EU, IWF und die Länder der Eurozone wollen Irland mit Mitteln aus dem Rettungsfond unterstützen. Darum hatte das Land nach langem Zögern gebeten.
Dublin/Brüssel. Als erstes Land schlüpft Irland unter den milliardenschweren Rettungsfonds für wackelnde Euro-Länder. Die Regierung aus Dublin habe einen Notfallkredit beantragt, den die Finanzminister des Euro-Raums und der EU unterstützten. Das teilten die Minister am Sonntagabend nach einer Telefonkonferenz mit. Die Höhe der Summe ist noch nicht festgelegt, sie wird nun Gegenstand weiterer Verhandlungen sein. Der irische Finanzminister Brian Lenihan sprach von „unter 100 Milliarden Euro“. Im Gegenzug muss Irland harte Auflagen akzeptieren, um die noch gerungen wird. Zusätzlich erklärten die Nicht-Euro-Länder Großbritannien und Schweden, bilaterale Kredite bereitstellen zu wollen.
Das Paket wäre damit annähernd so hoch wie die Finanzhilfe für Griechenland, das im Mai von seinen europäischen Partnern und dem Internationalen Währungsfonds (IWF) rund 110 Milliarden Euro Notkredite gestellt bekommen hatte und diese auch nutzt. Erst danach wurde der Euro-Rettungsschirm geschaffen, von dem Irland nun profitiert.
Auch der IWF hat seine Bereitschaft betont, Irland unter die Arme zu greifen. Er begrüße die positive Reaktion der EU und von Euro-Ländern auf den irischen Antrag auf finanzielle Unterstützung, erklärte Direktor Dominique Strauss-Kahn am Sonntag. Der IWF stehe bereit, sich der Hilfsaktion anzuschließen.
Ein IWF-Team halte sich gegenwärtig in Irland auf und werde nun mit den irischen Stellen, der EU-Kommission und der Europäischen Zentralbank zügig Gespräche über ein Wirtschaftsprogramm führen, hieß es in der schriftlichen Mitteilung des IWF-Direktors weiter.
Der Krisenfonds von EU, Euro-Ländern und IWF umfasst insgesamt 750 Milliarden Euro und kann Kredite zu günstigen Zinsen an Dublin vergeben. Irland benötigt dringend frisches Geld, um seinen maroden Bankensektor zu retten. „Wir sollten nicht die Größe unserer wirtschaftliche Probleme unterschätzen“, sagte der irische Ministerpräsident Brian Cowen an das irische Volk gerichtet.
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Die Not ist größer als bislang bekannt: Irlands Finanzminister Lenihan räumte ein, dass das Land nicht nur zur Rettung der Banken Geld braucht. Auch die laufenden Kosten aus dem Haushalt seien derzeit mit 19 Milliarden Euro unterfinanziert. In der vergangenen Woche hatte es aus Dublin noch geheißen, das Land sei bis Mitte 2011 komplett durchfinanziert.
Viele Euro-Länder, darunter Deutschland hatten zuletzt Druck gemacht, weil sie ein Übergreifen der Krise auf andere Euro-Staaten wie Portugal oder Spanien fürchteten. „Die Minister stimmen mit der EU-Kommission und der Europäischen Zentralbank darin überein, dass Unterstützung für Irland notwendig ist, um die Finanzstabilität in der EU und im Euro-Raum zu wahren“, heißt es in der gemeinsamen Erklärung der Minister.
Die Finanzminister machten klar, dass Irland im Gegenzug für die Auszahlung der Kredite Auflagen akzeptieren muss. „Die Finanzhilfe von EU und Euro-Ländern wird unter einem strikten Programm gewährt“, schrieben die Minister. EU-Diplomaten gehen davon aus, dass Irland unter anderem sein Bankensystem neu aufstellen, seinen Haushalt sanieren und voraussichtlich auch seine Unternehmenssteuer erhöhen muss.
