Schlecker will eigenen Weg aus der Insolvenz finden. Erstmal muss das Amtsgericht aber entscheiden, ob überhaupt das Verfahren eröffnet wird.

Ulm/Ehingen. Zukunftssicherung per Insolvenz? Die Drogeriekette Schlecker soll trotz Insolvenz in Familienhand bleiben. Mit diesem Anspruch tritt das Unternehmen in die Gespräche mit seinen Gläubigern, nachdem es am Montag seinen Insolvenzantrag beim Amtsgericht Ulm gestellt hat. Schlecker kündigte an, dass man zusammen mit dem Insolvenzverwalter am Dienstag Lieferanten ansprechen wolle. Zum weiteren Zeitplan hielten sich die Ehinger zurück. Zehntausende Mitarbeiter bangen derweil um ihre Jobs.

Denen sagte Schlecker allerdings zu, man fühle sich "tarifvertraglichen Regelungen verpflichtet“. Unklar ist auch, ob das Amtsgericht einem Insolvenzplanverfahren in Eigenregie zustimmt. Das entscheide sich erst mit der Eröffnung des Verfahrens, sagte ein Gerichtssprecher.

Mehrere tausend Beschäftigte außerhalb Deutschlands können allerdings zunächst aufatmen: Die Drogeriekette teilte mit, dass das Auslandsgeschäft genauso wie die Osnabrücker Tochter IhrPlatz nicht von der Insolvenz betroffen seien. Der Antrag auf Planinsolvenz gilt für die Anton Schlecker e.K. sowie die Schlecker XL GmbH und die Schlecker Home Shopping GmbH.

Der vorläufige Insolvenzverwalter Arndt Geiwitz von der Neu-Ulmer Kanzlei Schneider, Geiwitz und Partner hat noch am Montagmittag seine Arbeit aufgenommen und begonnen, die Bücher der Kette zu sichten. Das Amtsgericht muss feststellen, ob die Voraussetzungen gegeben sind, das Insolvenzverfahren überhaupt zu eröffnen.

Der zuständige Insolvenzrichter Benjamin Webel prüfte laut Gericht den Antrag und muss dann auch entscheiden, in welcher Form das Insolvenzverfahren eröffnet wird. Bei der Planinsolvenz würde ein Verwalter eher zum Berater, während er bei einer regulären die Zügel in den Händen hält. Ein Experte schätzt, dass die Beschäftigten noch Wochen um ihre berufliche Zukunft bangen werden. Denn zunächst einmal habe sich die Drogeriekette nur Luft für eine Verschnaufpause verschafft, sagte der Vorsitzende des Verbandes der Insolvenzverwalter Deutschlands (VID), Christoph Niering, der dpa.

Entscheidend für die angestrebte Planinsolvenz ist vor allem die Frage, ob die Gläubiger davon überzeugt werden können, dass Firmengründer Anton Schlecker und seine Familie den Turnaround Schaffen – und das aus dem operativen Geschäft oder privaten Rücklagen finanzieren können. Ein Unternehmenssprecher sagte nicht, wie stark Schlecker persönlich haften muss. Der Drogerieriese hatte zuletzt weit mehr als 1000 Filialen geschlossen und mit sinkenden Umsätzen und Verlusten zu kämpfen. Am Freitag kam denn die Entscheidung, in die Insolvenz zu gehen.

Vor allem eine geplatzte Zwischenfinanzierung für die in der Schweiz sitzende Einkaufsgemeinschaft Markant hatte zu dem Schritt geführt. Diese beliefert nicht nur Schlecker, sondern auch alle großen Konkurrenten: dm, Rossmann und Müller. Nach dpa-Informationen war es für Markant eine Frage der Verantwortung gegenüber anderen Mitgliedsunternehmen, Schlecker nicht weiter entgegenzukommen.

Die in der Schweiz sitzende Markant wollte die Schlecker-Insolvenz nicht kommentieren. Markant habe bei Gericht mit Blick auf eine Planinsolvenz Bedenken angemeldet, berichtete die „Financial Times Deutschland“. Der Gerichtssprecher konnte das nicht bestätigen. Allerdings habe es eine Anfrage vom Deutschen Paket-Dienst (DPD) gegeben, ob weiter geliefert werden könne.

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Für einen Neuanfang braucht Schlecker nach Einschätzung von Marktforschern klare Schnitte. „Es muss für die Kunden klar erkennbar sein, dass sich etwas ändert“, sagte Rainer Pfuhler vom Kölner Institut Rheingold. Die Insolvenz schaffe keine Sympathiewerte, schrecke eher ab. In Kleinstädten, in denen Schlecker keine Konkurrenz habe, könnte die Insolvenz Kunden zum Einkaufen bewegen. Dabei dürfte die Sorge eine Rolle spielen, dass eine andere Drogerie nur mit dem Auto oder Bus zu erreichen wäre.

Europaweit arbeiten mehr als 40 000 Menschen bei Schlecker, etwa 30.000 davon in Deutschland. Das Unternehmen wird als eingetragener Kaufmann, Anton Schlecker e.K., geführt und hält nach Angaben des Gerichts Anteile an etlichen Tochtergesellschaften. Schlecker hafte somit mit seinem Privatvermögen. Im aktuellsten Eintrag des Bundesanzeigers werden allein 25 Gesellschaften aufgeführt, an denen Schlecker 100 Prozent besitzt – darunter sind neben den Auslandstöchtern etwa die Kette IhrPlatz (Stand: 31.12.2009).

Wichtige Lieferanten wie der Düsseldorfer Henkel-Konzern wollten am Montag keinen Kommentar abgeben. Doch finanzielle Auswirkungen habe ein Insolvenzantrag nicht. „Etwaige Forderungen sind abgesichert“, erläuterte er. Sobald das Insolvenzverfahren eröffnet ist, hat Schlecker weitreichende Möglichkeiten, etwa auf Mietminderungen und den Abbau von Stellen hinzuwirken. Allerdings gibt es aus Sicht der Dienstleistungsgewerkschaft Verdi offene rechtliche Fragen. Eigentlich gilt bis zum Sommer ein Beschäftigungssicherungsvertrag.

„Ein Unternehmen ist nicht über Nacht zu sanieren“, gab der Geschäftsführer des Handelsinstitutes EHI, Michael Gerling, in einem Gespräch mit der dpa zu bedenken. Der erste Schritt müsse sein, Filialen mit roten Zahlen zu schließen. Grundsätzlich sei der deutsche Handel für Investoren interessant. Das hätten die Übernahme der Warenhauskette Karstadt durch Nikolas Berggruen und das Investorenrennen um Kaufhof gezeigt.