Kein Milliarden-Deal: Murdoch will die 61 Prozent der BSkyB-Aktien nicht mehr übernehmen. Zuvor gab es starken politischen Druck.
New York. Nach heftigem politischen Druck gibt Rupert Murdoch die geplante Milliarden-Übernahme des britischen PayTV-Senders BSkyB auf. Die Offerte für die 61 Prozent der BSkyB-Aktien, die der Murdoch-Konzern News Corp noch nicht besitzt, werde zurückgezogen, teilte News Corp am Mittwoch mit.
Nach dem Abhörskandal um das Boulevardblatt „News of the World“ wurde der politische Druck auf den Medienunternehmer Rupert Murdoch zum Verzicht auf die geplante Übernahme des Fernsehsenders British Sky Broadcasting (BSkyB) immer größer.
In einem Antrag hieß es, dass ein Angebot zur Übernahme der vollen Kontrolle über BSkyB nicht im nationalen Interesse sei. Seit Monaten wartete Murdoch darauf, die noch nicht in seinem Besitz befindlichen 61 Prozent der BSkyB-Aktien aufkaufen zu dürfen. Bislang fehlt ihm dazu noch die Genehmigung des Kartellamts.
Die Aktien von BSkyB fielen am Handelsplatz London am Mittwoch um 1,5 Prozent auf 6,82 Pfund (7,23 Euro) und setzten den Abwärtstrend damit in der siebten Handelsperiode in Folge fort. Anfang vergangener Woche lag der Aktienwert noch bei 8,50 Pfund (9,64 Euro).
Auch der Kursverlauf der Aktien von Murdochs Unternehmensgruppe News Corp. kennt nur noch den Weg nach unten, seit in der vergangenen Woche bekannt wurde, dass „News of the World“-Mitarbeiter das Mobiltelefon der ermordeten Teenagerin Milly Dowler gehackt haben. Danach wurden noch weitere Vorwürfe laut. In einem Versuch, die Lage zu beruhigen, verfügte Murdoch bereits das Ende von „News of the World“ nach 168 Jahren und reiste selbst nach London, um das angeschlagene Schiff selbst durch diesen Sturm der öffentlichen Empörung zu steuern.
Premierminister Cameron sagte am Mittwoch im Parlament, sein ehemaliger Chef-Kommunikator Andy Coulson, der von 2003 bis 2007 Chefredakteur der „News of the World“ war, sollte angeklagt werden, wenn er im Zusammenhang mit dem Abhörskandal gelogen habe. Ein „Feuersturm“ habe Teile der Medien und der Polizei erfasst, sagte er. Wer sich strafbar gemacht habe, müsse angeklagt werden. Außerdem forderte Cameron von den Medien mehr Transparenz.
Laut einem Bericht des „Wall Street Journal“, das auch zu News Corp. gehört, traf sich Murdoch in den vergangenen Wochen mit seinen Beratern, um mögliche Handlungsoptionen zu diskutieren. Dem am Mittwoch erschienenen Bericht zufolge soll dabei auch der Verkauf aller britischen Zeitungen des Unternehmens erwogen worden sein. Angesichts der schlechten wirtschaftlichen Lage der Blätter würde sich aber wohl kein Käufer finden, meldete die Zeitung unter Berufung auf mit der Situation vertraute, aber nicht namentlich genannte Quellen.
Unterdessen hat sich der Skandal auch auf andere Zeitungen der Murdoch-Mediengruppe, „The Sun“ und „The Sunday Times“, ausgeweitet. Murdochs Blätter „haben mit Kriminellen zusammengearbeitet. Bekannten Kriminellen. Kriminellen mit Vorstrafen“, sagte der frühere Premierminister Gordon Brown der BBC. In seiner Zeit als Premierminister habe sich die „The Sunday Times“ offenbar Informationen über sein Bankkonto, rechtlich relevante Unterlagen und möglicherweise weitere Dokumente verschafft.
Er und seine Frau seien 2006 von der damaligen Chefredakteurin der Zeitung „The Sun“, Rebekah Brooks, darüber informiert worden, dass das Blatt von der Mukoviszidose-Erkrankung seines Sohns Fraser wusste, sagte Brown weiter. Er könne sich nicht vorstellen, dass die Zeitung auf legalem Weg an diese Informationen gekommen sein könnte.
„The Sun“ wehrte sich unter dem Titel „Brown Wrong“, zu Deutsch: Brown liegt falsch, gegen die Vorwürfe. Nach Darstellung der Zeitungen erfuhren ihre Mitarbeiter von den Gesundheitsproblemen des Jungen durch den Vater eines ebenfalls an Mukoviszidose erkrankten Kindes. Die Browns seien kontaktiert worden und hätten der Geschichte zugestimmt, hieß es.
Weder Brown noch einer seiner Kollegen habe sich zum Erscheinungszeitpunkt über die Geschichte beschwert, stand in „The Sun“. Als Teil der Berichterstattung wurden auch Bilder gedruckt, die Brown mit Murdoch gemeinsam zeigen – beide grinsen. Murdochs britische Tochtergesellschaft der News Corp., zu der die Zeitungen gehören, reagierte auf die Anschuldigungen, indem sie Brown bat, alle Informationen, die dabei helfen könnten, die Anschuldigungen zu überprüfen, an sie weiterzuleiten.
