Die Preise für Rohöl waren 2008 außer Rand und Band: Auf den historischen Höchststand folgte innerhalb weniger Monate ein rapider Preisverfall. Die ehemals verwöhnten Förderstaaten sind unter Druck geraten. Ein Rückblick auf ein turbulentes Jahr.

Hamburg. Schon am ersten Handelstag des Öl-Jahres 2008 wurde vielen Händlern klar: Interessante zwölf Monate kommen auf die Branche zu. Der Preis für ein Barrel (159 Liter) Rohöl schnellte am 2. Januar an der New Yorker Rohstoffbörse für kurze Zeit auf 100 Dollar. Zum ersten Mal in der Geschichte wurde ein dreistelliger Preis für den wichtigsten Rohstoff der Weltwirtschaft gezahlt. Und das war erst der Beginn der Preisrallye. Wer damals einen Barrel-Preis von rund 40 Dollar zum Jahresende vorgesagt hätte, wäre ausgelacht worden.

Schon 2007 war der Ölpreis um 57 Prozent gestiegen: Der Boom in China und anderen Ländern sorgte für kräftigen Öldurst, die Förderländer produzierten am Limit, geopolitische Sorgen kamen dazu - Spannungen zwischen dem Westen und dem Groß-Förderer Iran, Unruhen und Attentate im ölreichen Irak, Rebellenangriffe auf Pumpanlagen in Nigeria. Außerdem drängten Spekulanten ins Ölgeschäft.

So ging es auch 2008 erst einmal weiter. Der fallende Dollar kam als Preistreiber dazu, weil Investoren Geld in wertbeständigeres Öl umschichteten. Von Monat zu Monat wurde Öl teurer. Bis Juli: Mitte des Monats stieg der Preis auf einen Rekord von 147 Dollar. Die Weltwirtschaft und die Endverbraucher stöhnten über die hohe Belastung.

Ins Kippen kam das Ölpreisgefüge nicht wegen der hohen Aufschläge im ersten Halbjahr, sondern wegen der Finanzkrise. In Geldnot geratene Investoren zogen Anlagen aus Rohstoffen ab, und die Bankenprobleme schwappten ins echte Leben: weniger Hausbauten in den USA, weniger Kredite für Firmen und Konsumenten.

Was in der zweiten Jahreshälfte daraus folgte, war ein Preiszusammenbruch des Ölmarktes, wie ihn die Welt noch nicht gesehen hatte. Der Preis fiel um mehr als 100 Dollar, im Dezember wurden zeitweise keine 40 Dollar pro Barrel mehr erzielt.

Opec-Mitglieder sind nicht konsequent genug

Die Ölproduzenten waren von der Entwicklung geschockt und überfordert: Bis zum Sommer hatten die Rekordpreise ihnen luxuriöse Haushaltsbudgets beschert. Venezuela konnte sich als Wohltäter Südamerikas betätigen, Russland fand über seine Energiequellen zu alter Stärke zurücke, die Golf-Länder investierten Milliarden in neue Geschäftsfelder wie Fluglinien.

Jetzt stehen praktisch alle Förderstaaten unter Druck: "Bei den niedrigen Preisen haben viele Opec-Staaten Schwierigkeiten, ihre Haushalte auszugleichen. Venezuela wird einen Preis um 90 Dollar brauchen, Iran und Katar braucht um 100 Dollar, Russland wird 75 Dollar brauchen, Saudi-Arabien muss mindestens 50 Dollar haben. Die Summe von 50 Dollar ist für viele Ölförderländer zu niedrig", sagt der Chef des größten deutschen Mineralölkonzerns BP/Aral, Uwe Franke.

Die 13 Länder des Opec-Kartells fördern rund 40 Prozent der weltweiten Ölproduktion, sie haben den größten Einfluss auf die Preise. Im Herbst hatte die Opec die Produktion zwei Mal gesenkt, konnte damit aber den Preisverfall nicht stoppen. Kenner des Kartells wissen, dass die Opec-Mitglieder oft nicht die nötige Disziplin aufbringen, sich an beschlossene Kürzungen zu halten. Immer wieder haben einzelne Mitglieder aus Geldnot mehr Öl gefördert und verkauft, als ihnen nach dem Opec-Schlüssel zusteht.

Vergangene Woche ging die Opec dann den großen Schritt: Um 2,2 Millionen Barrel oder fast 10 Prozent am Tag soll die Produktion am 1. Januar fallen. Es handelt sich um den größten einzelnen Schnitt in der Opec-Geschichte. Auch Nicht-Opec-Länder wie Russland und Aserbaidschan wollen die Produktion zurückfahren.

Ölkenner wie Karin Retzlaff vom deutschen Mineralölwirtschaftsverband erinnern aber daran, dass immer noch große Mengen nicht nachgefragtes Rohöl in Tankern auf See oder an Land lagern. Diese Bestände können dafür sorgen, dass die Ölmärkte noch für Wochen gut versorgt bleiben, auch wenn die Opec die Produktion zurückfährt. Ob angesichts der Rezession die Ölnachfrage schneller zurückgeht als die OPEC kürzt, bleibt offen. Bisher ist der Opec die Preiswende nach oben nicht gelungen.