prudential sagte: „Die Herabstufung hilft definitiv nicht. Sie wird dazu führen, dass einige Investoren, die keine Sicherheiten auf Ramschniveau halten dürfen, verkaufen müssen.“ Chris Rupkey von der Bank of Tokio sagte, es habe zuletzt viele Herabstufungen gegeben, diese werde das Fass nicht zum Überlaufen bringen.

Hintergrund: Irlands Weg in die Schulden

Anfang dieses Jahrzehnts hatte sich das einst bitterarme Irland zum „keltischen Tiger“ gewandelt. Mit Steuergeschenken hatte die Regierung Investoren vor allem aus den USA angelockt. Dank günstiger Körperschaftssteuern verlegten Google, Apple und Facebook sowie zahlreiche Banken ihre Europa-Zentralen nach Irland. Die grüne Insel schien den Wandel vom Agrarstaat zum Dienstleistungsstandort gemeistert zu haben. Auch in puncto Staatsfinanzen präsentierte sich das Land lange als Musterschüler.

Doch die weltweite Finanzkrise erfasste 2008 auch die irische Wirtschaft. Die Häuserpreise sanken drastisch, eine Immobilienkrise brach über die Banken herein, die allzu leichtfertig Kredite ausgegeben hatten. Der Staat musste mit Milliardenspritzen und Staatsgarantien helfen. Vor allem die Anglo Irish Bank brauchte immer mehr Geld und musste praktisch verstaatlicht werden. Für eine kleine Volkswirtschaft wie Irland war diese finanzielle Last kaum zu schultern. Die Staatsverschuldung wuchs deutlich an. Die irische Regierung reagierte mit Steuererhöhungen und heftigen Sparmaßnahmen.

Das kleine Land ächzt unter einem Schuldenberg von 148 Milliarden Euro (2010) – das klingt wenig im Vergleich zu Italiens 1,84 Billionen, macht aber 96,2 Prozent des irischen Bruttoinlandsproduktes aus. Erlaubt sind nach den Spielregeln der Währungsunion allenfalls 60 Prozent. In die Währungsunion war Irland mit 48,5 Prozent gestartet; dank kontinuierlicher Haushaltsüberschüsse konnte der Schuldenstand bis 2007 sogar auf 25 Prozent vom BIP abgebaut werden – bis sich die Folgen des Finanzdebakels dramatisch in den irischen Staatsfinanzen bemerkbar machten.

Die Investoren verloren das Vertrauen, die Risikoaufschläge für irische Staatsanleihen wuchsen. Für das Land wurde es immer teurer, an neues Geld zu kommen. Um den Staat vor dem Kollaps zu bewahren, schlüpfte Irland Ende November 2010 unter den Rettungsschirm der Europäischen Union und des Internationalen Währungsfonds. EU und IWF sagten finanzielle Hilfe in Höhe von 85 Milliarden Euro zu.

(abendblatt.de/dpa/Reuters)

Hintergrund

So bewerten Ratingagenturen

Ratingagenturen bewerten nicht nur die Kreditwürdigkeit von Firmen und Staaten, sondern auch die Qualität von Fonds und anderen Wertpapieren. Ihre Einstufung entscheidet darüber, zu welchen Konditionen Konzerne, Banken oder Länder auf den Kapitalmärkten Geld leihen können. Den Bewertungsagenturen kommt damit eine enorme Macht zu. Je besser die Einstufung, also die erwartete Rückzahlungsfähigkeit, desto niedriger die Zinsen. Umgekehrt führt eine Herabstufung dazu, dass der potenzielle Schuldner Geld nur zu höheren Zinsen aufnehmen kann. Dies trifft auf Griechenland, Irland und Portugal zu. Üblich ist eine Herauf- oder Herabstufung um eine Stufe. Eine Herabstufung um fünf Stufen wie im Dezember bei Irland durch Moody’s ist extrem selten.

Auf dem Weltmarkt sind drei Agenturen mit weitem Abstand bestimmend: die US-Unternehmen Standard & Poor’s (S&P) und Moody’s sowie die britische Agentur Fitch Ratings. Firmen, die in den USA auf dem Kapitalmarkt agieren wollen, müssen sich von mindestens zwei dieser drei von der Börsenaufsicht SEC allein zugelassenen Agenturen bewerten lassen. Die Abstufung lässt sich mit Schulnoten vergleichen. Eine Eins plus entspricht dem besten S&P-Rating AAA. Der Kreditgeber nimmt ein Ausfallrisiko von 0,02 Prozent im wörtlichen Sinn „in Kauf“. Je niedriger das Ausfallrisiko, umso geringer muss der Kredit mit Eigenkapital der Bank hinterlegt sein. Umso mehr Verhandlungsspielraum hat auch der Kunde. Beim AAA-Rating eines Unternehmens beträgt die Eigenkapitalquote 1,6 Prozent. Note Zwei gibt es bei AA+ (besser als AA) bis AA- (schlechter als AA), und so weiter bis hinab zu D, was einer „Acht“ bei Schulnoten entspräche. Bei D wird mit 20 Prozent Ausfallrisiko oder einem Totalausfall kalkuliert, der Kredit – wenn er überhaupt noch gewährt wird – muss mit 12 Prozent Eigenkapital der Bank unterlegt sein.

Die Bewertungsagenturen sind auf Gewinn ausgerichtete Privatfirmen. Kritik entzündet sich nicht erst seit der Finanzmarktkrise daran, dass die Unternehmen, die von den Agenturen bewertet werden, diese auch bezahlen. Seit längerem gibt es Gedankenspiele in der EU, eine eigene Bewertungsagentur zu gründen. Sie sind aber bislang nicht Wirklichkeit geworden. In der Finanzmarktkrise wurde den Ratingagenturen vorgeworfen, Asset Backed Securities (ABS, forderungsbesicherte Wertpapiere) mit Höchstnoten bewertet zu haben, die später durch den Einbruch des US-Hypothekenmarktes massiv verloren. Banken konnten aber zuvor mit den Höchstnoten bewertete ABS an andere verkaufen, um Geld für neue Geschäfte zu bekommen.

(abendblatt.de/dapd)