Norddeutsche Länder scheitern mit ihrem Rettungsvorstoß. Die maritime Wirtschaft soll ihre eigenen Lösungen finden.

Hamburg/Berlin. Nach drei Stunden langer Diskussion stand fest: Die Bundesregierung lehnt zusätzliche staatliche Hilfsprogramme für die von der Finanzkrise betroffene Schifffahrtsbranche ab. "Konsens war, dass sich die Akteure der maritimen Wirtschaft prioritär selbst in der Pflicht sehen und privatwirtschaftliche Lösungen zu finden sind", hieß es gestern Abend nach einem Spitzentreffen des Bundes und den Ländern mit Vertretern von Reedereien, Werften und Schiffsbanken in Berlin. Vor dem Krisentreffen hatten die Küstenländer noch ein stärkeres Engagement der Bundesregierung gefordert.

Geprüft werden soll aber, "ob beim bestehenden Förderinstrumentarium Optimierungsbedarf besteht". "Ziel des Bundes ist es, Hilfen künftig schneller zu prüfen und die Bürgschaften und Kredite von der KfW verstärkt auch für Schiffsneubauten in Deutschland zu nutzen", sagte Hamburgs Wirtschaftssenator Axel Gedaschko (CDU) dem Abendblatt. Gedaschko hatte die Initiative der Länderchefs für den von Hans-Joachim Otto, dem Maritimen Koordinator der Bundesregierung, geleiteten Gipfel im Wirtschaftsministerium angestoßen.

Gerade für den Schiffbau werde überlegt, Aufträge im Bereich der Entwicklungshilfe oder aus dem Marinebereich an deutsche Werften zu vergeben, sagte Gedaschko. "Die Bundesregierung will zudem mit China und Korea über ihre Beteiligung an der Finanzierung von Neubauten sowie auf die Möglichkeit von Verschiebung von Ablieferungen sprechen", sagte der Hauptgeschäftsführer des Verbandes Deutscher Reeder (VDR), Ralf Nagel. Noch vor der Sommerpause soll ein weiteres Treffen stattfinden.

"Der Gipfel kann höchstens den Startschuss für weitere Gespräche geben", sagte Mecklenburg-Vorpommerns Ministerpräsident Erwin Sellering (SPD) dem Abendblatt. "Es geht ja im Kern um die sehr grundsätzliche Frage: Wird es künftig in Deutschland Schiffbau geben? Wenn wir diese Frage mit Ja beantworten, gehört die Kanzlerin mit ins Boot. Sie muss das Thema zur Chefsache erklären - und zwar schnell", Die Werften in Mecklenburg-Vorpommern könnten sich eigentlich gut gegen die Konkurrenz behaupten, aber sie kämen gar nicht in die Situation, dies zu beweisen, so Sellering weiter. "Der Grund: Die Banken halten sich bei der Schiffbaufinanzierung viel zu stark zurück. Hier ist ein deutliches Signal der Bundesregierung nötig."

Insgesamt steht die maritime Industrie für 85 Milliarden Euro Umsatz und 400 000 Beschäftigte. Die Lage ist unterschiedlich:

Häfen

Die Seehafenbetriebe haben 2009 rund 17 Prozent ihres Umschlags verloren, Kapazitäten auf den Terminals sind nicht ausgelastet, die Terminals haben zu viel Personal an Bord. Dazu sind Schiffsverkehre in die Konkurrenzhäfen an der Nordsee abgewandert. Der Zentralverband der Deutschen Seehafenbetriebe (ZDS) hat dazu verschiedene Maßnahmen vorgeschlagen, um dieser Entwicklung entgegenzuwirken und Kosten zu sparen. So sollen Firmen in den Seehäfen zum Beispiel als energieintensive Betriebe weniger Stromsteuern zahlen. Zudem sollten die Durchfahrtgebühren durch den Nord-Ostsee-Kanal befristet um zehn Prozent sinken.

Schifffahrt

Den Schifffahrtsunternehmen geht es vor allem darum, ihre Finanzengpässe für die fahrende Flotte und bestellte Neubauten zu überwinden. Die Krise hat die Preise für den Transport um bis zu 50 Prozent und für die Schiffsmieten (Charter) um bis zu 80 Prozent einbrechen lassen. Zwar erholt sich die Branche langsam, aber mittelständische Reedereien haben oft noch Schwierigkeiten, die Betriebskosten für die Frachter zu decken. Bis zu 1000 Schiffe sieht der Verband Deutscher Reeder (VDR) in Gefahr.

Dazu wird befürchtet, dass von den Unternehmen nicht abgenommene Neubauten günstig an Konkurrenten verkauft werden könnten. "Wir müssen aber vermeiden, Wettbewerber an ausländischen Standorten stark zu machen", sagt VDR-Hauptgeschäftsführer Ralf Nagel.

Schiffbau

Gebeutelt sind auch die deutschen Werften. Gerade mal 20 neue Aufträge, nur halb so viel wie gewöhnlich wurden 2009 gebucht. Seit Mitte 2008 wurden 60 Neubauten oder 23 Prozent des Auftragsbestandes von 2009 storniert. Entscheidend für die Branche sind neue Aufträge, wobei wegen der Übermacht von Korea und China kaum mehr Containerfrachter bestellt werden dürften. Gut stehen Werften wie Meyer oder die Flensburger Schiffbau-Gesellschaft da. Sie bauen keine Containerfrachter, sondern Passagierschiffe beziehungsweise Fähren.

"Wenn die Hilfsprogramme an die Belange der Reeder angepasst werden, hilft das zwar auch den Werften", so Werner Lundt, Hauptgeschäftsführer des Verbandes für Schiffbau und Meerestechnik (VSM). Allerdings verbleiben nur zwei Prozent der Aufträge überhaupt in Deutschland. Die Masse der Reederaufträge gingen aber nach China und Korea, was dem deutschen Schiffbau nicht helfe.