Hamburger Solarkonzern rutscht wegen des Preisverfalls für Module noch tiefer in die Krise. Steigen Chinesen ein? Die gesamte Branche leidet.
Hamburg. Die schlechten Nachrichten aus der Solarbranche reißen nicht ab: Die Hamburger Conergy AG hat 2011 einen deutlich höheren Verlust verbucht als vom Unternehmen erwartet. Das Betriebsergebnis liege nach vorläufigen Berechnungen bei minus 80 bis 85 Millionen Euro, teilte der krisengeschüttelte Solarkonzern mit. Ursache sind Wertberichtigungen auf Lagerbestände und Kosten für die Restrukturierung der Firma. Sie hatte beim Betriebsergebnis ein Minus von bis zu 55 Millionen Euro erwartet. Lediglich beim Umsatz liegt Conergy mit 755 Millionen Euro im Plan. Die Aktie verlor gestern knapp neun Prozent.
Möglicherweise war es der Ausblick, der die Anteilseigner zusätzlich verunsicherte. Conergy-Chef Philip Comberg erwartet im laufenden Jahr "ein anhaltend schwieriges Marktumfeld". Er versprach aber auch, Conergy werde sein Betriebsergebnis auf einen niedrigen positiven Wert verbessern. Das Unternehmen gab sich zuversichtlich. "Wir haben interessante Projekte in der Pipeline, insbesondere für Asien und die USA", sagte gestern eine Conergy-Sprecherin.
Wie die gesamte Solarbranche leidet auch Conergy unter den stark gesunkenen Preisen für Solarmodule. "Wir haben im Gesamtjahr branchenweit einen Preisverfall bei Modulen von mehr als 40 Prozent gesehen", so Firmenchef Comberg. Daneben machen dem Hamburger Unternehmen unter anderem Verzögerungen bei der Finanzierung von Projekten vor allem in Griechenland, Spanien und Italien sowie die Kosten für Stellenstreichungen in seinem Werk in Frankfurt an der Oder zu schaffen. Conergy hatte im September entschieden, die Zell- und Waferfertigung in Frankfurt einzustellen und dort nur noch Solarmodule zu produzieren. 100 der insgesamt 450 Stellen an dem Standort wurden gestrichen.
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"Die Zellen für die Modulfertigung importieren wir jetzt per Flugzeug aus Asien. Das ist trotz Luftfracht deutlich günstiger als die eigene Fertigung", sagte eine Unternehmenssprecherin. Der schnelle Transport innerhalb eines Tages solle auch dem Preisverfall entgegenwirken. Fertige Module aus Asien sind per Schiff sechs Wochen unterwegs und haben bei ihrer Ankunft wegen des Preisverfalls bereits 15 Prozent an Wert verloren.
"Solche Entwicklungen sind nicht ungewöhnlich und eine Möglichkeit, damit sich die deutsche Solarbranche weiterhin am Markt behaupten kann", sagt der Branchenexperte Bernd Schüßler vom Fachmagazin "Photon". Die Unternehmen hätten aber früher solche Wege einschlagen müssen, "um durch Verlagerung ins Ausland ihre Produktionskosten zu senken". Stattdessen wurden mit öffentlicher Förderung viele Produktionsanlagen im Osten Deutschlands errichtet.
Nach Schüßlers Einschätzung steht die Solarbranche vor dramatischen Veränderungen. Denn inzwischen sind weltweit die Kapazitäten zur Fertigung von Fotovoltaikanlagen, mit denen Elektroenergie erzeugt wird, doppelt so hoch wie die Nachfrage. "Die Chinesen kaufen teilweise deutsche Technologie ein", sagt Schüßler. "Aber als Entwicklungsstandort hat Deutschland weiterhin eine gute Position." So ist beim Konstanzer Unternehmen Sunways der chinesische Konzern LDK eingestiegen. LDK gehört zu den zehn umsatzstärksten Fotovoltaik-Unternehmen der Welt. Beide Firmen sind bereits seit 2010 durch eine Kooperation bei der Produktion von Solarmodulen verbunden. Der Einstieg der Chinesen ermöglicht den Konstanzern auch günstigere Einkaufspreise. Ein bisheriger Langzeitvertrag mit nicht mehr zeitgemäßen Konditionen wurde aufgehoben. Experten rechnen mit weiteren Übernahmen durch Chinesen in der Solarbranche. Auch bei Conergy ist das nicht ausgeschlossen. Comberg war von 2007 bis 2009 Manager beim chinesischen Hersteller Solarfun Power.
Conergy nutzte 2011, um die Bilanz komplett zu bereinigen. Forderungen wurden wertberichtigt und die Lager durch den Verkauf von Beständen zum Jahresende verkleinert. "Dies hat zwar das Ergebnis 2011 zusätzlich belastet, jedoch gehen wir so mit schlanken Beständen und ohne Altlasten ins neue Geschäftsjahr", so Comberg.
Wegen der weltweit massiven Überkapazitäten und des daraus folgenden Preisverfalls stehen viele Solarfirmen stark unter Druck, Verluste sind an der Tagesordnung. Kurz vor Conergy hatte Q-Cells mitgeteilt, dass das Eigenkapital aufgezehrt ist, operative Gewinne erst im Jahr 2013 wieder zu erwarten sind und die Gläubiger dem Unternehmen im Nacken sitzen. "Eine Insolvenz steht im Augenblick nicht zur Diskussion", sagt Vorstandschef Nedim Cen. Die Schweizer Bank Sarasin hat unter anderem Q-Cells und Conergy als gefährdete Unternehmen der Branche eingestuft. Im Dezember hatten der Branchenpionier Solon und der Kraftwerksentwickler Solar Millennium Insolvenz anmelden müssen.