Was Rohstoff-Investoren beruhigen dürfte, wird Autofahrer wohl enttäuschen: Der rasante Preissturz bei Rohöl kommt nach Einschätzung von Experten zum Stillstand.

Frankfurt. "Wir haben den Boden erreicht, deshalb sehe ich den Ölpreis bis zum Jahresende in einer Spanne von 50 bis 60 Dollar", sagte Analystin Ingrid Angermann von der Dresdner Bank. Und bald schon könnte es nach Einschätzung von Analysten wieder in Richtung von 80 Dollar pro Fass nach oben gehen. Trotz der weltweiten Wirtschaftsflaute deuten Prognosen auf einen leicht steigenden Ölverbrauch hin - bei sinkendem Angebot.

Im Juli erreichte der Preis für ein Fass der in den USA richtungsweisenden Sorte WTI ein Allzeithoch von 147 Dollar. Seither ist die Notierung um rund 60 Prozent auf Notierungen um 57 Dollar abgerutscht. Für Experten ist inzwischen ausgemachte Sache, dass der Ölpreis von Spekulanten in die Höhe getrieben worden war. "Die mehr als 140 Dollar pro Fass waren eine Übertreibung. Am Rohstoffmarkt gab es eine der letzten Blasen", sagte Angermann. Diese sei mit der Verschärfung der Finanzkrise im Spätsommer geplatzt. "Nach einer Übertreibung nach oben gibt es nun ein Unterschießen des Marktes", heißt es in einem Marktkommentar der Commerzbank. Analyst Kevin Norrish von Barclays Capital hält deshalb einen kurzfristigen Rutsch bis auf 40 oder gar 35 Dollar je Fass für möglich. "Je tiefer der Preis fällt, desto mehr wird der Markt aus dem Gleichgewicht gebracht", erklärte der Experte.

Doch die Freude der Konsumenten und der Industrie über fallende Ölpreise dürfte nicht lange anhalten. "Fundamental spricht alles für wieder steigende Preise. Die Schere von Angebot und Nachfrage geht weiter auf, und die Nachfrage in China steigt weiter", sagte LBBW-Rohstoffanalyst Frank Schallenberger. Die Internationale Energieagentur (IEA) hatte zwar kürzlich ihre Wachstumsprognose für den Ölverbrauch deutlich zusammengestrichen. Dennoch rechnet die Organisation damit, dass der tägliche Verbrauch im kommenden leicht auf durchschnittlich 86,5 Millionen Barrel von 86,2 Millionen Fass in diesem Jahr steigen wird. Damit kann nach Schallenbergers Angaben die Produktion nicht mithalten.

"Im Moment werden jeden Tag 80 bis 85 Millionen Barrel gefördert." Das Angebot könnte sich zusätzlich verknappen, wenn die Opec ihre Produktion weiter drosselt. Zudem seien viele neue Förderprojekte etwa in der Tiefsee vor Brasilien beim derzeitigen Preisniveau nicht rentabel, argumentiert Schallenberger. Vor diesem Hintergrund sieht er den Ölpreis schon bald wieder in den Bereich von 75 bis 85 Dollar steigen. Die Barclays-Experten erwarten noch im vierten Quartal einen Preis von knapp 78 Dollar. Für das kommende Jahr gehen sie von mehr als 105 Dollar je Fass aus.