München. Mode ist vergänglich. Das gilt auch für Unternehmen, die damit ihre Geschäfte machen und den Geschmack der Kundschaft nicht mehr treffen. Auf diesem schicksalhaften Weg torkelte jahrelang die Münchner Luxusmodefirma Escada über den Laufsteg und drohte, am Ende vollends abzustürzen. "Wie man mit so einer Marke so wenig Geld verdienen kann, ist mir ein Rätsel", sagt ein Branchenkenner und spricht damit aus, was viele denken. Das Schlimmste ist nun mit dem Einstieg der Hamburger Tchibo-Eigentümer Herz, einer Kapitalspritze und dem neuen Management verhindert. Gelöst sind die Probleme damit aber aus Expertensicht noch nicht.
Begonnen haben sie genau genommen 1992. Damals starb Firmenmitgründerin Margaretha Ley, die Escada nach einem irischen Vollblutpferd benannt und mit ihrem Mann Wolfgang Ley 1978 gegründet hat. Sie galt als die treibende Kreativkraft mit einem Gespür für betuchte weibliche Kundschaft. Der chronologisch gesehen erste Tiefschlag für Escada war allerdings der Börsengang 1986, auch wenn sich damals begangene Sünden erst später auswirkten. "Der Schritt an die Börse war ein Fehler", bekannte Ley 2006 bei seinem Ausscheiden aus dem Management. Mit der Marke Escada allein seien deren Wachstumserwartungen nicht zu erfüllen gewesen und so hätten die Emissionsbanken zu einer Diversifikation mit Zweitmarken gedrängt. Diese Strategie ist grandios gescheitert, "weil wir es vom Management her nicht bewältigt haben", gestand Ley. Escada leidet darunter noch heute. Die Überreste der Fehlentwicklung sind im Zweitkonzern Primera gebündelt, der längst verkauft sein sollte, aber immer noch belastet. Dieses Jahr drohen - angeblich wegen Primera - erneut rote Zahlen und ein Zehntel weniger Umsatz auf noch gut 600 Millionen Euro.
Vor zwei Jahren begann dann die endgültige Talfahrt. Auf Ley folgte Frank Rheinboldt an der Spitze. Er wollte Escada auf eine Stufe mit Chanel oder Dior bringen. Nötig sei dazu der Wandel von einer "gründerorientierten zur managementgeprägten Firmenkultur". Starke Worte, die dem scheidenden Ley kein gutes Zeugnis ausstellten. 18 Monate später war Rheinboldt durch Jean-Marc Loubier ersetzt, weil Großaktionär Rustam Aksenenko das Sagen übernommen hatte. Dessen Geduld gilt allgemein als sehr begrenzt.
Erkannt hatte die Schwachstellen aber auch Rheinboldt. Während sich die Konkurrenz mit Accessoires wie Handtaschen, Gürteln und Schuhen eine goldene Nase verdient, spielen diese Gewinnquellen bei Escada kaum eine Rolle. Das Design der Escada-Shops stammte 2006 noch aus den 80er-Jahren und auch sonst war im Haus einiges verstaubt. Mit goldenen Knöpfen, fester Bestandteil des Escada-Markenbilds, sei heute niemand mehr zu locken, warnten Kritiker. Dazu kamen die immer noch nicht bereinigten Altlasten diverser Zweit- und Drittmarken. An Loubier war es, die nötigen Korrekturen in die Tat umzusetzen. Er scheiterte, auch weil er es sich mit seiner selbstgerechten Art rasch mit weiten Teilen der Escada-Mannschaft verdorben hatte. Das eine Jahr, das er bis zu seinem Ausscheiden Anfang Juli an der Spitze von Escada verbracht haben wird, reiche für eine Trendwende zudem nicht, gestehen auch seine Kritiker ein. Hält sich der neue Escada-Boss Bruno Sälzer länger als seine Vorgänger, habe er gute Chancen auf eine Trendwende, schätzen Branchenkenner.
Im globalen Maßstab geht es der Luxusbranche nicht gerade schlecht. Binnen eines Jahrzehnts habe sich ihr Weltumsatz auf 160 Milliarden Euro fast verdoppelt, rechnen Unternehmensberater von Bain & Company vor. Die heimische Modeindustrie erwartet 2008 knapp sechs Prozent mehr Erlös. Deutsche Modefirmen wie Gerry Weber melden Rekordergebnisse. Auf Gegenwind stößt die nötige Escada-Sanierung also nicht. Gerade der Vergleich mit Gerry Weber zeigt die Potenziale. Obwohl der westfälische Modekonzern immer noch weniger umsetzt als die Münchner, ist Escada mit 250 Millionen Euro an der Börse nur noch halb so viel wert.
Über Nacht sei in der Mode, wo Kollektionen minimal neun Monate Vorlaufzeit haben, die Trendwende aber nicht zu erreichen, warnt eine Stimme aus dem Unternehmen. Die Führungsschwäche der letzten Jahre sei mit Sälzer zwar vorbei. Aber auch er brauche ein bis zwei Jahre, um Sichtbares bewegen zu können. Ein Vorbild für den früheren Vorstandsvorsitzenden von Hugo Boss könnte der Sportartikler Puma sein, der vor einigen Jahren ebenfalls im Tal war, mit Mode und Lifestyle aber heute an der Spitze marschiere. Klar sei aber auch, dass Sälzer die letzte Hoffnung für Escada ist. "Klappt auch das nicht, verschwinden wir unter dem Dach eines Großkonzerns und mit der Eigenständigkeit ist es vorbei", weiß man bei den Münchnern.