Einigung zwischen Angela Merkel und Frankreichs Staatspräsident Nicolas Sarkozy: Gäubigerbeteiligung auf frewilliger Basis. Euro und Dax beflügelt.
Berlin/Athen. Fortschritte in den Verhandlungen um ein neues Hilfspaket für Griechenland haben den europäischen Aktienmärkten am Freitag noch einmal Schwung gegeben. Finanzwerte stiegen europaweit zu den größten Gewinnern auf, nachdem Frankreichs Staatspräsident Nicolas Sarkozy und Bundeskanzlerin Angela Merkel betonten, dass private Gläubiger nur auf freiwilliger Basis an einer Sanierung Griechenlands beteiligt werden sollen. Der Dax schloss 0,8 Prozent höher bei 7164 Zählern. Auf Wochensicht hat der Leitindex damit 1,3 Prozent gewonnen – das erste Plus seit sieben Wochen.
Deutschland scheine sich von seinen Forderungen an private Gläubiger zu verabschieden, alte Griechenland-Bonds verpflichtend in neue umzuwandeln, interpretierten die Analysten von JP Morgan die Aussagen von Merkel und Sarkozy. Den Weg aus der Krise soll nun ein Modell weisen, in dem die Gläubiger ein freiwilliges Festhalten an griechischen Anleihen signalisieren. Vorbild ist die sogenannte „Wiener Initiative“. Dabei hatten sich 2009 mehrere westeuropäische Banken bereiterklärt, ihr Engagement in einigen von der Finanzkrise schwer getroffenen osteuropäischen Ländern beizubehalten.
Die weichere Form der Einbeziehung des Privatsektors, auf die sich Deutschland und Frankreich geeinigt haben, beruht auf vier Prinzipien: Freiwilligkeit, Schnelligkeit, kein Zahlungsausfall und Einverständnis mit der Europäischen Zentralbank (EZB).
Der griechische Premier Giorgos Papandreou tauschte derweil seinen unpopulären Finanzminister aus. Deutsche und französische Top-Manager verlangen in Zeitungsanzeigen weitere Hilfen. Der FDP-Fraktionsvorsitzende Rainer Brüderle regte einen kräftigen Schnitt für die griechischen Staatsschulden an.
Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) hatte erst vor wenigen Tagen verlangt, die Banken müssten ihre Griechenland-Anleihen noch vor der Fälligkeit umtauschen in neue Anleihen mit sieben Jahren Laufzeit, um dem Land mehr Luft zum Atmen zu geben. Dies müsse weitergehen als die „Wiener Initiative“, bei der sich Banken vor einigen Jahren gegenüber Osteuropa verpflichtet hatten, erst nach Ablauf der Anleihen neue zu kaufen. Merkel sagte nun jedoch, die „Wiener Initiative“ sei eine „gute Grundlage“. Auch Sarkozy sprach vom „Geist von Wien“. Jetzt müssten aber noch „technische Fragen“ geklärt werden. Gegen Schäuble stand außerdem die EZB.
Auch von einer Verschiebung der Verhandlungen bis September wie noch am Vortag war nun keine Rede mehr. Schon Eurogruppen-Chef Jean-Claude Juncker hatte das kritisiert. Merkel sprach sich jetzt dafür aus, das Hilfspaket so schnell wie möglich zu verabschieden. „Wir brauchen jetzt ein neues Programm für Griechenland.“ Merkel forderte ihre Parteifreunde von der griechischen konservativen Opposition auf, mitzuarbeiten. „Es wäre gut, wenn auch die Opposition den Ministerpräsidenten unterstützen würde“, sagte sie. Sie stehe jedenfalls hinter dem Sozialisten Papandreou in seinen Sparbemühungen, mit dem sie am Vortag telefoniert habe. Bislang lehnt die konservative „Neue Demokratie“ das Sparpaket ab. Den Hilfen werden sich nach Angaben des Hauptgeschäftsführers des Bundesverbandes deutscher Banken, Michael Kemmer, auch Kreditinstitute und andere Finanzdienstleister nicht entziehen. „Da weiß jeder um seine Verantwortung für das Große und Ganze“, sagte Kemmer im ZDF. Niemand werde sich der Verantwortung „im Sinne einer Umschuldung oder eines Haircuts“ entziehen. Kemmer widersprach zugleich Berichten, wonach deutsche private Banken und Versicherungen griechische Staatsanleihen abgestoßen haben.
