Vor dem Gipfel wächst der Druck auf Merkels Krisenmanagement. Finanzminister Schäuble: Griechenland muss liefern
Berlin/Davos. Die hervorragende Konjunktur hat das Steueraufkommen des Jahres 2011 auf 527 Milliarden Euro getrieben. Das sind 7,9 Prozent über dem Wert von 2010, wie aus dem Monatsbericht des Finanzministeriums hervorgeht. Auch für das laufende Jahr rechnen Experten mit sprudelnden Steuereinnahmen. Nach Berechnungen des Kieler Instituts für Weltwirtschaft (IfW) für das "Handelsblatt" dürfte der Bund 2012 mit rund 17 Milliarden Euro neuen Schulden auskommen. Das wären rund neun Milliarden Euro weniger als geplant. Damit könnte Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) möglicherweise die im Sommer fälligen vorgezogenen Zahlungen in den ständigen Euro-Rettungsschirm leisten, ohne neue Kredite aufnehmen zu müssen. "Die Konjunktur scheint sich zu erholen, und die Steuereinnahmen laufen weiter gut", sagte IfW-Finanzexperte Alfred Boss.
Der Steuerzahlerbund forderte ein Vorziehen der geplanten Entlastungen. Es sei Zeit, die Steuerzahler am wirtschaftlichen Erfolg teilhaben zu lassen, mahnte der Vizepräsident der Organisation, Reiner Holznagel. Er kritisierte zum einen, dass die Korrekturen am steuerlichen Tarifverlauf erst 2013 beziehungsweise 2014 wirken sollen. Andererseits seien die Entlastungen im Umfang von sechs Milliarden Euro zu gering, bemängelte Holznagel. Der Steuerzahlerbund forderte außerdem mehr Sparanstrengungen vom Bund.
Derweil wächst vor dem nächsten EU-Gipfel am Montag der Druck auf Deutschland. Die Kritik am Euro-Krisenmanagement von Kanzlerin Angela Merkel (CDU) wächst. Der von Deutschland angestoßene "Fiskalpakt" ist noch nicht fertig, der Streit über die Aufstockung des Rettungsschirms ESM tobt weiter. In Griechenland bleibt die Lage alarmierend. EZB-Präsident Mario Draghi sagte, die Schuldenkrise werde andauern, die Sparprogramme bedrohten das Wachstum: "Viele der betroffenen Länder wachsen nicht." Die Ratingagentur Fitch senkte am Freitag die Kreditwürdigkeit von Italien, Spanien, Belgien, Zypern und Slowenien.
Die Forderungen nach einer Aufstockung des 500-Milliarden-Schirms ESM, der im Juli startet, wies Schäuble zurück. "Keine ,Brandmauer' wird funktionieren, wenn die zugrunde liegenden Probleme nicht gelöst werden", sagte er beim Weltwirtschaftsforum in Davos. Europas Geduld sei begrenzt: "Griechenland muss auch liefern." Der Forderungsverzicht der privaten Gläubiger soll Griechenlands Schulden um 100 Milliarden Euro drücken. Kritik musste EU-Währungskommissar Olli Rehn von der Bundesregierung für seine Äußerung einstecken, dass Athen noch mehr Hilfen brauche. Spekulationen dieser Art hätten derzeit keinen Sinn, sagte Regierungssprecher Steffen Seibert in Berlin.