Griechenlands Ministerpräsident Giorgos Papandreou kündigt Vertrauensabstimmung an. Gegenwind zu Sparpolitik aus eigenen Reihen.
Athen. Nach der Ankündigung einer Kabinettsumbildung kündigt Griechenlands Ministerpräsident Giorgos Papandreou eine rasche Vertrauensabstimmung im Parlament an. Ein Parlamentsmitarbeiter sagt, die Debatten dazu sollen bereits am Sonntagabend beginnen und die Abstimmung selbst sol bis Dienstagabend abgeschlossen sein. Bevor Papandreou die Vertrauensfrage stellen kann, muss die neue Regierung ernannt und vom griechischen Präsidenten vereidigt werden. Der Ministerpräsident spürt verstärkten Widerstand aus den eigenen Reihen gegen seine Sparpolitik.
Zunächst nährte Papandreou die Spekulationen über einen Rücktritt zugunsten einer Regierung der nationalen Einheit. Der Ministerpräsident steht unter ernormen Druck. Das liegt nicht nur an den Forderungen der EU-Länder und den Demonstranten im eigenen Land, sondern auch an den eigenen Parteigenossen. Der Linke- und Gewerkschaftsflügel seiner Partei fordern ein Ende des radikalen Sparens. Streiks legten am Mittwoch das öffentliche Leben des Landes lahm - in der Hauptstadt Athen eskalierte der Protest. Demonstranten Straßenschlachten mit der Polizei.
„Eine große historische Chance ist verpasst worden“, kritisierte der Chef der konservativen Oppositionspartei Nea Dimokratia (ND), Antonis Samaras. Papandreou hat sein Angebot zurückzutreten zurückgenommen, Möglicherweise braucht Griechenland ein neues Hilfspaket im Wert von bis zu 120 Milliarden Euro. Europäische Union und Internationaler Währungsfonds (IWF) fordern weitere einschneidende Sparmaßnahmen von Athen. Voraussetzung für neue Hilfen sei, dass die sozialistische Regierung auch die Opposition mit ins Boot hole.
In der Eurogruppe bleibt der deutsche Vorschlag umstritten, private Gläubiger wie Banken und Versicherungen an den Hilfen zu beteiligen. Fortschritte könnte das Spitzentreffen von Bundeskanzlerin Angela Merkel und Frankreichs Staatschef Nicolas Sarkozy am Freitag in Berlin bringen. Vor allem Frankreich, dessen Banken massiv Griechenland-Kredite in den Büchern haben, leistet Widerstand – aus Furcht vor massiven Abschreibungen. Am kommenden Sonntag wollen dann die Euro-Finanzminister erneut beraten – einen Tag früher als geplant.
Papandreou machte klar, dass er als Regierungschef weitermachen will. „Ich setze den gleichen Kurs fort mit der Partei und dem griechischen Volk“ erklärte er im Staatsfernsehen (NET). Er habe der Opposition vorgeschlagen, gemeinsam Anstrengungen für Reformen zu unternehmen. Das könne eine Beteiligung der Opposition an der Regierung sein. Er werde am Donnerstag eine neue Regierung vorstellen und sich dann einer Vertrauensabstimmung im Parlament stellen. „Heute habe ich es erneut versucht. Ich habe auch klargestellt, dass ich dies nicht von Posten abhängig mache“, deutete Papandreou einen möglichen Rückzug an. Allerdings habe die oppositionelle Partei Nea Dimokratia (ND) unerfüllbare Bedingungen gestellt, bevor Gespräche überhaupt richtig hätten starten können. Die Konservativen fordern eine Neuverhandlung des Spar- und Reformprogramms mit EU und IWF.
