Hamburger Internet-Lottoanbieter kritisiert neuen Staatsvertrag. Unternehmen würden schikaniert. Manager ist über fehlende Unterstützung durch den Senat der Hansestadt enttäuscht.

ABENDBLATT: Hat Ihnen der Megajackpot Kunden beschert?

JENS SCHUMANN: Ja, wir hatten dadurch ein höheres Kundenaufkommen. Megajackpots bringen aber auch langfristig etwas. Zu diesem Anlass werden viele auf das Lottospielen im Internet aufmerksam. Viele bleiben dann bei Tipp24, weil Internet-Lotto bequemer ist und zum Beispiel den Vorteil der sofortigen Gewinnbenachrichtigung und Gutschrift bringt. In stationären Annahmestellen wird dagegen jeder dritte Kleingewinn nicht abgeholt. Mehr spielen die Kunden jedoch nach dem Jackpot nicht, sie nutzen nur einen anderen Weg.

ABENDBLATT: Also macht Lottospielen nicht süchtig?

SCHUMANN: Uns und den Ländern liegen Studien vor, die zu diesem Ergebnis kommen. 80 Prozent der Spielsüchtigen spielen an Automaten, zehn Prozent im Casino, fünf Prozent bei Wetten, Lotto kommt erst viel weiter hinten.

ABENDBLATT: Aber der am 1. Januar in Kraft getretene Staatsvertrag legt etwas anderes nahe. . .

SCHUMANN: Dieser Glücksspielstaatsvertrag hat den Suchtsachverhalt auf den Kopf gestellt. Wenn Lotto wirklich süchtig machen würde, könnte man Spielsucht im Internet sogar eher kontrollieren. Dort müssen sich die Kunden registrieren und es sind Einsatzlimits möglich, bei Annahmestellen merkt niemand, wer wie oft spielt.

ABENDBLATT: Inwieweit trifft der Staatsvertrag Tipp24?

SCHUMANN: Die Behörden wollen nicht die Spielsucht bekämpfen, sondern vermeintliche Konkurrenz ausschalten. Private Unternehmen werden mit dem Gesetz schikaniert und staatlich begünstigt. Bisher war Lotto für uns genehmigungsfrei, jetzt müssen wir in allen 16 Ländern einzeln Genehmigungen einholen. Darauf gibt es keinen Rechtsanspruch, selbst wenn alle Kriterien erfüllt sind. Einige Landeslotterien dürfen zudem keine Provision mehr an private Spielvermittler auszahlen. Außerdem wurde Werbung im Fernsehen und Internet verboten - nicht jedoch für Print und Radio, wo die Landeslotterien werben.

ABENDBLATT: Wie gehen Sie denn gegen dieses Gesetz vor?

SCHUMANN: Wir bereiten Klagen vor. Ansonsten machen wir mit kleinen Einschränkungen so weiter wie bisher. Oddset dürfen wir zum Beispiel nicht mehr anbieten. Damit schneidet sich der Staat ins eigene Fleisch. Denn jetzt wird sich Bwin freuen.

ABENDBLATT: Bwin darf weiter Sportwetten im Internet anbieten, wie kann das sein?

SCHUMANN: Das Unternehmen klagt seit einem Jahr und hat in vielen Ländern gewonnen. Da würde ich an ihrer Stelle auch weitermachen. Die Rechtslage ist sehr unübersichtlich. Und selbst wenn sie in Deutschland keine Sportwetten mehr anbieten dürften, würden sie alle Nutzer auf Bwin.com umleiten, das kann man nicht abschalten.

ABENDBLATT: Wie will der Staat denn das Glücksspielverbot im Internet ab 2009 durchsetzen?

SCHUMANN: Der TÜV Rheinland hat es bereits deutlich gemacht: Technisch ist es nicht möglich, Wetten im Internet - insbesondere im Ausland - zu unterbinden. Auch die Idee, den Zahlungsverkehr lahmzulegen, ist nicht praktikabel. Bei mehreren Milliarden Überweisungen jährlich können die Banken nicht immer überprüfen, wann das Geld an Internet-Wettvermittler geht.

ABENDBLATT: Werden 2009 inländische Anbieter benachteiligt?

SCHUMANN: Natürlich. Ausländische Firmen freuen sich bereits. Denn wenn in einigen Jahren der Vertrag kippt, können ausländische Unternehmen den Markt übernehmen. Deutsche Internetanbieter werden bis dahin kaputt gemacht und auch die Landeslotterien werden Einbußen haben. Ausgerechnet dem in Hamburg ansässigen europäischen Marktführer Tipp24 soll die Tätigkeit untersagt werden. Da bin ich auch enttäuscht über die mangelnde Unterstützung vom Senat.

ABENDBLATT: Und was macht Tipp24, wenn das Gesetz 2009 Internetwetten verbietet?

SCHUMANN: Dazu wird es nicht kommen, davon bin ich überzeugt. Der Staatsvertrag wird 2008 nicht überleben.

ABENDBLATT: Wie weit sind Sie vom deutschen Markt abhängig?

SCHUMANN: Sehr. 2006 haben wir hier 90 Prozent des Umsatzes gemacht und der Wert hat sich 2007 nicht deutlich verändert. Doch wir werden international stärker, die spanische Tochter wächst und gerade haben wir in Großbritannien eine Firma gegründet.

ABENDBLATT: Was bedeutet der Einstieg der Günther Holding Ende Oktober für Tipp24?

SCHUMANN: Der neue Großinvestor hat die 15-Prozent-Marke überschritten. Günther ist ein Investor aus der Branche, der den Lottomarkt kennt, aber im Internet nicht aktiv ist und an den Zukunftsmarkt glaubt. Wer ein schätzungsweise 20-Millionen-Euro-Paket investiert, spielt nicht nur.

ABENDBLATT: Eine Übernahme ist aber nicht geplant?

SCHUMANN: Günther gibt an, keine Übernahme zu planen. Wir fühlen uns wohl in den jetzigen Strukturen und können unabhängig unsere Strategie verfolgen. Darüber sind wir uns auch mit Günther einig. Wir sehen es eher als Finanzinvestment.

ABENDBLATT: Wie lief 2007?

SCHUMANN: Ich bin zufrieden.

ABENDBLATT: Sind durch die Gesetzeslage Entlassungen in Hamburg geplant?

SCHUMANN: Wir planen keine Entlassungen - im Gegenteil, wir haben noch im vierten Quartal 2007 Leute eingestellt. Die qualifizierten und motivierten Mitarbeiter in Hamburg wollen wir nicht aufgeben, das stehen wir gemeinsam durch. Doch am Senat liegt unsere Hamburg-Treue nicht.