Inmitten der Affäre verließ am Mittwoch allerdings der Rechtsmanager das Unternehmen. Eine Sprecherin von News International machte am Mittwoch keine Angaben darüber, ob Tom Crone aus freien Stücken seinen Hut nahm oder zum Rücktritt gedrängt wurde.
Nicht nur in Großbritannien gerät Murdoch immer weiter unter Druck. In Washington forderte Senator Jay Rockefeller eine Untersuchung darüber, ob die britischen Zeitungen auch US-Recht gebrochen haben. Sollten die Telefone von 9/11-Opfern oder anderen Amerikanern gehackt worden sein, werde das ernsthafte Konsequenzen haben, drohte Rockefeller, der Vorsitzender des Senatskomitees für Handel, Wissenschaft und Verkehr ist.
Die britische Zeitung „The Daily Mirror“ – ein Konkurrent der „The Sun“ – deutete in einem am Montag veröffentlichten Bericht an, dass auch Opfer des Terroranschlags Ziel der illegalen Praktiken gewesen sein könnten. „The Mirror“ berief sich auf einen nicht namentlich genannten privaten US-Ermittler, der Anfragen von nicht identifizierten britischen Journalisten zurückgewiesen haben soll, die besonders an Telefondaten britischer Opfern interessiert gewesen seien. Cameron versprach im Unterhaus die Aufklärung dieser Vorwürfe.
Offenbar um möglichen Verdächtigungen zuvor zu kommen, kündigte die australische Mediengruppe Murdochs die Überprüfung aller Ausgaben der vergangenen drei Jahre an. So solle sichergestellt werden, dass alle Zahlungen nur für rechtlich einwandfreie Dienste getätigt worden seien, sagte John Hartigan, Geschäftsführer (CEO) von News Limited. Er habe keinen Grund, Fehlverhalten zu vermuten, betonte Hartigan am Mittwoch in einem offenen Brief an die Mitarbeiter.
Neben den Ermittlungen wegen illegal abgehörter Telefone ermitteln die britischen Behörden auch weiterhin wegen mutmaßlicher Bestechung von Polizeibeamten, in die Murdochs Blätter verwickelt sein sollen. Hugh Orde, Präsident der Association of Chief Police Officers, forderte News International auf, alle Fälle aufzudecken.
„Hört mit diesen juristischen Spielchen auf“, forderte er in einem Interview mit dem BBC-Radio. Wenn die Namen, die Zeitpunkte, die Orte und die an die Polizisten gezahlten Summen bekannt seien, „würden wir sie gerne sehen, damit wir diese Polizisten einsperren und den Schlüssel wegwerfen können“, sagte er. Aus Polizeikreisen wurde bekannt, dass sechs Polizisten in die Bestechungsfälle verwickelt sein sollen. (dapd)
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Murdoch erwägt den Verkauf seiner britischen Zeitungen
Medienmogul Rupert Murdoch erwägt einem Medienbericht zufolge einen Verkauf seiner britischen Zeitungen, um weiteren Schaden aus dem Abhörskandal von seinem Imperium abzuwenden. Nach Informationen des „Wall Street Journal“ kursieren derzeit Verkaufsüberlegungen in der Zentrale von Murdochs News Corp. Das Wirtschaftsblatt berichtete unter Berufung auf eingeweihte Personen, dass das Management bereits vorgefühlt habe, ob es Interessenten gebe.
Das „Wall Street Journal“, das selbst zum Murdoch-Imperium gehört, schränkte allerdings gleich wieder ein, dass die Suche erfolglos verlaufen sei. Die wirtschaftliche Lage in der Zeitungsbranche sei einfach zu schlecht, als dass jemand habe zugreifen wollen. In sechs Monaten könnte die Idee aber erneut auf den Tisch kommen. Zur News Corp. gehören in Großbritannien das auflagenstarke Boulevardblatt „Sun“ sowie „The Times“ und „The Sunday Times“.
Bis vor kurzem war auch noch das Revolverblatt „News of the World“ ein Teil des Murdoch-Imperiums, doch der Altmeister machte die Sonntagszeitung kurzerhand dicht, als immer neue Details über Handy-Abhöraktionen von Reportern herauskamen. Damit wollte Murdoch den Skandal eindämmen und die Politik gnädig stimmen. Die Wettbewerbshüter müssen darüber entscheiden, ob sie Murdoch die Komplettübernahme des Fernsehkonzerns BSkyB erlauben. Auf der Insel herrscht die Sorge, dass der 80-Jährige einen zu starken Einfluss auf die öffentliche Meinung erhält.
Mit dem Verkauf seiner britischen Zeitungen könnte Murdoch diese Sorgen zu zerstreuen versuchen. Allerdings schlägt sein Herz für das gedruckte Wort. Murdoch hat mit seinen Zeitungen in Australien und Großbritannien den Grundstein für sein 40 Milliarden Dollar wertvolles Imperium gelegt, zu dem heute unter anderem das Filmstudio
20th Century Fox, die US-Fernsehsenderkette Fox sowie Buchverlage gehören. Hierzulande kontrolliert Murdoch den in einer Dauerkrise steckenden Bezahlsender Sky Deutschland. (dpa)