Wolfgang Burgard, Deutschland-Chef der Holsten-Mutter Carlsberg, über Stellenabbau, Strategie und warum Astra in Hamburg gebraut werden muss.
Hamburg. Stellenabbau und ein überraschender Chefwechsel vor rund vier Wochen: Das Abendblatt sprach mit Wolfgang Burgard, Chef der Holsten-Mutter Carlsberg Deutschland, über die Strategien in einem schrumpfenden Biermarkt und Spekulationen über einen Umzug der Brauerei von Altona nach Mecklenburg.
Abendblatt: Sie sind der Nachfolger Ihres Nachfolgers. Nachdem Jörg Croseck nach nur 14 Monaten im Amt Carlsberg Deutschland wieder verlassen hat, mussten Sie mit 61 Jahren wieder zurück ins operative Geschäft. Was war schiefgelaufen?
Wolfgang Burgard: Die Chemie zwischen Jörg Croseck und Carlsberg stimmte nicht.
Was heißt das genau?
Burgard: Dazu kann und will ich mich nicht näher äußern.
Am Mittwoch haben Sie verkündet, dass bei Carlsberg bundesweit 64 Stellen abgebaut werden. Warum?
Burgard: Der deutsche Biermarkt schrumpft seit Jahren. Bis Ende Oktober verringerte sich der Absatz insgesamt um 3,8 Prozent auf 84,3 Millionen Hektoliter. Rechnet man die Mengen, die exportiert werden, heraus, so lag das Minus immer noch bei 2,8 Prozent.
Carlsberg hat aber zugelegt.
Burgard: Ja, wir sind beim Absatz um 2,2 Prozent gewachsen. Dennoch leiden auch wir - wie die gesamte Branche - unter einem extremen Preisdruck. Im Einzelhandel ist Bier oft nur noch ein Frequenzbringer. Das heißt, Bier wird durch niedrige Preise zum Lockangebot, damit mehr Kunden kommen. Zudem leiden wir darunter, dass immer weniger Menschen in gastronomische Betriebe gehen. Nicht nur wegen des Rauchverbots, sondern auch, weil in der Krise viele Firmen ihre Spesenetats heruntergefahren haben. Der Bereich Geschäftsessen ist fast komplett weggefallen. Es kommt hinzu, dass vor allem junge Erwachsene bis 29 Jahre immer weniger Bier trinken.
Sind weitere Veränderungen bei Carlsberg geplant?
Burgard: Natürlich feilen wir immer wieder an unserer Gruppenstrategie: Neben der Effizienz und der Steigerung der Wettbewerbsfähigkeit gehören dazu die Konzentration auf unsere fünf starken Marken Carlsberg, Holsten Pilsener, Astra, Duckstein und Lübz, die wir auch national bewerben, sowie unsere regionalen Spezialitäten wie etwa Holsten Edel. Wir suchen einen Partner für unsere Dresdner Brauerei, um diese besser auszulasten. Zudem wollen wir regionale Spezialitäten wie Feldschlößchen, Lüneburger Pilsener, Moravia und Grenzquell verkaufen.
Warum?
Burgard: Um uns noch besser auf unsere starken Marken konzentrieren zu können.
Wäre es nicht sinnvoller, sich auf wenige große europäische Brauereistandorte zu konzentrieren?
Burgard: Bier braucht eine Heimat. Trotz der nationalen Marken, zu denen auch Carlsberg gehört, ist der Biermarkt noch sehr fragmentiert. Von den rund 1300 Brauereien bundesweit sind rund 1100 lokale Handwerksbetriebe. Nur etwa 200 haben eine überregionale Bedeutung. Von diesen 200 machen die Top zehn, zu denen auch Carlsberg gehört, 75 Prozent des Geschäfts. Dennoch schwören genug Kunden auf ihre regionale Biermarke. Was glauben Sie, würde passieren, wenn wir Astra nicht mehr in Hamburg brauen würden?
Die Bahn will ihren Fernbahnhof von Altona nach Diebsteich verlegen. Sollte es dann zu Wohnbebauung in Altona kommen, müsste Carlsberg seinen jetzigen Brauereistandort in Altona wohl aufgeben. Es wird bereits über einen Umzug nach Lübz, wo sie ebenfalls eine Brauerei haben, geredet.
Burgard: Das sind Spekulationen, über die wir uns natürlich ärgern, weil sie für Unruhe sorgen. Sicher, die Bahn hat - nachdem sie vor noch nicht allzu langer Zeit den Bahnhof Altona für 50 Millionen Euro modernisiert hat - nun die Verlagerung des Fernverkehrs zum Diebsteich hin angekündigt - auf einer sehr langen Zeitschiene.
Also doch keine Spekulationen.
Burgard: Noch weiß keiner, wann die Bahn ihr Vorhaben umsetzt und wie dann die neue Trasse für den Fernverkehr verlaufen wird. Erst danach kann ein Bebauungsplan für das frei werdende Bahngelände verabschiedet werden. Ich nehme an, dass ich das nicht mehr erleben werde.
Wann werden Sie die Brauerei verlagern?
Burgard: Derzeit gar nicht. Inzwischen wissen wir nur, dass wir zwei Grundstücke von 45 000 und 1500 Quadratmetern, die für unseren Betrieb nicht notwendig sind, nicht verkaufen können. Denn jeder mögliche Investor kauft erst, wenn er den Bebauungsplan kennt. Was mit unserem eigentlichen Betriebsgelände mit 90 000 bis 100 000 Quadratmeter Fläche geschieht, können wir erst sagen, wenn wir die Bahn-Pläne genauer kennen.
Wird Carlsberg trotz der derzeitigen Situation weiter in Hamburg investieren?
Burgard: Natürlich, aber wenn jetzt eine sehr hohe Ausgabe, etwa für ein neues Sudhaus, anstehen würde, müssten wir schon genau darüber nachdenken.
Die Privatbahn Metronom hat jüngst Alkohol in ihren Zügen verboten. Was empfinden Sie, wenn Ihnen in der U-Bahn ein Mensch mit einer offenen Flasche Bier gegenübersitzt?
Burgard: Wenn es die erste Flasche ist, die er oder sie an diesem Tag trinkt, denke ich etwas anderes, als wenn es die achte ist. Doch auch in diesem Beispiel lässt sich das Problem nicht aufs Bier reduzieren. Es handelt sich darum, dass eine kleine Gruppe Alkoholmissbrauch ausübt.