Mit eigenem sozialen Netzwerk greift der Konzern Facebook an. Microsoft strebt mit Suchmaschine derweil auf den chinesischen Markt

Hamburg. Spielt Google auf die in Mode gekommenen "Facebook"-Partys an? Nach zwei erfolglosen Netzwerk-Versuchen soll nun Google+ Facebook Konkurrenz machen und den Vorteil haben, dass man eben nicht allen alles erzählt, was man postet.

"Man steht zu unterschiedlichen Leuten in unterschiedlichen Beziehungen", erläuterte der für Softwareentwicklung zuständige Google-Manager Vic Gundotra gestern im Firmenblog. Im richtigen Leben teile man das eine mit Freunden von der Uni, anderes mit den Eltern - "und fast nichts mit dem Chef", argumentierte er. "Das Problem ist, dass heute jeder im Web den Stempel ,Freund' aufgedrückt bekommt und das Teilen von Inhalten unter diesem Freundschaftsbrei leidet."

Mit diesem Seitenhieb bezog sich Gundotra offenbar darauf, dass viele Facebook-Nutzer Schwierigkeiten haben, ihre Nachrichten nur an bestimmte Gruppen von Menschen zu richten. Dafür kann man zwar auf Facebook die sogenannten Gruppen einrichten, es ist aber unklar, wie viele Menschen diese Funktion nutzen.

Bei Google können die eigenen Kontakte nun in sogenannte Circles (Kreise) eingeteilt werden. Familie, Arbeitskollegen, Gourmets oder HSV-Fans - jeder kann seine Bekannten und Verwandten so kategorisieren, wie er möchte. Auf Basis dieser Schubladen entscheidet der Nutzer dann, welche Informationen er mit wem teilt.

Grundsätzlich muss man ein Google-Konto besitzen, um den neuen Dienst zu nutzen. Die ersten Kontakte für das persönliche Beziehungsgeflecht empfiehlt Google+ dann auf Basis des Adressbuchs von Google Mail und anderer im Kontaktmanager gespeicherter Datensätze. Ein direkter Import von Facebook ist aber nicht möglich.

Eine weitere, neue Funktion ist "Sparks" (Funken), eine Art integrierter Lieferdienst von Neuigkeiten zu bestimmten Themen. Der Nutzer gibt Begriffe wie "Fotografie" oder "Handball" in eine Suchmaske ein, erhält dann automatisch passende Nachrichten und kann sich mit seinen Freunden über diese Themen unterhalten. Hier kann Google mit seinen bestehenden Angeboten YouTube und News bereits auf eine Fülle von Inhalten zurückgreifen.

Von Skype abgeguckt wurde ein Videochat namens "Hangouts", an dem bis zu zehn Mitglieder des neuen Netzwerks teilnehmen können. Daneben gibt es noch eine Gruppenchatfunktion ohne Video namens "Huddle", die vor allem für den Informationsaustausch unterwegs gedacht ist.

Google versucht schon mindestens seit 2009, soziale Netzwerkdienste aufzubauen. Bislang aber ohne nennenswerten Erfolg. Dazu gehört auch der Dienst Buzz, der dem E-Mail-Angebot von Google angegliedert ist. Buzz führte aber dazu, dass die Nutzer mit anderen E-Mail-Kontakte teilten, bei denen sie das gar nicht wollten. Google willigte deshalb schließlich ein, dass der Datenschutz von unabhängiger Seite jedes Jahr überprüft wird. Ein weiterer Versuch im Bereich soziale Vernetzung, Google Wave, wurde im vergangenen August wieder eingestellt. Das Angebot stieß nicht auf genügend Interesse.

Was die Erfolgsaussichten des neuen Dienstes angeht, sind sich die Experten noch uneins. Google+ steht zunächst nur einer begrenzten Anzahl von Testern zur Verfügung, wann es allgemein freigegeben wird, war zunächst nicht klar.

Auf viel Lob stößt im Internet die grafische Gestaltung des neuen Dienstes. Hatten beim gescheiterten Google Buzz sogar Experten Mühe, sich in der komplexen Oberfläche zurechtzufinden, kommt Google+ nun sehr aufgeräumt und intuitiv daher. Kontakte lassen sich beispielsweise durch ein einfaches Anfassen mit der Maus zu einem bestimmten Freundeskreis hinzufügen.

Das Blog TechCrunch hat auch schon herausgefunden, "warum Google+ so gut aussieht": Andy Hertzfeld, der vor über 30 Jahren die Benutzeroberfläche des ersten Apple Macintosh gestaltete, arbeitet seit 2005 für Google und durfte bei dem neuen Dienst erstmals sichtbar seine Akzente setzen.

