Mit einer neuen aktiven Steuerung bei Computerspielen blasen Microsoft und Sony zum Angriff auf Marktführer Nintendo. Der kontert.
Hamburg. Ein wenig albern wirkt das Ganze schon. Gestandene Männer greifen nach einem unsichtbaren Lenkrad in der Luft und steuern damit einen Sportwagen, der über eine virtuelle Rennstrecke rast. Andere streicheln einen kleinen Tiger auf dem Bildschirm oder springen über Hürden in einem simulierten Olympiastadion.
Geht es nach dem Softwareriesen Microsoft, dann stellt dieser Körpereinsatz vor dem heimischen Fernsehschirm aber die Zukunft der Computerspielebranche dar. Auf der US-Spielemesse E3 präsentierte der Konzern mit gewaltigem Aufwand seinen neuen Bewegungssensor Kinect, der nichts weniger als eine "Revolution" in der Unterhaltungsindustrie einläuten soll.
Das Gerät ist eine Erweiterung der bestehenden Microsoft-Konsole Xbox 360 und wird voraussichtlich im November dieses Jahres auf den Markt kommen. Es kann per Kamera und Tiefensensor eingefangene Bewegungen des Spielers auf Arme, Beine und Rumpf einer virtuellen Computerfigur übertragen. "Mit Körperbewegungen und Sprachbefehlen steuert der Nutzer seine Konsole und hat die direktmöglichste Spielerfahrung, da er selbst zum Controller wird", sagt Oliver Kaltner, Chef der Unterhaltungselektroniksparte von Microsoft Deutschland. Dadurch erreiche der Konzern Menschen, die bisher durch überfrachtete Steuergeräte von Computerspielen abgeschreckt worden seien.
Mit dem neuen System greift Microsoft vor allem den bisherigen Marktführer Nintendo an, der mit der Bewegungssteuerung für seine Spielekonsole Wii als Erster eine ganz neue Zielgruppe für die Branche erschloss. Waren es zuvor vor allem eingefleischte Computerfans, die sich mit Maus und Tastatur durch immer detailliertere Fantasiewelten ballerten, so wurden Computerspiele mit der Wii auch für Familien und Gelegenheitsspieler akzeptabel. Mütter und Väter traten fortan zusammen mit dem Nachwuchs beim virtuellen Tennismatch an oder starteten eine simulierte Paddeltour.
Mittlerweile ist die Wii allerdings in die Jahre gekommen. Im Vergleich zu Kinect wirkt das Steuerungssystem des Pioniers fast antiquiert und die schon beim Start veraltete Grafik taugt nicht mehr für die hochauflösenden Flachbildfernseher, die immer mehr Einzug in die deutschen Wohnzimmern halten. Daher ist man bei Microsoft zuversichtlich, zumindest in Deutschland in den kommenden zwölf Monaten zur Nummer zwei auf dem Konsolenmarkt aufsteigen zu können. Bislang liegt der US-Konzern hinter Nintendo und Sony auf dem dritten Platz. Doch auch der Unterhaltungsriese Sony will sich mit einer eigenen Zappelsteuerung für die Playstation 3 ein Stück vom neuen Spielekuchen abschneiden. Move nennen die Japaner ihr System, das weniger radikal als die Konkurrenz von Microsoft verändert wurde. Ähnlich wie bei der Wii erfasst eine Kamera die Positionen der Move-Fernbedienung im Raum und setzt diese in Bewegungen auf dem Bildschirm um. Sony will vor allem Sport- und Fitnessspiele mit der neuen Steuerung aufpeppen.
Nintendo ist bislang eine Antwort auf die Herausforderer schuldig geblieben. Ein Nachfolger für den Bestseller Wii ist derzeit nicht in Sicht. Einen Überraschungscoup landeten die Japaner allerdings mit einer aufgebohrten Version der mobilen Konsole Nintendo DS. Das Gerät verfügt nun über einen 3-D-Effekt, der im Gegensatz zu bisherigen Systemen auch ohne Spezialbrille funktioniert. Nintendo setzt dabei auf die sogenannte Stereoskopie, bei der zwei Bilder leicht versetzt gezeigt werden. Ein Bild ist für das linke Auge ausgerichtet, das andere für das rechte. Daneben wird es auch eine Kamerafunktion geben, mit der die Nutzer selbst dreidimensionale Fotos und Videos aufnehmen können. Sollte die 3DS für rund 200 Euro auf den Markt kommen, wie Beobachter vermuten, dann könnte sie zu einem echten Preisbrecher bei 3-D-Kameras werden.
Die deutschen Spielehersteller verbinden mit der 3-D-Technik große Hoffnungen. "Filme wie ,Avatar' haben eindrucksvoll gezeigt, welche Begeisterungsstürme 3-D hervorrufen kann", sagte Olaf Wolters, Geschäftsführer des Bundesverbands Interaktive Unterhaltungssoftware, dem Abendblatt. Die Spieleindustrie könne wichtige Impulse setzen, um der neuen Technik auch im Wohnzimmer zum Durchbruch zu verhelfen.
Einen kräftigen Innovationsschub kann die einst erfolgsverwöhnte Branche in jedem Fall gebrauchen. Im vergangenen Jahr ging der Umsatz mit Computerspielen nämlich erstmals um rund zwei Prozent auf 1,56 Milliarden Euro zurück. In diesem Jahr sollen die Erlöse in Deutschland - auch dank Bewegungssteuerung und 3-D-Technik - wieder um rund fünf Prozent zulegen.