Arbeitsministerin von der Leyen will den Missbrauch von Leiharbeit eindämmen und den Lohndumping-Vorwürfe gegen Schlecker nachgehen.
Berlin/Ehingen. Die Drogeriekette Schlecker ist in der Vergangenheit wegen des vermehrten Einsatzes von Leiharbeitskräften ins Kreuzfeuer der Kritik geraten. Nun will Schlecker keine neuen Zeitarbeitsverträge mit der Firma Meniar mehr abschließen. Das kündigte Schlecker jetzt überraschend an. Bundesarbeitsministerin Ursula von der Leyen (CDU) hatte sich zuvor alarmiert gezeigt und eine Überprüfung angekündigt. Die SPD forderte die Regierung auf, „den offenkundigen Missbrauch von Leiharbeit zu unterbinden“.
„Mein Ministerium wird die Vorgänge bei Schlecker sehr genau prüfen“, sagte von der Leyen. Es gehe darum, „ob Gesetze verletzt oder umgangen worden sind“ und ob im bestehenden Gesetzesrahmen „Schlupflöcher und Lücken sind, die Zustände in der Leiharbeit zulassen, die nicht im Sinne des Gesetzgebers sind. Dann müssen wir das Gesetz ergänzen.“ Ihr sei wichtig, „dass das gute Modell der Zeitarbeit nicht in Misskredit gerät“.
Schlecker hält die Vorwürfe für nicht nachvollziehbar. Um aber die Diskussion um die Beschäftigung von Leiharbeitnehmern zu beenden, habe man beschlossen, „mit sofortiger Wirkung keine neuen Arbeitnehmerüberlassungsverträge mit der Firma Meniar mehr abzuschließen“, teilte ein Firmensprecher mit. Zuvor hatte das Unternehmen betont, die Arbeitsbedingungen bei Meniar bewegten sich im Rahmen des allgemein Üblichen und es würden Stundenlöhne von bis zu 13 Euro und mehr bezahlt. „Von Niedriglöhnen oder gar Lohndumping kann vor diesem Hintergrund keine Rede sein“, hieß es.
Die Gewerkschaft Verdi wirft Schlecker vor, festangestellte Mitarbeiter in neue Verträge mit deutlich schlechteren Arbeits- und Einkommensbedingungen zu zwingen. Dies erfolge über die Zeitarbeitsfirma Meniar (“Menschen in Arbeit“) mit Sitz in Zwickau, die einen Stundenlohn von nur 6,78 Euro zahle, sagte Verdi-Unternehmensbetreuer Achim Neumann. Im Bundesdurchschnitt liege der Tariflohn einer Verkäuferin hingegen bei 12,70 Euro.
„Wir sind davon überzeugt, dass die Zeitarbeitsfirma konzernintern gegründet wurde, um Tarifverträge zu unterlaufen.“ Die Löhne seien sittenwidrig. Zudem wolle sich Schlecker einen Wettbewerbsvorteil verschaffen. Laut Verdi hat Meniar bislang rund 43 000 Leiharbeiter an Schlecker vermittelt.
Schlecker konterte, die Gewerkschaft habe bereits in der Vergangenheit „gezielte Desinformations- und Diffamierungskampagnen“ betrieben. Es sei befremdlich, dass nun auch Politiker, deren Parteien die Flexibilisierung der Arbeitsverhältnisse gefordert und gesetzlich gefördert haben, sich dem anschlössen. Meniar sei ein konzernunabhängiger Personaldienstleister. Dass der Meniar-Geschäftsführer am Unternehmenssitz in Ehingen ein Verbindungsbüro unterhalte, sei eine „reine Selbstverständlichkeit“.
Die Bundesagentur für Arbeit (BA) sieht keine Möglichkeiten zum Eingreifen: „Schlecker hat offenbar Stammbelegschaft entlassen, um sie dann in einer eigens gegründeten Zeitarbeitsfirma zu niedrigeren Löhnen wieder einzustellen“, sagte eine Sprecherin der Nürnberger Behörde. „Das Arbeitnehmerüberlassungsgesetz verbietet so etwas nicht. Hier sind politische Entscheidungen nötig.“ Eine Sprecherin des Arbeitsministeriums sagte, Schlecker sei um eine Stellungnahme gebeten worden. Diese liege aber noch nicht vor.
Auch Nordrhein-Westfalens Arbeitsminister Karl Josef Laumann (CDU) wirft Schlecker systematische Lohnflucht vor, die das „soziale Gefüge in Schieflage bringt“. Zeitarbeit sei dazu da, betriebliche Auftragsspitzen abzufangen oder im Falle von Urlaub und Krankheit Vertretungen bereitzustellen. Sie dürfe nicht dazu missbraucht werden, „um mit ihrer Hilfe Stammbelegschaften zu ersetzen“, schreibt der CDU-Politiker laut „Süddeutscher Zeitung“ in einem Brief an Schlecker-Mitarbeiter. Auch SPD-Chef Sigmar Gabriel zeigte sich laut Bericht in einem Brief an den Firmenchef Anton Schlecker besorgt.
SPD-Fraktionsvize Hubertus Heil warf der Union vor, sie habe bislang einen Mindestlohn für die Zeitarbeit verhindert. Damit habe sie dem jetzt beklagten Missbrauch Vorschub geleistet. Der Arbeitsmarktexperte der FDP, Heinrich Kolb, kündigte Schritte gegen Missbrauch der Zeitarbeit an: „So, wie das bei Schlecker läuft, darf das nicht sein“, sagte er der SZ.