Die Analystin Charlene Li von der US-Marktforschungsgesellschaft Altimeter Group erklärte, die Gruppenfunktion sei sehr interessant. Denn das sei einer der Punkte, der sie bei Facebook störe. Google+ wirke wie eine natürliche Ergänzung zu Googles Mail-Dienst, über den schon Millionen Menschen Dinge mit anderen teilten. Lou Kerner von Wedbush Securities glaubt hingegen nicht, dass Google in direkte Konkurrenz zu Facebook treten will. Mit 700 Millionen Nutzern weltweit habe Facebook das Rennen schon gewonnen. Google wolle die eigenen Angebote aber sozialer machen.

Steigt Google auch ins Fernsehgeschäft ein?

Google zieht es nicht nur in soziale Netzwerke, sondern auch ins Fernsehgeschäft. Gemeinsam mit Microsoft und Yahoo plant das Unternehmen laut der „Los Angeles Times“ den Kauf der Online-Plattform Hulu, über die in den USA Fernsehsendungen im Internet gezeigt werden. US-Sender wagten sich mit Hulu vor einigen Jahren probeweise ins Online-Geschäft. Fernsehsendungen werden über die Plattform für die Zuschauer kostenfrei im Internet gezeigt, der Dienst soll sich durch Werbung finanzieren. Die Initiative sorgte allerdings für Spannungen mit traditionellen Partnern der US-Fernsehindustrie – wie die Kabelnetzbetreiber. Das ist ein Grund dafür, dass die TV-Konzerne jetzt bei Hulu aussteigen wollen. Außerhalb der USA ist der Dienst nicht verfügbar.

Hulu hat die Online-Rechte für diverse populäre Sendungen – und das macht die Firma besonders für Google interessant. Der Internet-Konzern versucht seit einiger Zeit, seine Videoplattform YouTube mit mehr professionell produzierten Inhalten anzureichern. Für den Sprung ins Wohnzimmer schickte der Suchmaschinenspezialist das System Google TV ins Rennen, das Fernsehen und Internet verschmelzen soll. Da kämen die Hulu-Onlinerechte gerade passend.

Microsoft erweitert sein Suchmaschinen-Potfoli: Jetzt auch China

Während sich Google auf das Terrain der sozialen Netzwerke wagt, will Microsoft dem Konkurrenten den Suchmaschinen-Markt abspinstig machen. Während Google in China nach einem Zensur-Streit auf Sparflamme fährt, prescht Microsoft ins Suchmaschinen-Geschäft in dem boomenden Markt vor. Marktführer Baidu wird für englischsprachige Suchanfragen auf seiner Webseite auf Microsofts Bing zurückgreifen, wie das chinesische Unternehmen am Montag laut Medienberichten mitteilte. Der Plan solle zum Jahresende umgesetzt werden, berichtete die „New York Times“. Dem „Wall Street Journal“ zufolge geht es dabei nur um einen Teil der Suchanfragen, der Anteil wurde jedoch nicht näher genannt.

Baidu beherrscht die Websuche in China mit einem geschätzten Marktanteil von bis zu 80 Prozent. Die Dominanz wurde zementiert, nachdem Google eine Kraftprobe mit den chinesischen Behörden wagte. Der Internet-Konzern hatte Anfang vergangenen Jahres nach einer Hacker-Attacke angekündigt, sich nicht mehr an Pekings Zensurvorgaben halten zu wollen und dafür notfalls auch die Verbannung aus dem Reich der Mitte zu riskieren.

Chinesische Behörden schreiben Internet-Unternehmen als Voraussetzung für den Betrieb vor, für die Machthaber in Peking politisch heikle Inhalte herauszufiltern. Dafür gehören etwa Informationen über die blutige Niederschlagung der Proteste auf dem Platz des Himmlischen Friedens oder die Kontroverse um Tibet. Obwohl dazu keine Angaben gemacht wurden, sei davon auszugehen, dass auch Microsoft seine Suchergebnisse werde zensieren müssen, schrieb die „New York Times“. Google leitete bei dem Streit mit Peking zunächst die Suchanfragen aus China im Frühjahr 2010 direkt auf seine Seite in Hongkong um, wo die Treffer nicht zensiert werden müssen. Die Behörden blockierten den Zugang umgehend. Als ein Verlust der Lizenz für China drohte, ersetzte der Konzern dann im Sommer die automatische Weiterleitung bei google.cn durch einen Link zu Hongkong-Seite, den die Nutzer selbst anklicken müssen. Nach dem Streit schrumpfte der Google-Marktanteil in China von zuvor mehr als 30 auf zuletzt geschätzte knapp 20 Prozent. Weltweit ist Google die mit Abstand meistgenutzte Internet-Suchmaschine.

Microsofts Bing liege in China derzeit nur bei einem Prozent, schrieb die „Financial Times“ unter Berufung auf die Marktforschungsfirma Analysys International. Bei dem Deal mit Baidu würden die gesamten Werbeeinnahmen zwar beim chinesischen Partner bleiben, Microsoft werde aber seinen Dienst in China etwas bekannter machen können, hieß es.

(dpa)