Die Steuer ist weiter der Knackpunkt der Verhandlungen. Frankreich und andere Länder fordern von Dublin eine Anhebung der Körperschaftssteuer, die derzeit mit 12,5 Prozent sehr niedrig ist - in Deutschland liegt sie doppelt so hoch. Der niedrige Steuersatz wird von vielen Ländern als „Dumping“ im internationalen Wettbewerb um Industrieansiedlungen kritisiert. Irlands Ministerpräsident bekräftigte jedoch am Abend, die Körperschaftssteuer werde nicht erhöht.
Der Auszahlungsplan wird von den Experten aus EU-Kommission, IWF und EZB mit den irischen Behörden in den nächsten Tagen festgezurrt. Die EZB begrüßte am Sonntag den Antrag Irlands auf Finanzhilfe. Seit einigen Tagen sind Experten vor Ort, um den genauen Finanzbedarf zu klären. Für die Kredite muss Irland mit voraussichtlich rund fünf Prozent deutlich weniger Zinsen zahlen als am freien Markt, wo derzeit irische Staatsanleihen mit Zinsen von mehr als acht Prozent gehandelt werden. Das Geld werde zum einen für die Restrukturierung des maroden Bankensektors verwendet, zum anderen für die Haushaltskonsolidierung, sagte Cowen.
Die irische Regierung beschloss nach Cowens Worten einen Vierjahresplan, der eine Haushaltsentlastung von 15 Milliarden Euro vorsieht. Diese resultiere zu zwei Dritteln aus Kürzungen, zu einem Drittel aus Steuererhöhungen. Die europäischen Finanzminister begrüßten das Sparprogramm als Weg zurück zu einem robusten Wachstum. Der Inselstaat hatte sich mit milliardenschweren Rettungsmaßnahmen für seine Banken in eine Rekordverschuldung gestürzt und steht am Rande des Bankrotts, das Staatsdefizit liegt bei 32 Prozent. Allein für die Stützung der Banken sind insgesamt 50 Milliarden Euro aus dem Staatshaushalt notwendig.
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Der Krisenfonds mit Sitz in Luxemburg nimmt Kredite am Markt auf und reicht sie an Dublin weiter. Die Euro-Länder zahlen kein Geld in den Krisenmechanismus ein, sondern stellen Bürgschaften für diese Darlehen. Für sie fallen nur dann Kosten an, sollte Irland seine Schulden nicht zurückzahlen können. Deutschland steht für ein Drittel der Finanzhilfen gerade. Die Euro-Länder tragen zum Fonds 440 Milliarden Euro bei, die EU-Kommission 60 Milliarden und der Internationale Währungsfonds 250 Milliarden Euro. Aus allen drei Töpfen wird laut EU-Kommission Geld fließen.
Unterdessen ist vor dem Hintergrund der Irland-Krise und drohender Ansteckungsgefahren für weitere Volkswirtschaften wie Portugal und Spanien auch eine Debatte um die Zukunft des Euro als Gemeinschaftswährung entbrannt. Der britische Außenminister William Hague sagte, es sei denkbar, dass der Euro kollabiere. Auch SPD -Chef Sigmar Gabriel sagte in der „Bild am Sonntag“: „Die Eurozone droht zu zerbrechen.“ Der deutsche Wirtschaftsminister Rainer Brüderle (FDP) bezeichnete die Währung dagegen als sicher. Mit dem Euro- Rettungsschirm gebe es ein wirksames Instrument, um die Stabilität der Währungsunion zu sichern, sagte Brüderle dem „Focus“.
Das Direktoriumsmitglied der Europäischen Zentralbank, Lorenzo Bini Smaghi, warf unterdessen in einem Interview mit der „Welt am Sonntag“ den Euro-Ländern vor, den Iren nicht genug auf die Finger geschaut zu haben. Die Probleme hätten sich bereits im Sommer angedeutet. Die Iren hätten die Herausgabe wichtiger Zahlen verzögert, ohne dass die EU-Partner dies moniert hätten.