Aus der konservativen ND hieß es, ihr Chef habe seinerseits eine Kooperation nur für kurze Zeit vorgeschlagen, um das Land in den nächsten Monaten durch die Krise zu führen. Dann solle es Neuwahlen geben. An der Spitze dieser Regierung dürfe aber nicht Papandreou stehen. Papandreou fordere hingegen, dass eine Einheitsregierung die volle Legislaturperiode bis 2013 amtiere.
Beobachter erklärten, der Ministerpräsident sei zum Handeln gezwungen. Die gegenwärtige Regierung könne wegen des Widerstands aus den eigenen Reihen vom linken Flügel und von den Gewerkschaften nicht mehr konsequent die nötigen Reformen umsetzen. Das Land muss rasch ein Spar- und Reformprogramm im Umfang von 78 Milliarden Euro auf den Weg bringen. Bis Ende 2011 müssen 6,4 Milliarden Euro eingespart werden, bis 2015 dann weitere 22 Milliarden. Zusätzlich muss die Regierung versuchen, 50 Milliarden Euro durch den Verkauf von Staatsbetrieben und Immobilien zu erlösen.
Die Billigung dieses Programms ist für Griechenland von zentraler Bedeutung. Sollte das Parlament ablehnen, würde die nächste Zuteilung von zwölf Milliarden Euro durch EU und IWF ausfallen. Dann wäre Griechenland Ende Juli endgültig pleite.
Auch die Wirtschaftslage entspannt sich derweil nicht: Die Arbeitslosenquote stieg nach Angaben des Statistikamtes von Donnerstag im ersten Quartal auf 15,9 Prozent. Ende 2010 hatte die Quote bei 14,2 Prozent und im ersten Quartal 2010 bei 11,7 Prozent gelegen. Die Wirtschaft war zwischen Januar und März nur um 0,2 Prozent gewachsen und damit deutlich langsamer als die Konjunktur in der gesamten Euro-Zone, die um 0,8 Prozent zugelegt hatte.
Euro auf Drei-Wochen-Tief
Aus Furcht vor einem Scheitern der Rettungsbemühungen für Griechenland haben sich am Donnerstag weitere Anleger aus dem Euro zurückgezogen. Die Gemeinschaftswährung fiel auf ein Drei-Wochen-Tief von 1,4071 Dollar und lag damit rund einen US-Cent unter dem Niveau vom New Yorker Vortagesschluss. Auf der Suche nach „sicheren Anlagehäfen“ nahmen zahlreiche Investoren Kurs auf die Schweiz. Mit 1,1945 Franken war der Euro so billig wie noch nie. Stark gefragt waren auch Bundesanleihen, der Bund-Future legte bis zu 67 Ticks zu und markierte mit 126,62 Punkten ein Sechs-Monats-Hoch.
„Die Zeit für Griechenland läuft langsam ab“, sagte ein Börsianer. „Es gibt keine einheitliche europäische Haltung und Athen verfügt nicht über den politischen Konsens, weitere Reformen durchzusetzen. Der Markt war nicht darauf vorbereitet, dass die Situation sich derart verschlechtert.“ Wegen der anhaltenden Proteste gegen den rigiden Sparkurs bildete Griechenlands Ministerpräsident Giorgos Papandreou das Kabinett um und kündigte an, im Parlament die Vertrauensfrage zu stellen.
Merkel trifft Sarkozy
Bundeskanzlerin Merkel trifft am Freitag in Berlin den französischen Präsidenten Nicolas Sarkozy. Die Gespräche sollen die Krise in Griechenland zum Hauptthema haben. Frankreichs Staatsoberhaupt gehen die Forderungen aus Berlin zu weit. Auch die Europäische Zentralbank (EZB) befürchtet eine Kettenreaktion in der Finanzbranche, wenn sich private Gläubiger zu Zugeständnissen gezwungen sehen könnten. Weitere Themen sind die Konflikte in Syrien und in Libyen, der Friedensprozess im Nahen Osten und die EU-Beitrittsverhandlungen mit Kroatien.
(abendblatt.de/Reuters/dpa)