Opel steckt in einer sehr tiefen Krise: Die Probleme auf dem Finanzmarkt und beim Mutterkonzern General Motors haben dem Unternehmen zu schaffen gemacht. Wenige Tage nach einem Hilferuf an Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) beantragte der Autokonzern nun eine rettende Staatsbürgschaft.

Rüsselsheim/Berlin. Nach dem dicken Verlust von rund 780 Millionen Euro im dritten Quartal steht die Traditionsmarke mit dem Blitz mit dem Rücken zur Wand. Opel-Chef Hans Demant war am Freitag bemüht, Liquiditätsprobleme zu dementieren: "Wir sind noch zahlungsfähig und bleiben zahlungsfähig."

Opel betont, die Bürgschaften würden nur für den "theoretischen" Fall benötigt, dass wegen der Krise beim Mutterkonzern General Motors (GM) "die Finanzströme aus den USA nicht mehr weiterlaufen". In Branchenkreisen heißt es aber auch, der Autobauer habe in seinen Bürgschafts-Verhandlungen mit der Bundesregierung und mehreren Bundesländern mitgeteilt, im nächsten Jahr etwa eine Milliarde Euro frisches Kapital zu benötigen.

Der Auto-Experte Ferdinand Dudenhöffer fürchtet schon um das Überleben des Herstellers mit seinen 25 677 Mitarbeitern in den Werken Rüsselsheim, Bochum, Eisenach und Kaiserslautern. "Ohne die Bürgschaft geht Opel in Konkurs", sagte er. Wenn Opel nicht mehr zahlt, würden die Zulieferer nicht mehr liefern und die Händler bekämen keine Autos mehr.

Experten erwarten, dass weitere Autohersteller mit dem Ruf nach dem Staat folgen werden - allein schon aus Wettbewerbsgründen. Denn die Banken geben der unter dem Absatzeinbruch leidenden Autoindustrie kaum noch Kredite. Nach dem Hilfspaket für die Banken von 500 Milliarden Euro soll der Staat nun den Autobauern unter die Arme greifen. Bereits am Donnerstag hatten die Bundestagsfraktionen ein Konjunkturpaket der Bundesregierung gebilligt. Danach entfällt bis Ende Juni 2009 beim Kauf von Neuwagen die Kfz-Steuer. Der Industrie reicht das nicht: Der VDA fordert zusätzlich von der staatlichen KfW Bankengruppe zinsgünstige Kredite für Neuwagenkäufer.

Staatliche Hilfen hält das Kieler Institut für Krisenforschung für falsch. "Das wäre eine unsinnige Reaktion auf einen normalen konjunkturellen Abschwung", sagt der Leiter und Volkswirt Frank Roselieb. Manche Volkswirte plädieren für eine Bereinigung des Marktes und sprechen sich dafür aus, dass Konzerne wie General Motors (GM) geordnet in die Insolvenz begleitet werden sollten. "Der Ruf nach staatlicher Absicherung ist vollkommen legitim, da das Finanzsystem seine Aufgabe nicht mehr leistet", sagt dagegen Christoph Stürmer vom Prognoseinstitut Global Insight. "Um durch die Krise zu kommen, muss Opel sich mit Liquidität vollpumpen."

Es ist eine Kettenreaktion: Die Pleitegerüchte um GM wollen einfach nicht verstummen. Der Kreditversicherer Euler Hermes beendete vor kurzem den Versicherungsschutz für Lieferanten von GM und Ford. Die Deutsche Bank strich am Montag das Kursziel für die GM-Aktie komplett auf Null und schickte die Aktie auf Talfahrt. Die Finanzkrise verschärft die hausgemachten Probleme der Autoindustrie. Insbesondere GM hat mit Management-Fehlern und einer falschen Modellpolitik drastisch Marktanteile verloren und Geld verbrannt. Die deutsche Autoindustrie hat laut Kritikern die Umweltfrage verschlafen und die Entwicklung von Modellen mit geringem Schadstoffausstoß vernachlässigt.

Dabei ist die Situation paradox: Die meisten Experten halten Opel für gesund und mit interessanten Modellen gut aufgestellt. Der Verlust im dritten Quartal wurde zum Teil von der Mutter GM nach Europa geschoben. Die Lage bei Opel ist nun aber dramatischer als 2005, als GM nach jahrelangen Verlusten in Europa 9000 Stellen strich. GM verhandelt derzeit mit dem Betriebsrat über ein Sparprogramm von 750 Millionen Euro und eine Nullrunde.

Die Kreditklemme der Autohersteller bedroht nach Einschätzung des Automobilverbandes VDA auch massiv die Zulieferindustrie. "Es kann nicht sein, dass Arbeitsplätze gefährdet sind, nur weil einzelne Banken plötzlich auf die Kreditbremse treten", warnte VDA-Präsident Matthias Wissman. Die Autobranche ist eine Schlüsselindustrie mit rund 758 000 Mitarbeitern. Als erster größerer Zulieferer ist bereits das Unternehmen Gimotive/Stankiewicz bei Celle mit 1300 Jobs von der Insolvenz bedroht.

Ob die Bürgschaft von mindestens 200 Millionen Euro für Opel ausreicht, weiß niemand. Experten bezweifeln, ob das Geld auch wirklich dort landet, wo es gebraucht wird. "Es besteht die Vermutung, dass das Geld sofort über den großen Teich fließt und in Detroit verschwindet", sagt der Leiter des Instituts für Wirtschaftsanalyse und Kommunikation, Helmut Becker. Opel dementiert dies: "Eventuell benötigte Mittel und Bürgschaften würden für Investitionen in Produktentwicklung und Fertigungsanlagen in den deutschen Werken eingesetzt und keinesfalls außerhalb Europas genutzt werden", schreibt der Rüsselsheimer Autobauer.