Kosten für Ausfallversicherung der Bonds steigen, ebenso die Risikoaufschläge auf griechische Staatsanleihen. Dax startet langsam am Freitag

Athen. Die Risikoaufschläge auf griechische Staatsanleihen steigen, die Kosten für die Ausfallversicherung der Bonds ebenso. Doch so ernsthaft wird am Finanzmarkt nicht mit einer Pleite Griechenlands gerechnet, die das weltweite Finanzsystem ins Chaos stürzen würde – zumindest noch nicht. Und selbst wenn es zu einem Zahlungsausfall in Athen käme, erwarten Investoren nicht zwangsläufig eine Ansteckung über die Grenzen des Landes hinaus. Die Investoren gehen davon aus, dass der Internationale Währungsfonds (IWF) und die Euro-Zone einschreiten, wenn es hart auf hart kommt, sagt John Stopford von Investec Asset Management. „Der Markt nimmt das Risiko raus, und preist noch nicht notwendigerweise die Katastrophe ein.“ So schwächelt der Euro zwar derzeit, liegt aber immer noch höher als zu Jahresauftakt, und auch an den Aktienmärkten ist nichts von einer Panik zu spüren. Doch sollte die Spekulation auf eine Rettung Griechenlands nicht aufgehen, stehen am Markt dramatische Verluste bevor.

Dann könnten die Anleihen von weiteren Euro-Staaten in den Abwärtsstrudel geraten, in dem die Griechen-Bonds seit mehr als einem Jahr stecken. Schon jetzt sind die Risikoaufschläge für Hellas-Anleihen so hoch wie nie seit Bestehen der Euro-Zone, für zehnjährige Papiere liegt die Marktrendite derzeit bei mehr als 18 Prozent, für zweijährige Anleihen verlangen die Investoren sogar über 25 Prozent Zinsen. Viele Marktteilnehmer haben in Bezug auf ihre Anlagen in Griechenland den Stahlhelm übergezogen und bringen ihre Schäfchen in Sicherheit. Die Kosten für die Ausfallversicherung griechischer Papiere stiegen am Donnerstag kräftig – der Anstieg war so stark, wie es insgesamt kostet, indonesische Bonds abzusichern. Ein Anstieg in dieser Höhe impliziert, dass sich Griechenland rapide auf die Insolvenz zubewegt.

Sollte Griechenland ungeordnet in die Staatspleite rutschen, dürfte das auch die Anleihen von vielen anderen Euro-Staaten auf Talfahrt schicken – Irland, Portugal, Spanien, aber auch Italien, Belgien oder sogar Frankreich. Für die Banken und die EZB wäre das mit enormen Verlusten verbunden. Ein ähnliches Szenario führte nach der Lehman-Pleite 2008 zur internationalen Finanzkrise. Die schwierige innenpolitische Lage in Griechenland und das zähe Ringen Europas um weitere Hilfen tun ihr übriges.

Doch die Stimmen der Investoren klingen deutlich entspannter. Bei einer Umfrage von Allianz Global Investors unter institutionellen Anlegern, die am Mittwoch veröffentlicht wurde, wurde eine Staatsanleihen-Krise als drittgrößtes weltweites Risiko genannt – nach höheren Zinsen und einem Kursverfall am Aktienmarkt. Und bei einer Reuters-Analystenveranstaltung zeigten sich die Experten zuversichtlich, dass die weltweiten Märkte von der Krise in Griechenland abgeschirmt werden können. Mehrere Investoren gaben an, weiterhin europäische Aktien und Staatsanleihen von Spanien und Italien zu kaufen. Panik klingt anders.

Mit zur Beruhigung trägt auch bei, dass die Griechenland-Krise nicht erst seit gestern tobt und damit die Investoren anders als Lehman nicht auf dem falschen Fuß erwischen dürfte. Auf den schlimmsten Fall – einer von Griechenland ausgelösten globalen Finanzkrise – sind die Marktteilnehmer aber nicht eingestellt. Sollten die Bemühungen zur Rettung Griechenlands scheitern, kommen auf den weltweiten Finanzmarkt schwierige Zeiten zu.

Angesichts der anhaltenden Sorgen um Griechenland ist der deutsche Aktienmarkt am Freitag etwas leichter in den Handel gestartet. Der Dax verlor in den ersten Minuten 0,65 Prozent auf 7064 Punkte und nahm so wieder Kurs auf die als besonders wichtig eingeschätzte Marke von 7000 Punkten. Für den MDax mittelgroßer Werte ging es um 0,75 Prozent auf 10 479 Punkte bergab. Der TecDax fiel um 0,68 Prozent auf 869 Punkte.

