In der Wirtschaftskrise war Altpapier plötzlich nichts mehr wert. Jetzt buhlt die Branche wieder um den begehrten Rohstoff.

Potsdam. Die einst boomende Papierbranche im Osten Deutschlands beginnt sich nach einem Dämpfer wieder zu erholen. Im Zuge der Wirtschaftskrise mussten etliche Unternehmen im vergangenen Jahr Auftragsrückgänge hinnehmen, berichtet der Verband Ostdeutscher Papierfabriken (VOP) in Heidenau (Sachsen).

Den Firmen machen zudem steigende Energiepreise, Engpässe bei Altpapier sowie höhere Kosten für den Rohstoff zu schaffen. Vor allem in Brandenburg und Thüringen entstanden große Werke für Wellpappenrohpapiere für die Verpackungsindustrie. Das Altpapier muss immer aufwendiger in Europa gesammelt werden. Das verteuert die Produktion und dämpfe Ausbaupläne etwa in Brandenburg.

Die Milliarden-Investitionen trugen dazu bei, dass die neuen Länder den Westen beim Umsatz überholt haben. „Der Umsatz in der ostdeutschen Papierindustrie ist um 100.000 Euro pro Mitarbeiter höher als im Westen“, berichtet der VOP-Geschäftsführer Bernd Gunkel. Derzeit seien 6370 Mitarbeiter tätig. Mit 2950 Beschäftigten an der Spitze liegt Sachsen, gefolgt von Brandenburg mit 1330 und Thüringen mit 950. In Sachsen-Anhalt und Mecklenburg-Vorpommern zählt die Branche gemeinsam 1140 Beschäftigte. „Mengenmäßig liegt aber Brandenburg vorn“, sagt Gunkel.

Der zunehmende Bedarf an Altpapier verteuerte den Rohstoff drastisch. So stieg der Preis für gemischtes Altpapier nach Angaben des Verbandes Deutscher Papierfabriken (VDP) zwischen Januar 2009 und Mai 2010 um mehr als das Vierfache von 30 auf 135 Euro pro Tonne. Es gebe in Deutschland zurzeit zwar keinen Engpass bei Altpapier, stellt der VDP-Sprecher Gregor Andreas Geiger in Bonn fest. „Der hohe Preis befeuert aber die regionalen Altpapiermärkte.“ „Dadurch wird das Sammeln schwieriger und teurer.“

Das schafft vor allem in Brandenburg die Probleme, wo gleich drei Papierfabriken in Schwedt (Uckermark), Spremberg (Spree-Neiße) und Eisenhüttenstadt (Oder-Spree) entstanden. Im Frühjahr der stellte der österreichische Konzern Hamburger seine Fabrik in Spremberg für einige Tage ab, um „Druck aus dem Markt“ zu nehmen. Denn zur gleichen Zeit war in Eisenhüttenstadt eine doppelt so große Papierfabrik in den Wettbewerb um den begehrten Rohstoff eingetreten.

In der Oderstadt produziert die Progroup AG seit März mit der Tochterfirma Propapier PM2 GmbH auf der größten Papiermaschine Europas Wellpappenrohpapiere. Bei voller Auslastung würden etwa 750 000 Tonnen Altpapier benötigt, das ist mehr als doppelt so viel wie in Spremberg. „Im vergangenen Jahr hatten wir wegen eines Preissturzes kurzfristig Probleme mit dem Sammeln von Altpapier“, berichtet Vorstandschef Jürgen Heindl. „Doch jetzt ist die Versorgung mit dem Rohstoff langfristig gesichert.“ Reserven sieht er in Polen, „wo der Recycling-Markt noch lange nicht ausgeschöpft ist.“

Viel Altpapier benötigt die deutsch-finnischen UPM GmbH in Schwedt. Dort wird mit 260 Mitarbeitern Zeitungsdruckpapier herstellt. „Wir brauchen im Jahr 400 000 Tonnen Altpapier, haben aber aktuell ausreichende Mengen davon“, meinte Geschäftsführer Andreas Rauscher. Mit dem Rohstoffmangel kämpft ebenfalls die Leipa Georg Leinfelder GmbH in Schwedt, die hochwertiges Papier für Magazine und Kataloge produziert. Geschäftsführer Hubert Schrödinger versichert: „Aufgrund der Altpapierknappheit ist eine Expansion auf diesem Gebiet äußert schwierig geworden.“

Diesen Trend sieht Gunkel für die ganze Branche. „Angesichts des hohen Altpapierpreises suchen einige Unternehmenschefs nach Lösungen, wie sie mit ihrer Produktion noch Geld verdienen können“, berichtet der Verbandschef. Vor wenigen Tagen hat deshalb Thomas Prinzhorn, Geschäftsführer der österreichischen Hamburger-Holding, die Konsequenzen gezogen: Er legte den einst geplanten Ausbau der Papierproduktion im Werk Spremberg auf Eis. Damit ist der für 300 Millionen Euro vorgesehenen Bau einer zweiten Papiermaschine auf absehbare Zeit vom Tisch – und damit auch die Hoffnung auf mehr Jobs.