Die Kinder von Cord Wöhlke steigen in die Geschäftsführung der Hamburger Drogeriekette auf. Unternehmen setzt auf langsameres Wachstum.
Hamburg. Cord Wöhlke ist ständig unterwegs in diesen Tagen. Regelmäßig schaut der Chef in den Filialen der Hamburger Drogeriemarktkette Budnikowsky vorbei, unterhält sich mit Kunden und Mitarbeitern. Es gibt viel zu organisieren in diesem Jahr, in dem das Traditionsunternehmen 100 Jahre alt wird. "Mir ist es wichtig, immer ein Ohr an der Basis zu haben", sagt der 62-Jährige, während er mit Jeans und offenem, weißem Hemd im schlichten Konferenzraum der Unternehmenszentrale in Wandsbek sitzt.
Künftig wird Wöhlke allerdings versuchen, sich etwas zurückzunehmen und das Feld ein wenig mehr seinen beiden ältesten Kindern zu überlassen. "Mein Sohn Christoph und meine Tochter Julia rücken jetzt in die Geschäftsführung auf und sollen noch mehr Verantwortung als bisher übernehmen", sagt der Vater. Er selbst wolle noch bis 2017 an der Spitze der Drogeriekette bleiben. "Es ist schön, dass meine Kinder das Unternehmen dann weiterführen werden", sagt er.
+++Was treibt Budnikowsky-Chefs an, Gutes zu tun?+++
Schon bislang spielen die ältesten Kinder Wöhlkes eine bedeutende Rolle in dem Familienbetrieb. Julia Wöhlke, leitet die Personalabteilung, ihr älterer Bruder Christoph ist Prokurist und verantwortet unter anderem den Aufbau der Marke Aliqua, mit der die Drogeriekette von dem Trend zur Naturkosmetik profitieren will. Der jüngste Sohn Wöhlkes, Nicolas, arbeitete ebenfalls als Bezirksverantwortlicher bei Budni, hat sich jetzt allerdings erst einmal eine Auszeit genommen und ist in eine Unternehmensberatung gewechselt. Er soll später ebenfalls wieder in die Firma zurückkehren.
"Julia und Christoph ergänzen sich ganz hervorragend", sagt der Budni-Chef über seine ältesten Kinder, die beide ihre ersten beruflichen Schritte in der Drogeriekette absolvierten. "Julia ist bodenständig und hat einen sehr guten Blick dafür, was wirtschaftlich machbar ist." Schon als 14-Jährige saß sie sonnabends an der Kasse und besserte sich so ihr Taschengeld auf. "Christoph ist eher der Stratege und ist neuen Technologien gegenüber sehr aufgeschlossen."
Die Budni-Familie ergänzt sich glänzend. Mutter Gabriele, ebenfalls Mitglied der Geschäftsführung, hält den Clan zusammen, regelmäßig treffen sich die Wöhlkes zum Essen, fast alle wohnen zentral in der Stadt. Auch Ruth Wöhlke, 80, die Tochter der Firmengründers Iwan Budnikowsky und Stiefmutter des heutigen Chefs, ist bei diesen Treffen häufig dabei. Friedlich geht es aber nicht immer zu, wenn sich Kinder und Eltern über den künftigen Kurs, die richtige Strategie der Drogeriekette beraten - das ist aus Wöhlkes Sicht auch nicht erforderlich. "In einem Familienunternehmen muss um den richtigen Kurs gerungen werden", sagt der Geschäftsführer. "Harmonie allein hilft uns nicht weiter."
Unterschiedliche Auffassungen gibt es etwa in der Frage, wie Budni mit dem Internet umgehen sollte. Bislang betreibt man zwar für die Naturkosmetikmarke Aliqua einen Onlineshop, nicht aber für die ganze Drogeriekette. "Meine Kinder würden das Internetgeschäft gern ausbauen, ich bin da etwas vorsichtiger", sagt Wöhlke, der zwar seit Kurzem ein iPhone besitzt, aber noch seinem alten, einfacher zu bedienendem Handy nachtrauert. "Solche Projekte müssen sich für uns rechnen. Im Gegensatz zu großen Konzernen können wir es uns nicht leisten, Fehler zu machen und Geld zu verbrennen."
Wenn sich der Geschäftsführer mit seinen Kindern auseinandersetzt, erinnert er sich manchmal an das Jahr 1970, als er selbst in die Firma einstieg. "Damals musste man mich bremsen, heute bin ich es, der auf die Bremse tritt", bemerkt er nachdenklich. Es war die Zeit, als die Drogerien in Deutschland ihren großen Aufschwung erlebten. Konzepte wie die Selbstbedienung wurden eingeführt - eine kleine Revolution für die Kunden, die es gewohnt waren, ihre Hautcremes und Seifen wie beim Apotheker an der Ladentheke zu kaufen.
Seit den Jahren des Aufschwungs hat sich die Branche drastisch verändert. Konkurrenten wie Ihr Platz oder Kloppenburg wurden geschluckt, Rossmann und dm sind zu Riesen mit Tausenden von Filialen herangewachsen, neben denen sich Budnikowsky, die deutsche Nummer fünf, mit seinen 154 Filialen eher bescheiden ausnimmt.
Über Umsätze spricht Wöhlke nicht gern, laut der Martkforschungsgesellschaft Planet Retail sollen sie 2010 bei rund 390 Millionen Euro gelegen haben. 2011 habe die Kette im einstelligen Prozentbereich zulegen können, lässt sich Wöhlke entlocken. Die Marktführerschaft in Hamburg will der Budni-Chef zwar behaupten, insgesamt will er das Wachstumstempo aber drosseln. "In den vergangenen Jahren haben wir im Schnitt jeweils zehn neue Filialen eröffnet, in diesem Jahr werden es eher drei bis fünf sein", sagt er.
Am Hofweg wird im März ein neues Geschäft hinzukommen, in der Umgebung Hamburgs sind aus Wöhlkes Sicht Standorte wie Elmshorn interessant. Angeschaut hat sich der Budni-Chef auch ehemalige Standorte des Konkurrenten Schlecker, der schon seit Monaten in ernsten finanziellen Schwierigkeiten steckt, Filialen schließt und am Freitag sogar Insolvenzantrag stellen musste. "Die ehemaligen Schlecker-Standorte sind für unsere Bedürfnisse in der Regel zu klein", sagt Wöhlke.
"Statt auf Quantität möchte ich jetzt wieder mehr auf Qualität setzen", betont der Chef. Er will die bestehenden Geschäfte modernisieren, die Sortimente überarbeiten und vor allem die Beschäftigten schulen. "Es sind unsere Mitarbeiter, die den Unterschied zu unseren Wettbewerbern ausmachen", sagt er. "Budni soll für unsere Kunden eine Heimat sein, ein menschlicher Geist muss in den Filialen herrschen." Das klingt wie ein Werbespruch, doch Wöhlke kann auch Belege liefern. Im Rahmen der Budnianer-Hilfe betreut jede Filiale ein soziales Projekt, das durch Spendenaktionen unterstützt wird.
Auch der Chef selbst versucht im Unternehmen ein möglichst soziales Klima zu schaffen. Zu Weihnachten schwärmen alle Wöhlkes aus, um ihre Beschäftigten persönlich mit kleinen Geschenken zu versorgen. Langjährige Mitarbeiter lädt der Chef auch schon mal zu sich nach Hause ein. "Dann kocht meine Frau und meine Stiefmutter und ich bedienen", sagt er.