Welthandelsorganisation rügt Subventionen. Boeing fühlt sich bestätigt. Europäische Seite widerspricht und setzt auf Gegenklage.

Hamburg. Im Streit zwischen den rivalisierenden Flugzeugbauern Airbus und Boeing über milliardenschwere Subventionen hat die US-Seite einen Teilerfolg errungen. Ein Expertengremium der Welthandelsorganisation (WTO) in Genf legte gestern einen Bericht vor, wonach Teile der staatlichen Hilfen für Airbus als illegale Subventionen einzustufen sind. Genannt werden unter anderem Entwicklungskostenkredite für den Riesenjet A380 und die Konditionen für die Werkserweiterung im Mühlenberger Loch.

Boeing-Chef Jim McNerney bezeichnete dies als Grundsatzentscheidung und als "umfassenden rechtlichen Sieg" über die Anschubkredite, die Airbus einen bedeutenden Kostenvorteil verschafften. Nach Auffassung des BoeingJustiziars J. Michael Luttig muss der europäische Hersteller entweder die vier Milliarden Dollar (3,3 Milliarden Euro), die er als illegale Entwicklungskostenkredite für den A380 erhalten habe, zurückzahlen, oder die Finanzierung des Programms an marktübliche Konditionen anpassen. Außerdem müsse Airbus die Pläne aufgeben, den geplanten Langstreckenjet A350 mithilfe derartiger Darlehen zu entwickeln.

Airbus widersprach diesen Auffassungen entschieden. "Weder der Bericht noch die WTO-Richtlinie sehen eine Rückzahlung vor", sagte Firmensprecher Tore Prang dem Abendblatt. Es handele sich um ein "neues Kapitel im Boeing-Märchenbuch".

Ohnehin würden in dem WTO-Bericht 70 Prozent der von den USA erhobenen Vorwürfe zurückgewiesen - auch im Hinblick auf die A350-Finanzierung. Die rückzahlbaren Darlehen für Airbus seien weder ursächlich für Arbeitsplatzverluste noch für Gewinnrückgänge in der amerikanischen Industrie gewesen.

Die Vorlage des Berichts zur Klage der USA gegen Airbus ist nur die erste Etappe des Streits vor der WTO: Die europäische Seite kann die Beschlüsse des Gremiums anfechten, außerdem wird voraussichtlich Mitte Juli den beiden Konfliktparteien der Bericht zur Gegenklage der EU gegen die USA wegen mutmaßlich illegaler Subventionen für Boeing zugeleitet.

Während Boeing den Europäern vorwirft, Airbus-Programme mit 15 Milliarden Dollar (12,3 Milliarden Euro) Starthilfen gefördert zu haben, macht die EU in ihrer Beschwerde WTO-widrige Subventionen von insgesamt 23,7 Milliarden Dollar für Boeing geltend. Der frühere EU-Handelskommissar Peter Mandelson hatte den Disput als den größten, schwierigsten und teuersten in der Geschichte der WTO bezeichnet. Nach Einschätzung von Airbus könnte sich der Streit noch über einige Jahre hinziehen.

Der Hintergrund der Auseinandersetzung: Im Jahr 1992 hatten sich die die EU und die USA in einem bilateralen Abkommen darauf geeinigt, dass Staatshilfen in einem bestimmten Rahmen zulässig sind. So dürfen die vier Staaten mit Airbus-Werken bis zu ein Drittel der Entwicklungskosten neuer Flugzeuge in Form von Krediten beisteuern. Auf diese müssen Zinsen gezahlt werden, die mindestens die Darlehenskosten der Regierungen decken. Die Rückzahlung hängt jedoch vom Markterfolg ab: Verkauft sich der Jet nicht so gut wie erwartet, muss nur ein Teil der Kredite zurückfließen. Allerdings hat Airbus nach eigenen Angaben für jeden seit 1992 erhaltenen Euro an Starthilfekrediten 1,40 Euro zurückgezahlt.

Im Gegenzug dürfen die USA die heimische Luftfahrtindustrie mit bis zu drei Prozent ihres Umsatzes im Geschäft mit Verkehrsflugzeugen indirekt unterstützen, etwa über Steuervergünstigungen oder mittels großzügig dotierter Forschungsaufträge der Nasa, des Verteidigungsministeriums und anderer staatlicher Institutionen. Indirekte Hilfen müssen nicht zurückgezahlt werden. Die USA haben dieses Abkommen im Jahr 2004 einseitig gekündigt und gleichzeitig eine Klage vor der WTO auf den Weg gebracht.

"Ein Auslöser für die Vertragskündigung durch die USA dürfte die Entwicklung des A380 mit hohen staatlichen Hilfen gewesen sein, denn mit dem neuen Flugzeug griff Airbus das bis dahin bestehende Monopol von Boeing im obersten Marktsegment an", sagte Eric Heymann, Branchenexperte bei der Deutschen Bank, dem Abendblatt.

Das jahrelange Ringen vor der WTO sei "ein Kampf, aus dem eigentlich keine der beiden Seiten als Sieger hervorgehen kann", so Heymann, "denn beide Seiten treiben dafür hohen Aufwand, und sie halten sich gegenseitig Tatbestände vor, die im Grunde sehr ähnlich sind." Vieles spreche daher für eine Verhandlungslösung.

Auch Airbus steht auf dem Standpunkt, dass sich der Streit letztlich nur in Verhandlungen "ohne Vorbedingungen" zwischen der EU und den USA ausräumen lässt. Dafür müsse aber der Bericht zur Gegenklage gegen die Amerikaner abgewartet werden.