RWE-Chef Jürgen Großmann warnt In einem Interview vor Gefahren des Atomausstiegs. Er fürchtet Abwanderung der Industrie und fallende Kurse.
Frankfurt. Nach dem schnellen Atomausstieg poltert RWE-Chef Jürgen Großmann in einem Interview mit der Süddeutschen Zeitung gegen die drohenden Gefahren. Er befürchte als schwerwiegende Folge des Ausstiegs eine Deindustrialisierung der gesamten deutschen Wirtschaft. Auch seine Branche gerate zunehmend unter Druck. „Der Wertverlust unserer Aktie macht mir Sorge. Die Gefahr einer feindlichen Übernahme wächst“ - zumal der Konsolidierungsdruck in Europa weiter steige. Die Beschlüsse der Bundesregierung, so Großmann, seien "rational und rechtlich nicht begründbar."
Deutschland droht durch den Atomausstieg nicht nur der Verlust wichtiger Industriebranchen, die Verbraucher müssten sich auch auf höhere Strompreise einstellen. „Politikern täte es gut, die Folgen ihrer Handlungen zu überprüfen“, sagte Großmann. Für seinen Konzern wächst nach Großmanns Worten zudem die Gefahr einer feindlichen Übernahme. Investieren wolle RWE künftig „eher im Ausland“, denn Wachstum gebe es vor allem außerhalb des deutschen Heimatmarkts.
Aber auch die Abwanderung ganzer Branchen aus der Bundesrepublik beschwor der RWE-Chef. „Das wird ein schleichender Prozess.“ „Wenn die Politik weiter so konsequent die Zerstückelung der industriellen Energieerzeugung betreibt, werden wir bald auf ganze Industriezweige verzichten müssen“, warnte der RWE-Chef. Konzerne wie BASF und ThyssenKrupp werde es dann in Deutschland nicht mehr geben. Von ThyssenKrupp war dazu zunächst keine Stellungnahme zu erhalten.
Hintergrund ist der Beschluss des Bundeskabinetts vom vergangenen Montag. Das Gesetzespaket beschlossen, das das Atom-Aus bis 2022 besiegelt und den Umstieg auf Ökostrom beschleunigen soll. Als letztes der 17 deutschen AKW soll den Plänen zufolge Neckarwestheim II im Jahr 2022 abgeschaltet werden. Auch allen anderen Reaktoren wurden Enddaten zugewiesen. Die sieben Alt-Meiler und der bereits abgeschaltete Pannenreaktor Krümmel gehen ohnehin nicht wieder ans Netz. Die RWE-Aktie war auch durch die Ausstiegsbeschlüsse unter Druck geraten. Am Freitag kostete das Papier 38,87 Euro - vor einem Jahr waren es noch 58,21 Euro. „Der Wertverlust unserer Aktie macht mir Sorge“, räumte der RWE-Chef ein. Die Gefahr einer feindlichen Übernahme wachse – zumal „der Konsolidierungsdruck in Europa wieder zunimmt“.
Großmann hatte Finanzkreisen zufolge in der Vergangenheit eine Fusion mit dem spanischen Versorger Iberdrola ausgelotet, die Gespräche blieben aber ohne Ergebnis. RWE sei stark genug, Herausforderungen auch allein zu meistern, sagte Großmann nun. „Aber wenn es unabweisbare Vorteile gibt und eins plus eins eben mehr ist als zwei, warum soll man dann nicht zumindest über eine Zusammenarbeit nachdenken“, fügte Großmann hinzu. Der RWE-Chef deutete zudem an, dass der Essener Konzern nun auch gegen die Brennelementesteuer klagen könnte: „Es sprechen deutlich mehr Gründe für eine Klage als dagegen.“ Konkurrent E.ON will wegen des Atomausstiegs milliardenschwere Entschädigungen durchsetzen – und gegen die Brennelementesteuer vorgehen.
(abendblatt.de/Reuters)