Die Lokführer haben mit dem Streik auch im Personenverkehr begonnen. Auf Europas größtem Güterbahnhof in Maschen stehen die Züge still.

Berlin/Hamburg. Die Lokführer machen wieder ernst: Berufspendler und Zugreisende müssen erneut mit stärkeren Behinderungen im Bahnverkehr rechnen. Die Gewerkschaft der Lokführer (GDL) bestreikt bis Donnerstagmorgen für insgesamt 14 Stunden den Güterverkehr, seit 4 Uhr früh auch die Personenzüge.

Ein Zentrum des Arbeitskampfes ist Europas größter Güterbahnhof in Maschen bei Hamburg. „Es werden eine Menge Züge auf den Gleisen in Maschen stehen bleiben“, sagte Lutz Schreiber, GDL-Bezirksvorsitzender für Norddeutschland. Streikposten sollen die ganze Nacht auf dem Rangierbahnhof südlich von Hamburg Wache halten. Wie viele Güterzüge in der Nacht streikbedingt stehen bleiben werden, sagte Schreiber nicht. Auch werde der Verkehr nicht ganz zum Erliegen kommen, da vier private Güterzugunternehmen nicht bestreikt würden. Mit ihnen gehen die Verhandlungen für einen neuen Lokführertarifvertrag am Donnerstag in eine neue Runde.

Der Personenverkehr steht heute seit 4 Uhr bis 10 Uhr still. Im Großraum Hamburg sind am Donnerstagmorgen die S-Bahnen, der Regional- und Fernverkehr der Deutschen Bahn sowie die Strecken der Privatbahnen Metronom, Nord-Ostsee-Bahn und AKN betroffen. Der Vorsitzende des GDL-Bezirks Nord, Lutz Schreiber, sagte, er rechne damit, dass alle Lokführer der GDL, die zur angekündigten Zeit Dienst haben, sich am Streik beteiligen werden. Die Lokführer seien „ziemlich frustig“ angesichts der Angebote der Arbeitgeber.

Schon Mittwochabend könnten streikende Güterzüge die Strecken blockieren, so dass auch Personenzüge nicht mehr fahren können. Unter 0800/ 099 66 33 hat die Bahn eine kostenlose Servicenummer geschaltet. Informationen gibt es auch im Internet unter bahn.de/aktuell

abendblatt.de beantwortet die wichtigsten Fragen zum Streik:

Bekomme ich Geld für meine Fahrkarte zurück, wenn mein Zug wegen des Streiks ausfällt?

Die Deutsche Bahn muss kein Geld bei Streiks zurückerstatten, da Streik als höhere Gewalt gilt. Dennoch zeigt sich der Staatskonzern kulant und erstattet Fahrgästen, die ihre Reise wegen Verspätungen oder Zugausfällen nicht antreten können, ihre Kosten für die Fahrkarte plus Reservierung im Reisezentrum vor Ort. Alternativ können Reisende den nächsten Zug nutzen, auch wenn die Fahrkarte für diesen teurer wäre. Das gilt auch, wenn man eine Fahrkarte zum Spartarif gekauft hat und eigentlich an einen bestimmten Zug gebunden ist.

Wie viel Geld verdienen Lokführer?

Ein Lokführer bei der Deutschen Bahn startet mit einem Monatsverdienst von 2330 Euro brutto. Nach 15 Jahren Berufstätigkeit steigt der Lohn auf 2768 Euro bei 12,5 Gehältern. Hinzu kommen monatlich im Schnitt 300 Euro Zulagen. Das jährliche Urlaubsgeld beträgt 409 Euro. Die Arbeitszeit liegt bei 39 Stunden, berichtet die Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft (EVG). Bei den privaten Konkurrenten erhalten die Lokführer teilweise 30 Prozent weniger Geld - also knapp 1900 Euro. Damit verdienen Lokführer weniger als der Durchschnitt aller deutscher Arbeitnehmer, der laut Statistischem Bundesamt bei 3237 Euro liegt.

Worum geht es in dem Tarifkonflikt?

