Die Griechen stimmen sich auf harte Sparmaßnahmen ein. Regierung hat wenig Unterstützung. Wir klären die wichtigsten Fragen zum Thema.

Athen. Athen (dpa) – Der griechische Finanzminister Giorgos Papakonstantinou präsentierte am Freitag die Eckpunkte eines neuen Sparpakets zur Rettung des pleitebedrohten Landes. Allein bis Ende 2011 müssen demnach mehr als sechs Milliarden Euro gespart werden. „Voraussetzung für die Unterstützung an uns (seitens der EU) ist, dass wir einen Sparplan haben und unsere Ziele erreichen“, sagte Papakonstantinou im Fernsehen nach der Zustimmung des Ministerrats zum Sparpaket. Die Auszahlung der nächsten Hilfszahlung an Athen machen die Europartner, EU und der Internationale Währungsfonds (IWF) von zusätzlichen Sparschritten und der Privatisierung von Staatsbesitz abhängig.

Athen will die Zahl der Staatsbediensteten in den kommenden zwei Jahren im Vergleich zum Jahr 2009 um 150 000 verringern. Dutzende staatliche Behörden und Unternehmen sollen fusionieren, schließen oder im Falle der Staatsbetriebe privatisiert werden. Zudem soll eine neue Sondersteuer nach dem Vorbild der deutschen Solidaritätssteuer für Einkommen über 12 000 Euro jährlich erhoben werden. Die Kürzungen betreffen Medienangaben zufolge sämtliche soziale Leistungen. Die Rüstungsausgaben sollen weiter gekürzt werden. „Sparen, sparen, Kürzungen und Express-Ausverkauf“, titelte die konservative Athener Zeitung „Eleftheros Typos“

Rentenkürzungen, höhere Steuern, weniger Sozialleistungen und zudem eine Sonderabgabe nach dem Muster der deutschen Solidaritätssteuer: Erbost reagieren nicht nur die Rentner. Zu den Demonstrationen der „Empörten Bürger“ versammeln sich Griechen aus allen Altersgruppen und Schichten. Nur noch für jeden zehnten in Rente gehenden Beamten wird ein neuer eingestellt. Ministerpräsident Giorgos Papandreou beschwört seine Landsleute, einen anderen Weg gebe es nicht. Das Klientelsystem Griechenlands, die das Land in den heutigen Zustand gebracht habe, „stirbt langsam“, sagte Papandreou am Freitag im Parlament. Die Partner in der EU „leihen uns ihr Geld“, dafür wollten sie auch sicher sein, dass die Griechen endlich die nötigen Reformen durchsetzten.

„Warum sind wir heute unter Kuratel? Weil wir kontinuierlich gelogen haben“, beklagt Papandreou. Alle griechischen Parteien und Kräfte müssten jetzt zusammenhalten. „Wir können nicht zurückgehen. Wohin denn?“ fragte Papandreou die Abgeordneten. Er will das harte Sparprogramm Ende Juni durchs Parlament bringen. Nach dem Ende der Tourismus-Saison im September soll auch der Mehrwertsteuersatz für Gerichte und Getränke, die in Tavernen und Cafés serviert werden, von derzeit 13 Prozent auf 23 Prozent steigen. Noch mehr Geld müssen unter anderem auch die Besitzer von Immobilien und Luxusautos sowie Jachten und Booten zahlen.Der griechische Staat will durch Privatisierungen und den Verkauf staatlicher Immobilien 50 Milliarden Euro bis 2015 einsammeln. Die Gewerkschaften, speziell die des Staatssektors, kündigten weitere Streiks für den 15. Juni an. Das Sparprogramm muss noch vom Parlament in Athen gebilligt werden. Die entscheidende Abstimmung soll Medienberichten zufolge am 30. Juni erfolgen. Die regierenden Sozialisten verfügen über 156 Mandate im 300 Abgeordnete zählenden Parlament.

Die Billigung des Sparprogramms durch das Parlament ist eine der Bedingungen dafür, dass die EU und der Internationale Währungsfonds (IWF) grünes Licht für die Auszahlung der nächsten Tranche der Finanzhilfe für Griechenland über zwölf Milliarden Euro geben. Kommt das Geld nicht, droht Griechenland die Pleite.