Brüderle sagte ebenfalls im ZDF über die Schulden Athens: „Mein Vorschlag ist, dass man irgendwo einen Schnitt macht.“ Er schränkte ein: „Ich will keinen Zeitpunkt nennen. Aber um einen Schnitt kommen wir nicht ’rum. 40 oder 50 Prozent runterzuschneiden, das würde auch die Banken und andere bei uns mitbetreffen, aber das ist dann eine Basis“, sagte er. „Es kann sein, dass die Situation so eskaliert, dass der Zeitpunkt bald kommt, wo man einen Schnitt machen muss.“
Deutsche und französische Top-Manager warnten gemeinsam vor dem Scheitern der Währungsunion. „Ein Scheitern des Euro wäre ein fataler Rückschritt für Europa“, heißt es in einer Anzeige von 47 Unternehmenslenkern, die am kommenden Dienstag in überregionalen deutschen und französischen Tageszeitungen erscheinen soll, wie dapd am Freitag aus Kreisen der Unterstützer erfuhr. Papandreou will mit einem neuen Finanzminister und weiteren Veränderungen in seinem Kabinett die Zustimmung des Parlaments zu dem heftig kritisierten Sparprogramm erreichen, das Griechenland weitere Finanzhilfen sichern soll. Papandreou betraute den früheren Verteidigungsminister Evangelos Venizelos mit der Aufgabe, das Finanzressort zu leiten.
Venizelos ist Nachfolger von Giorgos Papakonstantinou, der bisher für die Verhandlungen mit der Europäischen Union und dem Internationalen Währungsfonds (IWF) zuständig war. Von seinen europäischen Kollegen respektiert, geriet er zu Hause wegen der strengen Sparmaßnahmen immer stärker unter Druck. Kritik kam auch von seinen Ministerkollegen. Papakonstantinou wechselt nun in das Energie- und Umweltressort. Auch hier dürfte er kaum populärer werden, denn im Energiesektor sind Privatisierungen geplant, die Geld in die leere Staatskasse bringen sollen. Die mächtige und traditionell prosozialistische Energiearbeiter-Gewerkschaft hat schon Widerstand angekündigt. Zu den weiteren Änderungen im Kabinett gehört die Schaffung eines Ministeriums für die Verwaltungsreform. Seine Aufgabe wird es sein, den aufgeblähten griechischen Staatsapparat zu reduzieren. Bis 2015 sollen hier 150.000 Stellen gestrichen werden.
Mit seinem neuen Kabinett will Papandreou in der kommenden Woche die Vertrauensfrage im Parlament stellen. Dann sollen auch die neuen Sparmaßnahmen beschlossen werden. Venizelos kommt schon am Sonntag in Luxemburg zu den Finanzministern der Eurogruppe. Gegen das Sparprogramm der Regierung hatten am Mittwoch Zehntausende Menschen in ganz Griechenland mit einem 24-stündigen Generalstreik und Massenkundgebungen protestiert. Versuche von Papandreou, eine Große Koalition mit dem konservativen Oppositionsführer Antonis Samaras zu bilden, waren gescheitert.
Der Kurs des Euro ist am Freitag nach einer Einigung von Deutschland und Frankreich auf eine Lösung für Griechenland deutlich gestiegen. Am späten Nachmittag kostete der Euro 1,4306 US-Dollar. Im Vormittagshandel hatte der Euro zeitweise nur 1,4125 Dollar gekostet. Die Europäische Zentralbank (EZB) hatte den Referenzkurs am Nachmittag auf 1,4270 (Donnerstag: 1,4088) Dollar festgesetzt. Der Dollar kostete damit 0,7008 (0,7098) Euro.
„Die Einigung zwischen Bundeskanzlerin Angela Merkel und Frankreichs Präsident Nicolas Sarkozy in der Griechenlandfrage hat den Euro beflügelt“, sagte Roland Ratzek, Devisenexperte bei der BayernLB. So sollen private Gläubiger wie Banken und Versicherungen zwar an den Kosten der Rettung Griechenlands beteiligt werden, die Einbindung soll aber auf freiwilliger Basis erfolgen. „Der Markt geht jetzt davon aus, dass die Hilfe gewährt wird“, sagte Ratzek. Auch das Treffen der Finanzminister der Eurozone am kommenden Montag sollte diese Einschätzung bestätigen.
Das Thema Griechenland dürfte jedoch zunächst die Märkte weiter dominieren, sagte Ratzek. Die Unsicherheit sei weiterhin da. Er verwies auch auf die politische Unsicherheit in Griechenland. Am kommenden Dienstag will Regierungschef Georgis Papandreou im Parlament die Vertrauensfrage stellen. Und danach muss der Premier das neue, insgesamt 78 Milliarden Euro schwere nächste Sparprogramm durchs Parlament bringen. Zu anderen wichtigen Währungen hatte die EZB die Referenzkurse für einen Euro auf 0,88260 (0,87530) britische Pfund, 114,71 (113,63) japanische Yen und 1,2103 (1,1958) Schweizer Franken festgelegt. Der Preis für eine Feinunze Gold wurde in London am Nachmittag mit (1.523,25) Dollar gefixt. Ein Kilogramm Gold kostete (34.170,00) Euro.