Der bodenständige Familienvater fährt gerne Traktor, besitzt ein Gasthaus und bekommt Lob vom eigenen Betriebsrat.

Hamburg. Was macht der Mann bloß mit so viel Geld? Rund 70 Millionen Euro dürfte Porsche-Chef Wendelin Wiedeking in diesem Jahr verdienen. Dabei führt der gebürtig aus dem Münsterland stammende Westfale ein erstaunlich schwäbisches Leben. Lieber trinkt er ein gepflegtes Bier zum Steak oder Schmorbraten, als am Champagner zu nippen. Der 56-Jährige entspannt sich, indem er sein "Äggerle" in Bietigheim-Bissingen mit seinem feuerroten Oldtimer-Trecker von Porsche umpflügt und Kartoffeln erntet, statt mit einer Yacht durch die Karibik zu segeln.

Entsprechend steht der Vater von zwei erwachsenen Kindern bei den Beschäftigten in dem Ruf, ein "rundherum verschwendungsfreies Leben" zu führen, heißt es aus dem Unternehmen. Sogar Betriebsratschef Uwe Hück hat nichts gegen das Topgehalt des Vorstandschefs: "Wir hatten schon einmal sehr günstige Vorstände. Die waren so günstig, dass wir fast pleite gegangen wären", sagte Hück im vergangenen Jahr, als Wiedeking ebenfalls die Liste der deutschen Topverdiener anführte. Der Gewerkschafter spielte darauf an, dass die Stuttgarter in den 90er-Jahren vor Wiedekings Antritt praktisch vor dem Aus standen und es in ganz erheblichem Maße dem Mann mit der Nickelbrille zu verdanken ist, dass der Konzern überlebte.

Im vergangenen Jahr bekam Wiedeking für seine Leistungen angeblich 60, jetzt dürften es geschätzte 70 Millionen Euro sein. Der Sportwagenbauer schweigt sich über das genaue Einkommen des Chefs aus und nennt nur die Bezahlung des gesamten Vorstands - 143,5 Millionen Euro. Gut die Hälfte davon verdient üblicherweise der Vorstandsvorsitzende. Die Einkommen ergeben sich aus dem Grundgehalt und einem variablen Anteil, der an den Konzerngewinn gekoppelt ist. Dieser lag bei 8,56 Milliarden Euro und war nur deshalb so hoch - sogar höher als der Umsatz - weil Porsche mit den Spekulationen um VW-Aktien gut sechs Milliarden Euro verdiente.

Zur besseren Einordnung des 70-Millionen-Einkommens für Normalverdiener, die wegen steigender Stromrechnungen fluchen oder angesichts von Tankfüllungen für 60 Euro aufs Fahrrad umsteigen: Weltweit hat Porsche im vergangenen Jahr 98 652 Autos verkauft. Damit hätten die Vorstände theoretisch an jedem Auto 1464 Euro eingestrichen. Im Vergleich zu den Mitarbeitern in der Fabrik wiederum bekommt Wiedeking rund 23 000-mal so viel überwiesen wie der durchschnittliche Beschäftigte in der Sportwagenschmiede von Zuffenhausen.

Eine Relation, die Wirtschaftswissenschaftler und Politiker gestern kritisierten: "Die Hierarchie im Unternehmen sollte nicht so weit aufgefächert sein", monierte Karl-Werner Hansmann, Betriebswirtschaftsprofessor an der Universität Hamburg, gegenüber dem Abendblatt. Sonst wachse die Unzufriedenheit im Konzern, aber auch die Kritik der Gesellschaft an der sozialen Marktwirtschaft hierzulande. "Das begünstigt revolutionäre Tendenzen." Zudem sei es falsch, einen Anreiz zu kurzfristigen Spekulationsgewinnen zu geben. Bei Porsche habe sich mit den Spekulationen um VW das Geschäft des Unternehmens von der Realwirtschaft zur Finanzwirtschaft verlagert. Durch diesen Mechanismus sei schließlich auch die Finanzmarktkrise entstanden. "Hier muss der Staat Regeln setzen", so Hansmann. "Schlicht nicht angemessen", nannte der Sozialexperte der CDU im Bundestag, Willi Zylajew, im "Tagesspiegel" Wiedekings Gehalt. Klaus Ernst, Vizechef der Linkspartei, kritisierte die Summe als "uferlos".

Der Gescholtene selbst spricht nicht gerne über das Thema, beendet Spekulationen um sein Salär rascher als ein Porsche beschleunigt. Zugleich freut er sich begeisterungsfähig wie ein Kind über den jüngsten Coup, der ihm und nicht zuletzt auch seinem Finanzvorstand Holger Härter bei der Übernahme von VW gelungen ist. Über das Jonglieren mit modernsten Finanzmarktinstrumenten, die sonst nur Hedgefonds einsetzen.

Schon in seiner Jugend hat Wiedeking mit Einfallsreichtum sein Geld gemehrt. Er gründete während seines Maschinenbaustudiums in Aachen eine Immobilienfirma und eine Versicherungsagentur. Um das Überleben seiner Lieblingsschuhmarke zu sichern, beteiligte er sich mit 30 Prozent an der Schuhmanufaktur Heinrich Dinkelacker in Budapest. Der Automann hilft aber auch: Gerade gründete er zwei private Stiftungen und stattete diese mit je fünf Millionen Euro aus seinem privaten Vermögen aus. Mit dem Geld sollen bedürftige Familien, Kinder und Jugendliche unterstützt werden, in dem Dorf bei Stuttgart, wo Wiedeking wohnt, und in seiner alten Heimat Beckum. Aus alter Verbundenheit kaufte er dort auch das Gasthaus "Pulverschoppen", wo es mittwochs "schon für 7,90 Euro ein leckeres Schnitzel mit Beilage und Salat" gibt. Auch dieses Angebot macht es Multimillionär Wiedeking wirklich nicht leicht, sein Geld auszugeben.