Die GDL will einheitliche Standards für alle 26 000 Lokführer im Nah-, Fern- und Güterverkehr durchsetzen, unabhängig davon, bei welchem Betreiber sie angestellt sind. Dafür verhandelt die GDL mit drei Arbeitgebergruppen: dem Staatskonzern Deutschen Bahn (DB), den sechs großen privaten Regionalbahnen (Abellio, Arriva, Benex, Hessische Landesbahn, Keolis und Veolia) - kurz G6 genannt - sowie einer Gruppe privater Güterbahnen. Die Verhandlungen mit der Deutschen Bahn und den G6 erklärte die GDL im Januar für gescheitert, nachdem beide Verhandlungspartner sich in einem Schlichtungsverfahren mit der Konkurrenzgewerkschaft EVG auf einen branchenweiten Tarifvertrag verständigt hatten - und zwar für alle Bahnbeschäftigten. Die GDL, in der drei Viertel aller Lokführer organisiert sind, will diese Vereinbarungen aber nicht übernehmen, sondern kämpft für einen gesonderten Abschluss für die Lokführer mit weitergehenden Forderungen.

Was fordert die GDL konkret?

Die GDL fordert ein einheitliches Entgelt für alle Lokführer auf dem Niveau der Deutsche Bahn plus einer Lohnerhöhung von fünf Prozent. Alle Lokführer sollen beruflich abgesichert werden, sofern sie durch einen unverschuldeten Unfall - wie bei Suiziden - fahrdienstuntauglich werden. Erhält eine Bahnstrecke einen neuen Betreiber, sollen die Lokführer von dem neuen Arbeitgeber übernommen werden. Zudem besteht die GDL auf einheitlichen Qualifikationsstandards. So sollten Lokführer den Abschluss einer mittleren Reife besitzen.

Worauf bestehen die Arbeitgeber?

Die Deutsche Bahn bezeichnet die Warnstreiks der GDL als "Irrfahrt". Viele Forderungen habe der Staatskonzern bereits erfüllt, so DB-Personalvorstand Ulrich Weber. So biete die DB ein Lohnplus von drei und zwei Prozent in zwei Schritten an, die Fürsorgepflicht für Lokführer sei bereits umgesetzt, der Vorschlag zur Qualifizierung akzeptiert. Die Privatbahnen ihrerseits sehen die wesentlichen Forderungen der GDL durch den abgeschlossenen Branchentarifvertrag mit der Konkurrenzgewerkschaft EVG "längst erfüllt". Die soziale Fürsorge für Lokführer bei Unfällen sei "gelebte Praxis", das Gehaltsniveau der DB könne jedoch nicht "eins zu eins" auf alle Unternehmen übertragen werden. Auch stemmen sich die Privatbahnen gegen die mittlere Reife als Zugangsvoraussetzung für Lokführer. Dies käme "einem faktischen Berufsverbot für Hauptschüler gleich". Sowohl die DB und die G6 sind zu weiteren Verhandlungen mit der GDL bereit.

Was passiert, wenn ich wegen des Streiks zu spät zur Arbeit komme?

Wer wegen des Streiks zu spät zur Arbeit kommt, muss die versäumte Zeit nacharbeiten oder aber eine Lohnkürzung hinnehmen. Nach einem Urteil des Bundesarbeitsgerichts (AZ: 5 AZR 283/80) fallen derartige Verspätungen unter das „Wegerisiko“, das weder Arbeitnehmer noch Arbeitgeber tragen müssen. Daraus folgt, dass Arbeitnehmer ausgefallene Arbeitszeit zwar nicht unbedingt nachholen müssen, der Arbeitgeber aber auch keinen Lohn für diese Zeiten zahlen muss. In vielen Arbeitsverträgen ist deshalb ausdrücklich geregelt, dass die infolge eines Wegerisikos verpasste Arbeitszeit nachgearbeitet oder über das Zeitarbeits- beziehungsweise Urlaubskonto ausgeglichen werden muss.

Auch wenn Arbeitnehmer für die Folgen einer Verspätung selbst aufkommen, ist der Hinweis auf bestreikte Bahnen keine Entschuldigung. Wenn die Verkehrsbehinderung vorhersehbar sei, müssten sich Arbeitnehmer auf längere Fahrtzeiten einstellen und entsprechend eher losfahren oder alternative Verkehrsmittel nutzen, so die Rechtsexperten der Industrie- und Handelskammern.