Aber es gibt auch Kritik. Ökonom Michael Hüther fordert nun den Solidaritätszuschlag abzuschaffen und den Gesundheitsfonds aufzuschieben.

Hamburg. Der Ruf nach Steuersenkungen zur Eindämmung der Finanzmarktkrise wird immer lauter. Der jüngste Vorschlag von HWWI-Direktor Thomas Straubhaar im Abendblatt, allen 40 Millionen Steuerzahlern noch im November und Dezember je 100 Euro als Barscheck auszuzahlen, stößt bundesweit auf breite Resonanz. Die Maßnahme würde den Staat rund acht Milliarden Euro kosten und soll vor allem den Konsum im Weihnachtsgeschäft ankurbeln. "Wir müssen jetzt die Konjunktur stützen, damit wir nicht in eine Deflation abgleiten", warnte der Chef des Hamburgischen WeltWirtschaftsInstituts (HWWI) eindringlich: "Die Schecks könnten schon mit den neuen Lohnsteuerkarten verschickt werden."

Der Hamburger Einzelhandelsverband begrüßte den Vorschlag des HWWI-Chefs: "Die Schecks könnten der Branche in der Hansestadt im vierten Quartal ein Umsatzplus von 2,5 Prozent bescheren. Denn von den 200 Euro geben die Menschen geschätzt rund 30 Prozent im Einzelhandel wieder aus", sagte Verbandsgeschäftsführer Ulf Kalkmann. Dieses Plus könnte die gebeutelte Branche gut gebrauchen. "Wir würden uns derzeit schon freuen, wenn wir im vierten Quartal den Umsatz vom Vorjahr mit 2,3 Milliarden Euro halten könnten", sagt Kalkmann. Auch das gewerkschaftsnahe Böckler-Institut hält Barschecks für ein gutes Instrument, die Konjunktur anzukurbeln. "Um die Finanzkrise zu überwinden, sind jetzt zwei Komponenten wichtig: Zum einen ist ein Rettungspaket für die Finanzmärkte erforderlich und zum anderen ein Konjunkturprogramm. Beide Maßnahmen verstärken sich wechselseitig", sagte der Direktor des Instituts für Makroökonomie und Konjunkturforschung (IMK), Gustav A. Horn. Das Konjunkturprogramm könnte über Barschecks oder Steuersenkungen erfolgen. "Allerdings besteht bei beiden Varianten die Gefahr, dass ein Teil nicht für den Konsum verwendet wird, sondern auf dem Sparbuch landet", gab Horn zu bedenken. Die wirkungsvollste Möglichkeit für ein Konjunkturprogramm sieht Horn in "mehr staatlichen Investitionen. Dieses Medikament wirkt am unmittelbarsten, ohne große Sickerungsverluste. Es erhält Arbeitsplätze und schafft neue."

Bundeswirtschaftsminister Michael Glos (CSU) stellte gestern ebenfalls massive Steuerentlastungen für 2009 in Aussicht. So sollen Krankenversicherungsbeiträge schon vom nächsten Jahr an in voller Höhe von neun Milliarden Euro absetzbar sein. Ob die Bürger auch Barschecks zur Entlastung erhalten, dazu wollte sich Glos nicht äußern.

Auch der Direktor des arbeitgebernahen Instituts der deutschen Wirtschaft (IW), Michael Hüther, plädiert für Steuersenkungen, sieht Barschecks aber eher kritisch. "Einmalmaßnahmen zeigen keinen nachhaltigen Effekt. Sie verpuffen wie Strohfeuer und kosten trotzdem viel Geld." Dennoch plädiert der Volkswirt für baldige Entlastungen: "Die Bürger sollten durch die Abschaffung des Solidaritätszuschlags dauerhaft entlastet werden. Außerdem sollte die Einführung des Gesundheitsfonds um mindestens ein Jahr verschoben werden, damit die Bürger die für das Jahr 2009 geplante Absenkung der Arbeitslosenversicherung von 3,3 auf 2,8 Prozent auch als tatsächliches Plus im Portemonnaie spüren." Die Abschaffung des Solidaritätszuschlages würde die Steuerzahler - und zwar Arbeitgeber und Arbeitnehmer - um 5,5 Milliarden Euro entlasten, rechnete Hüther vor. "Der Vorteil des Pakets ist, dass es schnell und nachhaltig für Entlastung sorgt und vertrauensbildend wirkt." Der Gründer der Drogeriekette dm, Götz Werner, nennt Barschecks "Almosengesten". "Sie bringen uns nicht weiter", sagt der Unternehmer. "Wir müssen endlich allen Bürgern eine Teilhabe an der volkswirtschaftlichen Leistung gewähren, die sie in die Lage versetzt, aus einer sozialen Sicherheit heraus - und nicht aufgrund von Druck oder Bedrohung - ihre Fähigkeiten aktiv in die Gesellschaft einbringen zu können."

Die Barschecks müssten laut Straubhaar nicht aus zusätzlichen Bundesmitteln entnommen werden. "Es handelt sich vielmehr um eine Rückerstattung eines Teils der Steuereinnahmen, die der Staat durch Lohnerhöhungen zusätzlich eingenommen hat", so Straubhaar.

Deshalb sollen die Schecks auch nur Steuerzahler erhalten und nicht Rentner und Hartz-IV-Empfänger: "Es handelt sich um eine konjunkturpolitische Maßnahme und nicht um eine sozialpolitische. Auch die Mittel für die Rettungspakete für die Banken werden nur von den Steuerzahlern getragen und nicht von Leistungsbeziehern."