Die hohen Verluste des Euro belasten Europas Börsen. Anleger verlassen panikartig die Euro-Zone, obwohl die Abwertung des Euro der Industrie Deutschlands helfen sollte.

Hamburg. Da hatte sich Byron Wien weit aus dem Fenster gelehnt. Zu Beginn des Jahres gab der Wall-Street-Veteran und Freund von Hedgefonds-Guru George Soros eine gewagte Prognose ab: Tokio werde 2010 der beste Aktienmarkt sein, zumindest unter den etablierten Märkten. Und das obwohl Japan immer tiefer in die gewinneverzehrende Deflation abrutscht, obwohl das Land die größte Staatsschuld der Geschichte vor sich herschiebt, obwohl keine andere Gesellschaft so schnell altert wie die japanische, obwohl aus den Söhnen Nippons also längst die Großväter Nippons geworden sind.

Aber Byron Wien, das 76 Jahre alte Investment-Schlachtross scheint (wieder einmal) recht zu behalten: vier Wochen nach Jahresanfang notiert das japanische Börsenbarometer Topix zwar ein Prozent im Minus, da die Landeswährung Yen stark aufgewertet hat, konnten hiesige Anleger mit Japan-Titeln jedoch einen Gewinn von 4,5 Prozent verbuchen. Dank des starken Yen steht der Topix besser da als alle anderen Börsenbarometer der klassischen Industrieländer.

In Europa ergibt sich genau das umgekehrte Bild: Belastet von den Turbulenzen um den Euro hat der Deutsche Aktienindex (Dax) im internationalen Vergleich besonders schlecht abgeschnitten. Mit einem Minus von fast sechs Prozent findet er sich im untersten Viertel der Index-Tabelle wieder. In der Euro-Zone schnitten nur die Aktienmärkte der Zitterstaaten Griechenland, Portugal und Spanien noch schlechter ab. Auch die slowakische Börse sah einen besonders starken Kapitalabfluss. Ganz untypisch für das von Investoren wieder entdeckte Osteuropa gab die Börse in Bratislava um mehr als neun Prozent nach.

Nur ein Markt hat 2010 international noch mieser abgeschnitten: Venezuela. In Caracas sackten die Kurse in gerade einmal 20 Handelstagen um 45 Prozent ab. Die venezolanische Börse ist ein Beispiel dafür, wie irreführend die reine Kursentwicklung sein kann. In der lokalen Währung Bolivar Fuerte verbesserten sich die Notierungen seit Jahresanfang zwar um acht Prozent, ausländischen Investoren nützte das aber wenig, da das venezolanische Geld Mitte Januar um fast die Hälfte abgewertet wurde.

Der Bolivar ist eine der wenigen Währungen, die im Januar zum Euro an Wert verloren. Die meisten anderen Devisen konnten sich gegenüber der Gemeinschaftswährung verbessern: Gefragt waren neben dem japanischen Yen mit einem Plus von knapp sechs Prozent unter anderem auch der kolumbianische Peso (plus 6,5 Prozent) sowie der israelische Schekel (plus 5,2). Doch selbst der von einem Rekordstaatsdefizit überschattete US-Dollar konnte sich zum Euro drei Prozent verbessern, was zeigt, für wie gefährlich Finanzmarktakteure die Griechenland-Krise halten.

Mit einem Minus von gut sechs Prozent gehört die Börse Athen denn auch zu den größten Verlierern des Jahres. Interessant ist zu sehen, aus welchen Aktienmärkten sich die Akteure 2010 noch zurückgezogen haben: Auch Lissabon und Madrid gehören, zusammen mit Dubai, zu den Verlierern des neuen Börsenjahres. Hier zeigt sich, dass der Euro mehr und mehr als Mühlstein am Hals dieser Volkswirtschaften gesehen wird.

Dass die Währung zu einem bestimmenden Faktor für die Börsenentwicklung geworden ist, zeigt sich auch, wenn man auf die Riege der Gewinner blickt: Dort finden sich überraschend viele osteuropäische Aktienmärkte. So konnten die Indizes im Baltikum sämtlich um mehr als ein Fünftel zulegen. Auch die Ukraine, Rumänien und Kroatien sahen Zuflüsse. Gleiches gilt für andere riskante Märkte in Afrika, Südamerika und Asien. Von einer allgemeinen Flucht aus dem Risiko kann also keine Rede sein. Nur muss die Währung mitspielen.

Quelle: Welt Online