Bereits im Mai 2005 hatte das damals unabhängige Osnabrücker Traditionsunternehmen seine Zahlungsunfähigkeit angemeldet und war in die Planinsolvenz gegangen. Die Rettung in Eigenregie gelang so gut, dass Schlecker IhrPlatz Ende 2007 übernahm. Bislang galten die Osnabrücker als Modell für eine gelungene Sanierung und damit als mögliches Vorbild für die zahlungsunfähige Mutter Schlecker.

Ehingen/Osnabrück. Die Pleite der Drogeriemarktkette Schlecker zieht immer weitere Kreise. So musste heute auch das Tochterunternehmen IhrPlatz unerwartet einen Insolvenzantrag stellen. Zuvor ging man noch davon aus, dass nur das Kerngeschäft des Drogeriemarktes betroffen wäre. Die IhrPlatz-Pleite gefährdet rund 5800 Mitarbeiter in etwa 670 Filialen, wie ein Unternehmenssprecher mitteilte. Der vorläufige Insolvenzverwalter von Schlecker, Arndt Geiwitz, kündigte an, beide Unternehmen sollten jetzt gemeinsam saniert werden. IhrPlatz befinde sich „in einem starken Abhängigkeitsverhältnis“ zu Schlecker, das die Suche nach einer gemeinsamen Lösung vorteilhaft erscheinen lasse. Der Geschäftsbetrieb in den IhrPlatz-Geschäften läuft aber unverändert weiter. Die Belieferung mit Waren sei durch die für Schlecker erzielte Einigung mit der Einkaufskooperation Markant auch für IhrPlatz sichergestellt, betonte ein Sprecher. Gleichzeitig sichere der Insolvenzantrag für die nächsten drei Monate die Zahlung der Mitarbeitergehälter durch die Bundesanstalt für Arbeit.

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Für viele der 5.800 Beschäftigten bei der Drogeriekette IhrPlatz dürfte die Insolvenz ihres Arbeitgebers ein Déjà-vu-Erlebnis sein. Bereits im Mai 2005 hatte das damals unabhängige Osnabrücker Traditionsunternehmen seine Zahlungsunfähigkeit angemeldet und war in die Planinsolvenz gegangen. Die Rettung in Eigenregie gelang so gut, dass Schlecker IhrPlatz Ende 2007 übernahm. Bislang galten die Osnabrücker als Modell für eine gelungene Sanierung und damit als mögliches Vorbild für die zahlungsunfähige Mutter Schlecker. Doch nun ist IhrPlatz selbst wieder eine Baustelle für den Insolvenzverwalter. Die Drogeriekette hat ihre Ursprünge in der 1895 gegründeten Seifenfabrik Frömbling. 1973 erhielt sie den heutigen Namen. Bis 2004 war die Traditionsfirma unbeirrt auf Expansionskurs. Ein Jahr vor der ersten Pleite verfügten die Osnabrücker über fast 700 Verkaufs- sowie 150 Franchise-Läden und zählten den damaligen Sanierungsberatern Alvarez & Marsal zufolge 8.800 Mitarbeiter.

Doch das ungebremste Wachstum wurde IhrPlatz zum Verhängnis. Im Jahr 2000 übernahm das Unternehmen von der Parfümeriekette Douglas 250 Drospa-Märkte – und überschätzte dabei die eigenen Möglichkeiten. Weitere strategische Fehlentscheidungen kamen hinzu. Binnen weniger Jahre brach der Umsatz von 1,2 Milliarden Euro auf 700 Millionen Euro ein. Die Osnabrücker rutschten tief in die roten Zahlen. Eine Planinsolvenz, die Sanierung unter Einbeziehung des Managements, rettete IhrPlatz. Die US-Investmentbank Goldman Sachs übernahm die Anteile der Gründerfamilie und sorgte für Kredite. 80 verlustreiche Filialen wurden geschlossen und mehr als 1.000 Beschäftigte entlassen. Nach nur acht Monaten war IhrPlatz raus aus der Insolvenz.

Die Osnabrücker verpassten sich ein neues Image. Aus schmuddeligen Ramschläden für Putzmittel und Seife wurden moderne Filialen mit einem Schwerpunkt auf Schönheit und Wellness. Der wachstumshungrige Anton Schlecker griff zu – und kaufte sich mit IhrPlatz ein Premiumsegment für seine Marke. Seinen eigenen blau-weißen Läden haftete dagegen das Billigimage an, das IhrPlatz längst abgelegt hatte. IhrPlatz sei ein Beispiel für eine „erfolgreiche Restrukturierung“, erklärten die Berater von Alvarez & Marsal nach der damaligen Rettung. In der Tat hat das Unternehmen die erste Pleite und die Planinsolvenz genutzt, um wieder auf die Füße zu kommen. Doch wenige Tage nach der Pleite der Mutter Schlecker ist nun auch die Tochter IhrPlatz erneut ins Straucheln geraten.

Derweil hat sich der vorläufige Insolvenzverwalter Geiwitz am Mittwochabend mit Markant, dem wichtigsten Warenlieferanten, über eine Fortsetzung der Belieferung der Schlecker-Läden in Deutschland verständigt. Warenbestellungen, Lieferungen und Abrechnungen für die Schlecker-Märkte in Deutschland seien damit wieder sichergestellt und eine Rückkehr zum „Regelbetrieb“ möglich, erklärte das Unternehmen. Eine Einigung über die Belieferung der noch nicht von der Insolvenz betroffenen Auslandsgesellschaften durch Markant sollte am (heutigen) Donnerstag folgen. Geiwitz betonte, er sei nach diesem Durchbruch zuversichtlich, auch die Gespräche mit den anderen Lieferanten in den nächsten Tagen positiv abschließen zu können. Ziel des zusammen mit der Familie Schlecker und dem Management erarbeiteten Restrukturierungskonzepts sei weiterhin der Erhalt des Unternehmens sowie eines großen Teils des Filialnetzes und der Arbeitsplätze.

Das Amtsgericht Ulm hatte Geiwitz nach dem Insolvenzantrag am Montag eingesetzt. Das Insolvenzverfahren ist allerdings noch nicht eröffnet. Ziel bleibe "eine zukunftsfähige Lösung für das Unternehmen“. Dazu würden in den kommenden Tagen auch die Gespräche mit dem Gesamtbetriebsrat und der Gewerkschaft fortgesetzt. Die Dienstleistungsgewerkschaft Verdi forderte derweil ein Bündnis zur Unterstützung der Schlecker-Beschäftigten. "Es sind nicht die Beschäftigten, die die finanzielle Misere von Schlecker verursacht haben“, betonte Stefanie Nutzenberger vom Ver.di-Bundesvorstand Die Forderung richte sich zum einen an die Lieferanten, die Drogeriemarktkette weiter mit Waren zu versorgen. Aber auch die Kunden seien aufgefordert wie bisher bei Schlecker einzukaufen.

Die beängstigende Zeit der Ungewissheit für die Beschäftigte und ihre Familien müsse ein Ende haben. "Die Frauen und Männer haben einen berechtigten Anspruch zu erfahren, ob ihre Arbeitsplätze für die Zukunft gesichert sind“, sagte Nutzenberger. "Dazu kann niemand so schnell und umfassend aufklären wie die Familie Schlecker selbst.“

Mit Material von dpa und rtr