Es ist erst sieben Jahre her, als das Unternehmen schon einmal den Gang zum Insolvenzgericht antreten musste. 2005 waren die Probleme hausgemacht: Fehlentscheidungen im Management, unattraktive Läden und mangelhafter Service hatten das Unternehmen in die Krise geführt. Diesmal werden dem Unternehmen wohl weniger eigene Versäumnisse, als die Fehler des Mutterkonzerns Schlecker zum Verhängnis.
Ehingen/Osnabrück. Der Insolvenzantrag der Drogeriemarktkette IhrPlatz dürfte bei vielen der knapp 6.000 Mitarbeiter des Unternehmens böse Erinnerungen wecken. Es ist erst sieben Jahre her, als das Unternehmen schon einmal den Gang zum Insolvenzgericht antreten musste. 2005 waren die Probleme hausgemacht: Fehlentscheidungen im Management, unattraktive Läden und mangelhafter Service hatten das Unternehmen in die Krise geführt. Diesmal werden dem Unternehmen wohl weniger eigene Versäumnisse, als die Fehler des Mutterkonzerns Schlecker zum Verhängnis. „Es ist keine zwangsläufige, aber eine häufige Folge, dass Tochterunternehmen der Muttergesellschaft in die Insolvenz folgen“, sagte der Insolvenzexperte Manfred Hunkemöller am Donnerstag im Gespräch mit der Nachrichenagentur dapd.
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Denn oft verfügen die Tochterfirmen nicht über unabhängige Finanzkreisläufe und Reserven, die ein Weiterbestehen auch nach der Pleite der Muttergesellschaft erlauben. Ein Beispiel, wie weit die Abhängigkeit von Tochtergesellschaften gehen kann, gibt die bisher größte Pleite im deutschen Einzelhandel: der Fall Arcandor. Bei dem Essener Handelskonzern mussten die Tochterunternehmen Quelle und Karstadt nach jedem Geschäftstag ihre liquiden Mittel im Rahmen eines Cash-Poolings an die Muttergesellschaft überweisen. Die Mittel wurden dann je nach Bedarf neu verteilt. Der Geldfluss im Konzern sollte so optimiert werden. Als der Mutterkonzern jedoch pleiteging, standen dadurch auch die Töchter von einem Tag auf den anderen ohne Geld da und mussten ebenfalls Insolvenz anmelden.
Auch IhrPlatz befand sich nach den Worten des vorläufigen Insolvenzerwalters von Schlecker, Arndt Geiwitz, „in einem starken Abhängigkeitsverhältnis zu Schlecker“. Details nannte der derzeitige Herr über das Schlecker-Imperium zwar nicht. Doch kann man wohl davon ausgehen, dass Geiwitz den Schritt lieber vermieden hätte, wenn es möglich gewesen wäre. Schon allein deshalb, weil dann ein eventueller Verkauf von IhrPlatz viel einfacher gewesen, wie Hunkemöller erklärt. Für die Mitarbeiter ist der Insolvenzantrag auf jeden Fall eine schlechte Nachricht. Zwar ist damit dank des Insolvenzgeldes ihr Lohn für die nächsten drei Monate gesichert. Doch kann der Insolvenzverwalter auch viel leichter Arbeitsverträge kündigen. Außerdem sind Abfindungen für gekündigte Mitarbeiter im Insolvenzverfahren auf maximal 2,5 Monatslöhne begrenzt.
Unangenehme Konsequenzen könnte der Schritt aber auch für die Vermieter der IhrPlatz-Filialen haben. Denn der Insolvenzverwalter kann Mietverträge für defizitäre Geschäfte innerhalb von nur drei Monaten kündigen – ohne Rücksicht auf die oft für eine Dauer von zehn oder mehr Jahren abgeschlossenen Mietverträge. Bei der ersten Pleite von IhrPlatz waren 80 verlustreiche Filialen geschlossen und mehr als 1.000 Beschäftigte entlassen worden.
Für viele der 5.800 Beschäftigten bei der Drogeriekette IhrPlatz dürfte die Insolvenz ihres Arbeitgebers ein Déjà-vu-Erlebnis sein. Bereits im Mai 2005 hatte das damals unabhängige Osnabrücker Traditionsunternehmen seine Zahlungsunfähigkeit angemeldet und war in die Planinsolvenz gegangen. Die Rettung in Eigenregie gelang so gut, dass Schlecker IhrPlatz Ende 2007 übernahm. Bislang galten die Osnabrücker als Modell für eine gelungene Sanierung und damit als mögliches Vorbild für die zahlungsunfähige Mutter Schlecker. Doch nun ist IhrPlatz selbst wieder eine Baustelle für den Insolvenzverwalter. Die Drogeriekette hat ihre Ursprünge in der 1895 gegründeten Seifenfabrik Frömbling. 1973 erhielt sie den heutigen Namen. Bis 2004 war die Traditionsfirma unbeirrt auf Expansionskurs. Ein Jahr vor der ersten Pleite verfügten die Osnabrücker über fast 700 Verkaufs- sowie 150 Franchise-Läden und zählten den damaligen Sanierungsberatern Alvarez & Marsal zufolge 8.800 Mitarbeiter.
Doch das ungebremste Wachstum wurde IhrPlatz zum Verhängnis. Im Jahr 2000 übernahm das Unternehmen von der Parfümeriekette Douglas 250 Drospa-Märkte – und überschätzte dabei die eigenen Möglichkeiten. Weitere strategische Fehlentscheidungen kamen hinzu. Binnen weniger Jahre brach der Umsatz von 1,2 Milliarden Euro auf 700 Millionen Euro ein. Die Osnabrücker rutschten tief in die roten Zahlen. Eine Planinsolvenz, die Sanierung unter Einbeziehung des Managements, rettete IhrPlatz. Die US-Investmentbank Goldman Sachs übernahm die Anteile der Gründerfamilie und sorgte für Kredite. 80 verlustreiche Filialen wurden geschlossen und mehr als 1.000 Beschäftigte entlassen. Nach nur acht Monaten war IhrPlatz raus aus der Insolvenz.
Die Osnabrücker verpassten sich ein neues Image. Aus schmuddeligen Ramschläden für Putzmittel und Seife wurden moderne Filialen mit einem Schwerpunkt auf Schönheit und Wellness. Der wachstumshungrige Anton Schlecker griff zu – und kaufte sich mit IhrPlatz ein Premiumsegment für seine Marke. Seinen eigenen blau-weißen Läden haftete dagegen das Billigimage an, das IhrPlatz längst abgelegt hatte. IhrPlatz sei ein Beispiel für eine „erfolgreiche Restrukturierung“, erklärten die Berater von Alvarez & Marsal nach der damaligen Rettung. In der Tat hat das Unternehmen die erste Pleite und die Planinsolvenz genutzt, um wieder auf die Füße zu kommen. Doch wenige Tage nach der Pleite der Mutter Schlecker ist nun auch die Tochter IhrPlatz erneut ins Straucheln geraten.
Mit Material von dpa und rtr