Verbraucherorganisation Foodwatch prangert Werbelügen der Konzerne an
Hamburg. Vitaminreiche Bonbons, ein leichter Snack für zwischendurch oder Würstchen für die tägliche gesunde Ernährung: Im Kampf um Kunden verspricht die Lebensmittelindustrie viel. Doch das kann sich auch ins Gegenteil verkehren, wie am Freitag vor allem der Süßwarenhersteller Ferrero erfahren musste. Für sein Produkt Milch-Schnitte erhielt das Unternehmen den "Goldenen Windbeutel" für die "dreisteste Werbelüge". Insgesamt waren dafür fünf Produkte nominiert, darunter auch Feine Gürkchen des Hamburger Unternehmens Kühne.
Die Abstimmung unter Verbrauchern wurde von der Verbraucherorganisation Foodwatch initiiert. Daran beteiligten sich rund 118 000 Menschen. 43,5 Prozent davon stimmten für die Milch-Schnitte, die laut Hersteller für die Zwischenmahlzeit empfohlen wird, weil sie "nicht belastet" und "angenehm leicht" schmeckt. "Solche Aussagen sind Verbrauchertäuschung", sagt Christiane Groß von Foodwatch dem Abendblatt. "Denn die Milch-Schnitte hat mehr Zucker, mehr Fett und mehr Kalorien als Schokosahnetorte."
Der Geschäftsführer von Foodwatch, Thilo Bode, kritisierte den Deutschen Fußball-Bund (DFB) für seine Kooperation mit Ferrero. Es sei ein inakzeptabler Zustand, dass mit populären Spitzensportlern als harmlose Zwischenmahlzeiten getarnte Dickmacher unters Volk gebracht würden.
Das Unternehmen teilte lediglich mit, man habe keine Hinweise darauf, dass die Verbraucher die Werbung für die Milch-Schnitte als irreführend empfinden. "Wir stimmen den Vorwürfen von Foodwatch daher keinesfalls zu", hieß es aus dem Unternehmen. "Zumindest vorübergehend muss Ferrero mit Umsatzeinbußen rechnen", erwartet der Hamburger Ernährungsexperte Armin Valet von der Verbraucherzentrale. "Die Verbraucher sind für solche Themen doch wesentlich sensibler geworden."
Das zeigt sich auch an der steigenden Zahl der Abstimmenden. "Als wir 2009 mit der Aktion starteten, beteiligten sich 35 000 an der Abstimmung", sagt Groß. Inzwischen seien es dreimal so viele. Viele Vorschläge kommen auch von Verbrauchern. Bisher wurden auf der Internetseite "Abgespeist" 30 Produkte vorgestellt, die nach Einschätzung von Foodwatch nicht halten, was sie versprechen. "Rechtliche Probleme mit den Firmen haben wir nicht, denn was wir behaupten, sind Tatsachen", sagt Groß. Zu den für den Goldenen Windbeutel nominierten Produkten gehören auch der Joghurt Activia von Danone, die Bonbons Nimm 2, Ferdi Fuchs Mini-Würstchen und Schlemmertöpfchen Feine Gürkchen von Kühne. Bei den Würstchen kritisiert Foodwatch den hohen Salzgehalt. Die Bonbons Nimm 2 seien nicht gesünder als andere Süßigkeiten und der künstliche Vitamincocktail höchst problematisch. Bei Kühnes Gurken stoßen Foodwatch Farbstoff und Aromen sauer auf. "Mit Tradition und besten natürlichen Zutaten hat das nichts zu tun", sagt Groß. Kühne sieht sich ungerechtfertigt angeprangert. "Die erlesenen Kräuter kann man im Glas sehen", sagt Uwe Rotermund von Kühne. "Da die Kräuter unterschiedlich sind und wir aber immer den gleichen Geschmack garantieren wollen, setzen wir auch Aromen ein."
Wer sein Produkt oder die Werbeaussagen nach der Kritik verändert, wird nicht für den Negativpreis Goldener Windbeutel nominiert. So bestand die Puten Cervelatwurst von Gutfried fast zur Hälfte aus Schweinefleisch. 10 000 Beschwerden von Verbrauchern führten zur Rezepturänderung. Jetzt werden nur noch Putenfleisch und Pflanzenfett verwendet. "Geflügelwursthersteller mischen häufig als Geschmacksträger und für die Schnittfestigkeit Schwein unter ihrer Produkte", sagt Groß. Beim Fruchtsaftgetränk Fruchtiger wurde auf die Werbung "gesunder Durstlöscher" verzichtet und die Rezeptur geändert.