Wir klären die wichtigten Fragen:

Wie groß ist der Hilfebedarf Griechenlands?

In EU-Kreisen ist von einem Finanzbedarf des Landes bis 2014 von rund 120 Milliarden Euro die Rede. Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble sprach jüngst vor den Koalitionsfraktionen von 90 Milliarden Euro. Solche Zahlen sind aber nicht fix. Sie sind von vielem Faktoren abhängig: etwa ob das Land sich wie erhofft wirtschaftlich langsam erholt, ob die Regierung die zugesagten scharfen Einschnitte gegen heftigen Widerstand im Volk durchsetzen kann und ob die angepeilte Privatisierung von Staatsbesitz für mittelfristig rund 50 Milliarden Euro gelingt. Gibt es hier Probleme, steigt der Finanzbedarf weiter.

Aus welchen Quellen wird der Finanbedarf gedeckt?

Geht man von 120 Milliarden Euro zusätzlichem Finanzbedarf bis 2014 aus, dann sollen die Griechen selbst rund 30 Milliarden Euro Privatisierungserlöse beitragen. An den verbleibenden 90 Milliarden Euro sollen nach dem Willen der Bundesregierung und speziell von Schäuble private Investoren einen „quantifizierten und substanziellen“ Beitrag leisten. Wie hoch konkret der ausfallen könnte, ist noch unklar – und ob er überhaupt kommt auch. Schließlich gibt es bei der EZB und Euro-Partnern wie Frankreich Bedenken. Am Ende – so Experten – könnte ein Paket von grob um die 60 Milliarden Euro bleiben, das auf die Euro-Länder und der IWF zukäme. Der IWF-Anteil daran könnte nach bewährter Praxis bei einem Drittel liegen – der Rest für die Euro-Staaten.

Wie könnte die private Gläubigertilgung aussehen?

Schäubles Vorschlag lautet, alte Anleihen, die neben staatlichen auch im Besitz von privaten Investoren wie Banken, Versicherungen und Pensionsfonds sind, auf freiwilliger Basis in neue zu tauschen. Damit möchte er dem Land eine Atempause für Rückzahlungen von sieben Jahren verschaffen. Schmackhaft gemacht werden könnte der Tausch den Investoren mit Anreizen. So könnten die neuen Papiere mit Garantien der Euro-Länder oder anderer Institutionen besser abgesichert werden oder sie zu einem Preis verrechnet werden oberhalb des Marktwertes der alten Anleihen.Würde man die Rückzahlung auf bis 2014 auslaufenden griechischen Staatsanleihen von rund 80 bis 90 Milliarden Euro sieben Jahre aufschieben, wäre ein Großteil des Finanzbedarfs Griechenlands kurzfristig gelöst – durch Verschiebung in die Zukunft. Da rund ein Drittel der Anleihen von privaten Investoren gehalten werden, wäre das ein namhafter Hilfebeitrag. Die Forderung nach einem Schuldenschnitt, einem kräftigen Forderungsverzicht auch der privaten Gläubiger, wie sie etwa von der SPD und vielen Experten verfochten wird, scheint derzeit bei Euro-Ländern, der EZB und anderen Partnern ohne Chance.

Woher kommt das Geld für ein neues Hilfspaket?

Die Forderung des Deutschen Bundestages ist, dass auf alle Fälle der IWF bei neuen Hilfen an Bord sein muss. Ob, wie zum Beispiel bei Hilfen unter dem aktuellen Euro-Rettungsschirm an Portugal, auch die EU eigene Etat-Mittel beiträgt, erscheint derzeit fraglich. Dagegen gibt es nach Angaben aus hochrangigen EU-Kreisen Widerstände. Als wahrscheinliche Lösung bleibt, dass das neue Finanzpaket unter das Dach des Euro-Rettungsschirms EFSF kommt. Eine weitere Möglichkeit wäre, die Hilfe über den IWF und die Euro-Partner direkt – mit konkreten Finanzierungsanteilen für die einzelnen Euro-Länder – laufen zu lassen.

(abendblatt.de, mit Materialen von dpa und Reuters)