Die zivile Luftfahrt steckt in einer der größten Krisen ihrer Geschichte. Auch die erfolgsverwöhnte Lufthansa verliert massiv im Europageschäft – und muss sich zudem mit streiklustigen Mitarbeitern herumschlagen. Doch die sind nicht bereit, sich den neuen Realitäten zu stellen.

Die Zahlen sprechen eine deutliche Sprache: Während die Lufthansa im vergangenen Jahr fast zehn Prozent an Umsatz verloren hat, konnten die europäischen Billigflug-Gesellschaften die Zahl der Passagiere um fast neun Prozent steigern. Operativ blieben die Lufthanseaten im Gegensatz zu den meisten ihrer Konkurrenten zwar in der Gewinnzone, unter dem Strich steht aber auch beim größten europäischen Luftfahrtkonzern ein Verlust.

Das ist angesichts der größten Krise in der zivilen Luftfahrt und der gleichzeitigen Übernahmen der verlustreichen, neuen Töchter Austrian Airlines oder der britischen bmi im vergangenen Jahr erst einmal kein Grund zu großer Sorge. Wahrscheinlich werden sich diese finanziellen Kraftakte mittelfristig auszahlen.

Viel bedrohlicher sind derzeit die schwelenden Konflikte mit der eigenen Belegschaft. Die Tarifverhandlungen mit den streiklustigen Piloten, den Mitarbeitern am Boden und demnächst auch mit den Flugbegleitern erfordern viel Fingerspitzengefühl. Gibt es hier allzu großen Knatsch, verschreckt dies die Kundschaft.

Gleichzeitig hat das Management angesichts der horrenden Verluste im Europaverkehr aber sehr klar gemacht, dass in diesem wichtigen Geschäftsfeld die Kosten in den kommenden Jahren drastisch sinken müssen, um nicht noch mehr Marktanteile zu verlieren. Das heißt, es gibt sehr wenig Spielraum für Gehaltssteigerungen und großen Veränderungsdruck.

Allerdings ist diese Botschaft bei vielen erfolgsverwöhnten Lufthanseaten noch nicht wirklich angekommen. Wohl auch deshalb hat das Management den Verlust mehr als eine Woche vor der offiziellen Bilanzvorlage veröffentlicht – als Weckruf sozusagen. Die sehr frühe Ankündigung, dass die Aktionäre in diesem Jahr leer ausgehen werden, soll wohl auch möglichen Unmut in der Belegschaft dämpfen.

Ob die wirtschaftliche Lage des Konzerns wirklich bedrohlich ist, lässt sich am Aktienkurs ablesen: Die Lufthansa führte mittags mit einem satten Plus die Gewinnerliste im Dax an. Die Analysten hatten wohl sehr viel Schlimmeres erwartet. Und sie sind offenbar überzeugt, dass die Top-Crew um Lufthansa-Chef Wolfgang Mayrhuber strategisch auf dem richtigen Weg ist.

Quelle: Welt Online