Hansestadt gilt als Hauptstadt für erneuerbare Energien. Atomkraftunglück in Fukushima steigerte Nachfrage vorübergehend deutlich
Hamburg. Die Katastrophe im japanischen Kernkraftwerk Fukushima vor einem Jahr hat Tausende Hamburger dazu bewogen, sich für Ökostrom zu entscheiden. Allein der Anbieter LichtBlick konnte 2011 in der Stadt 5000 weitere Strombezieher hinzugewinnen. Bundesweit waren es 34 000 Neukunden. Insgesamt versorgt LichtBlick in Hamburg nunmehr 75 000 Haushalte. Greenpeace Energy verbuchte im Jahresverlauf einen bundesweiten Zulauf von 13.000 Kunden, sagte der Sprecher Henrik Düker.
Der städtische Anbieter Hamburg Energie konnte sogar noch mehr zulegen. "Der Effekt der Fukushima-Katastrophe auf die Wechselzahlen hat bei uns etwa vier Monate angehalten, also von März bis Juli. In dieser Zeit hatten wir durchschnittlich einen zwei- bis dreifach erhöhten Kundenzulauf. Zum Jahresanfang 2011 zählten wir gut 20.000 Stromkunden, zum Jahresende waren es bereits rund 60.000", sagte Unternehmenssprecher Carsten Roth dem Abendblatt.
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Inzwischen werden 82.000 Ökostromkunden beliefert. Denn nach der Ankündigung einer Strompreiserhöhung von Vattenfall im November um gut sieben Prozent sind laut Roth weitere 28.000 Kunden zu Hamburg Energie gewechselt.
Trotz dieses Zulaufs ist keiner der drei Hamburger Anbieter die Nummer eins in der Stadt. Mit diesem Titel darf sich weiterhin der Kernkraftwerksbetreiber Vattenfall schmücken. Rund 250.000 Hamburger Kunden des Energieversorgers beziehen nach Informationen des Abendblatts Ökostrom. Die Kunden honorieren damit offenbar, dass das Unternehmen inzwischen Milliarden Euro in den Ausbau der erneuerbaren Energien investiert.
Vattenfall will die 250.000 Ökostrombezieher weder bestätigen noch dementieren. Aus Wettbewerbsgründen spreche das Unternehmen nicht über seine Kundenanzahl, hieß es. Das hat seinen Grund: Der Marktanteil des ehemaligen Hamburger Monopolisten ist inzwischen auf rund 80 Prozent geschrumpft. Im Oktober 2010 waren es noch 82 Prozent.
Inklusive des Marktanteils der zahlreichen kleineren Ökostromhändlern in Hamburg, ist die Stadt nach Einschätzung von Branchenexperten die größte Ökostrommetropole in Deutschland. Zwar gibt es keine aktuellen, auf die einzelnen Bundesländer heruntergebrochenen Zahlen, aber mit mindestens rund 400.000 Kunden hatte Hamburg Ende des vergangenen Jahres einen Anteil am gesamten Ökostrommarkt von knapp zehn Prozent. "Stadtstaaten sind beim Thema Ökostrom weiter als die Flächenländer", bestätigte Sven Kirrmann, Sprecher der Agentur Für Erneuerbare Energien gegenüber dem Abendblatt.
Der Markt ist allerdings immer noch überschaubar. Bundesweit haben sich laut der Bundesnetzagentur bis Ende 2010 rund 3,2 Millionen Haushalte für einen Ökotarif entschieden. 2011 waren es nach ersten Schätzungen 3,7 Millionen. Inzwischen dürfte die Zahl weiter in Richtung vier Millionen Kunden gestiegen sein. Bei gut 40 Millionen Haushalten in Deutschland ist der Anteil damit immer noch gering.
Nicht nur bei Hamburg Energie, auch bei den anderen befragten Anbietern, ist der Nachfragehype wegen der Vorgänge in Fukushima im Lauf des Jahres wieder zurückgegangen. Möglicherweise hat sogar der Beschluss der Bundesregierung zum Atomausstieg dazu beigetragen, vermutet Roth von dem städtischen Versorger. Denn das Wissen, dass die von vielen Verbrauchern nicht gewünschte Atomenergie in der Stromwirtschaft bald der Vergangenheit angehört, könne dazu führen, dass die Kunden darauf bauen, künftig auch ohne einen Wechsel des Anbieters sauberen Strom zu bekommen.
Zwar legt die Nachfrage nach regenerativer Energie derzeit nicht mehr so rasant zu wie nach der Katastrophe in Japan, aber sie steigt weiterhin. Dafür gibt es mehrere Gründe. "Die Verbraucher werden umweltbewusster, die Zahl der Ökostromanbieter steigt und auch die Zahl der Tarife, zwischen denen die Kunden wählen können, legt zu", so Jürgen Scheuer vom Energieportal verivox.de. "Viele Anbieter haben mittlerweile preiswerte Ökostromtarife auf den Markt gebracht. Der Abstand bei den Kosten zu konventionellen Produkten wird beständig kleiner", sagt Daniel Dodt von toptarif.de