(Reuters)

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Einen Tag nach den gewalttätigen Protesten in Athen gegen die Sparprogramme der griechischen Regierung hat sich der Streit über die weiteren Hilfsprogramme unter den Europäern verschärft. Während Deutschland eine Beteiligung privater Gläubiger wie Banken fordert, lehnen Frankreich und die Europäische Zentralbank einen solchen Weg ab. Auch renommierte Wirtschaftswissenschaftler in Norddeutschland sind über den richtigen Umgang mit dem schuldengeplagten Staat uneins, wie eine Umfrage des Abendblatts ergeben hat.

Während der Direktor des Hamburgischen WeltWirtschaftsInstituts (HWWI), Thomas Straubhaar, eindringlich vor einer ungeordneten Staatspleite Griechenlands warnt, sieht dies sein Kollege vom Institut für Öffentliche Finanzen an der Universität Hannover, Stefan Homburg, undramatisch: "In der Geschichte hat es Hunderte Staatspleiten gegeben, zudem ist Griechenland relativ klein." Straubhaar fürchtet dagegen, dass Griechenland nach einer Insolvenz keine neuen Kredite zu vernünftigen Konditionen erhalten würde, "was die griechische Wirtschaft ins Chaos stürzt". Die Pleite führe zum Dominoeffekt und könnte andere schwache Kandidaten wie Portugal oder Irland ins Taumeln bringen.

Das sagen die Experten zur Schicksalsfrage Europas:

Professor Stefan Homburg: Steuerzahler schonen

Professor Thomas Straubhaar: Staatspleite verhindern

Professor Rudolf Hickel: Marshallplan auflegen

Professor Rolf Langhammer: Pro Schuldenschnitt

Eine Beteiligung privater Gläubiger an dem notwendigen weiteren Hilfspaket über 90 bis 120 Milliarden Euro findet unter allen befragten Ökonomen dagegen einhellige Zustimmung. "Dem Schuldenproblem ist nur durch einen Schuldenschnitt beizukommen - und zwar eher hart als weich. Dazu müssen alle beitragen, auch die privaten Gläubiger, Banken und die Europäische Zentralbank, sonst wäre der unbeteiligte Steuerzahler der einzig Leidtragende", urteilt Rolf Langhammer, Vizepräsident des Kieler Instituts für Weltwirtschaft (IfW). Doch mit einer Umschuldung alleine sei es nicht getan, betont Rudolf Hickel, Direktor des Bremer Instituts für Arbeit und Wirtschaft: "Wichtiger ist noch, dass für Griechenland ein Modernisierungsprogramm - im Sinne eines Marshallplans - gestartet wird, um die marode Wirtschaft anzukurbeln." Sonst drohe dem Land eine Elendsökonomie.

Die Europäische Union und die Euro-Partner wollen unterdessen die drohende Staatspleite Griechenlands mit einem neuen Zeitplan für die Hilfsleistungen abwenden. Zunächst soll die Auszahlung der im Juli fälligen zwölf Milliarden Euro an Athen gesichert werden. Diesen Beschluss erwartet EU-Währungskommissar Olli Rehn vom Krisentreffen der Euro-Finanzminister am Sonntag und Montag in Luxemburg. Ein neues Rettungspaket mit der umstrittenen Beteiligung privater Geldgeber könnte später folgen. Erst am 11. Juli sollten die Minister über zusätzliche Griechenland-Hilfen entscheiden: "Damit vermeiden wir das Szenario eines Zahlungsausfalls." Ein endgültiger Beschluss ist nach Angaben aus Verhandlungskreisen erst im September möglich - vor der nächsten Kredittranche an Athen. Heute berät Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) darüber mit Frankreichs Präsidenten Nicolas Sarkozy. Der unter Druck stehende griechische Ministerpräsident Giorgos Papandreou, der sein Kabinett umbilden will, sieht sich jetzt einer Revolte in seiner sozialistischen Partei gegenüber. Zwei prominente Abgeordnete legten aus Protest gegen den Sparkurs ihr Mandat nieder. Es wird erwartet, dass Papandreou am Sonntag im Parlament die Vertrauensfrage stellt. (Beate Kranz)