Greenpeace bezweifelt den Umwelteffekt von Elektroautos. CO2-Ausstoß ist wegen Strommix sogar noch höher als bei Benzinern.
Hamburg. Das Elektroauto gilt als Hoffnungsträger der Branche: Zukunftssicher soll es sein, klimaschonend, sauber und leise. Seit einigen Wochen sind in Deutschland mit den weitgehend baugleichen Typen Mitsubishi iMiEV, Peugeot iON und Citroën C-Zero die ersten Serienmodelle auf dem Markt, die heimischen Hersteller wollen in den beiden nächsten Jahren nachziehen. Doch ausgerechnet Umweltschützer dämpfen die Erwartungen an den Nutzen der innovativen Fahrzeuge. "Elektroautos sind keine CO2-Sparer", erklärt Greenpeace-Autoexperte Wolfgang Lohbeck im aktuellen Magazin der Organisation.
Das liege nicht nur an der zunächst sehr geringen Stückzahl. Derzeit und auch noch auf mittlere Sicht sind die Strommobile nach Auffassung von Lohbeck beim CO2-Ausstoß erheblich schlechter als vergleichbare Wagen mit Verbrennungsmotor. Unter realistischen Bedingungen emittiere ein Elektroauto das Eineinhalbfache eines konventionellen Autos.
Die Ursache für diese ungünstige Bilanz liegt im bundesdeutschen Strommix begründet. Eine Überlegenheit des Elektroantriebs könne sich erst bei einem Anteil erneuerbarer Energien von rund 50 Prozent ergeben, also kaum vor dem Jahr 2030 - und auch dann nur, wenn der Elektromotor noch deutlich effizienter wird.
Zumindest bis dahin liegt das wesentlich größere Potenzial für eine Verringerung der CO2-Emissionen in der Optimierung der herkömmlichen Antriebe. "Bei den Benzin- und Dieselmotoren ist die Entwicklung noch längst nicht am Ende", sagt Willi Diez, Direktor des Instituts für Automobilwirtschaft an der Hochschule für Wirtschaft und Umwelt Nürtingen-Geislingen, dem Abendblatt. "Wir schätzen, dass der Treibstoffverbrauch noch um 30 bis 50 Prozent gesenkt werden kann."
Eine hohe Hürde, die auf dem Weg zu einer stärkeren Verbreitung noch überwunden werden muss, ist der Preis. So koste allein die Batterie derzeit rund 15 000 Euro, sagte Stefan Bratzel, Leiter des Center of Automotive an der Fachhochschule der Wirtschaft in Bergisch Gladbach: "Auch für die nächsten Jahre erwarten wir noch einen Mehrpreis der Elektroautos von 10 000 bis 15 000 Euro."
Aus diesem Grund seien nicht Privatkunden, sondern Firmen und Behörden die Hauptabnehmer, um sich ein "grünes" Image zu verschaffen, so Diez. Zudem sei der neuartige Antrieb auf Fahrten innerhalb von Ballungsräumen beschränkt: Selbst unter Optimalbedingen, wenn das Licht und die Heizung oder die Klimaanlage abgeschaltet sind, liege die Reichweite nur bei 120 bis 150 Kilometern, in der Praxis eher bei 80 bis 100 Kilometern.
"Grundsätzlich halte ich die Elektromobilität durchaus für eine Revolution", sagte Bratzel dem Abendblatt. "Aber zunächst wird eine gewisse Ernüchterung einsetzen." Nach Einschätzung des Experten wird der Weltmarktanteil der rein mit Strom betriebenen Autos im Jahr 2020 bei zwei bis fünf Prozent liegen, "aber eher bei zwei als bei fünf". In Deutschland sollen nach den Vorstellungen der Bundesregierung im gleichen Jahr eine Million dieser Wagen auf den Straßen unterwegs sein. Doch dieses Ziel wird nur mit umfangreichen Subventionen erreichbar sein, ist sich Bratzel sicher.
Nach seinen Berechnungen müsste der Kauf eines Elektroautos anfänglich mit 7500 Euro vom Staat gefördert werden, mit wachsender Stückzahl könne der Bonus dann stufenweise gesenkt werden. "Wir kalkulieren mit einem Fördervolumen von insgesamt 500 Millionen Euro, und das wäre gut angelegtes Geld, im Gegensatz zu den fünf Milliarden Euro für die Abwrackprämie", sagt Bratzel. Ohne eine derart kräftige Förderung drohe das "Transrapid-Syndrom": Damit die deutschen Hersteller künftig eine technologische Führungsrolle einnehmen und die Elektromobile erfolgreich exportieren können, müsse sich die Bundesrepublik auch zu einem wichtigen "Leitmarkt" entwickeln.
"Da andere Länder den Kauf von Elektroautos massiv fördern, droht Deutschland als Leitmarkt abgehängt zu werden", so der Experte. Für die Arbeitsplätze in der Branche hätte dies gravierende Folgen. Insbesondere China habe ehrgeizige Pläne und wolle Weltmarktführer bei Elektrofahrzeugen werden - zumal das asiatische Riesenreich praktisch Monopolist bei der Förderung der sogenannten Seltenen Erden ist, die für Akkus und Elektromotoren benötigt werden.
"Die neue Technologie kann die Automobilindustrie in den Grundfesten erschüttern", so Bratzel. Für die deutschen Hersteller werden somit die nächsten Jahre zur Bewährungsprobe. Ihr Kompetenzvorsprung bei konventionellen Motoren wird jedenfalls schrittweise entwertet.