Der Ex-Personalvorstand ließ nur seinen Anwalt sprechen. Das Gericht nimmt ihm seine Reue ab.
Braunschweig. Es war leider nur eine Flurparole: Hartnäckig hielt sich gestern tagsüber im Braunschweiger Landgericht das Gerücht, Peter Hartz werde sich nach der Urteilsverkündung den Journalisten stellen und nach anderthalb Jahren hartnäckigem Schweigen erstmals eine persönliche Erklä-rung abgeben. Tatsächlich verschwand der frühere Personalvorstand des Volkswagenkonzerns wortlos durch die Hintertür. Vielleicht wird die Öffentlich-keit nie erfahren, was der Mann wirklich denkt über den kurzen Prozess, den man ihm in Braun-schweig auf eigenen Wunsch ge-macht hat.
Im Verfahren selbst hat Hartz nämlich nur kurz Fragen zu sei-ner Person beantwortet, zur Sa-che aber seinen Anwalt Egon Müller vorgeschickt. Dem gelang, was Hartz vermutlich schwergefallen wäre: Eine angemessen reumütige und beschämte Aussage darüber, wie man es schafft, als erster deutscher Topmanager überhaupt vor Gericht zu stehen wegen der Begünstigung eines Betriebsrates.
Müller dagegen brachte gestern, am zweiten Verhandlungstag, tatsächlich von sich aus das Wort vom "gekauften" Betriebsratschef Klaus Volkert über die Lippen und damit den Deal endgültig über die Bühne. Für das ausführliche und glaubwürdige Geständnis nämlich hatten Staatsanwaltschaft und Strafkammer im Gegenzug eine Strafe von höchstens zwei Jahren zur Bewährung in Aussicht gestellt - und Bordellbesuche als nebensächlich fallen lassen.
Genau dieser Deal war es, der an beiden Prozesstagen die Hartz-IV-Empfänger vor dem Gebäude aber auch im Gerichtssaal auf die Barrikaden trieb. Sie machen Hartz persönlich verantwortlich für ihre schlechte Lage, sehen in ihm einen Arbeiterverräter und wollten ihn unbedingt hinter Gittern sehen.
Hildegard Wolff dagegen, die Anklägerin, verteidigte die Absprache als durchaus übliche und vom Bundesgerichtshof sogar befürwortete Form der Verfahrenserledigung. Sich gegen den Vorwurf der "Kungelei" zur Wehr zu setzen, war ihr so wichtig, dass sie mit einer selbstverständli-chen Grundregel in solchen Pro-zessen brach. Statt sich in ihrem Plädoyer den drei Berufsrichtern und zwei Laien der Strafkammer zuzuwenden, drehte sie sich durchgängig um zu den Zuschauerbänken. Ihre Botschaft: Die Staatsanwaltschaft sei weder zuständig für die Beurteilung der Hartz-IV-Reformen noch für "Bettgeschichten". Immerhin habe man es in diesem Verfahren geschafft "auf die Vorstandsetage vorzudringen".
Richtig daran ist, dass in der Schmiergeldaffäre mit Peter Hartz zuerst die Schlüsselfigur schlechthin angeklagt und verur-teilt worden ist. Und dass ihm die Erkundung von Bettgeschichten um Prostituierte erspart geblieben sind, deren Dienst er und viele Betriebsräte über das berühmt-berüchtigte Spesenkonto 1860 abrechneten, ist die Folge seines umfassenden Geständnis-ses.
Was blieb, waren 21 Fälle der Untreue - die Bonuszahlungen an Volkert von knapp zwei Millionen Euro gelten dabei als besonders schwerer Fall. Addiert mit elf Fällen der Begünstigung kamen dabei eben genau jene zwei Jahre zur Bewährung heraus, ergänzt durch eine Geldstrafe von 576 000 Euro.
Weil das Ergebnis aus seiner Sicht stimmte, stimmte auch Hartz' Verteidiger der Rechnung der Staatsanwaltschaft sofort zu und lobte, er habe weder der Sachdarstellung noch den Schlussfolgerungen etwas hinzuzufügen.
Gerstin Dreyer, Vorsitzende der Strafkammer, vermied es in ihrem Urteil, auch nur einen Satz zu sagen zur öffentlichen Diskussion über den Deal. Klar sei es Untreue gewesen und Begünstigung: Schließlich seien die insgesamt 2,6 Millionen Euro geflossen, "um sich das Wohlwollen des mächtigen Betriebsrates zu si-chern". Aus ihrer Sicht entscheidend für die Milde: Hartz hat sich nicht selbst bereichert. Das sei bei solchen Prozessen die große Ausnahme.
Die Hartz-IV-Empfänger im Saal überzeugte das nicht wirklich. Aber aufmerksam hörten sie zu, als die Richterin dann auch noch erläuterte, welch unangenehme Folgen das Urteil über das Strafmaß hinaus haben kann für den ehemaligen Personalvor-stand Hartz. Eine Versicherung hat dem Volkswagenkonzern den entstandenen Schaden ersetzt, will nun ihrerseits Hartz in Re-gress nehmen.
Pikante Pointe: Er müsste dann mit seinem privaten Vermögen von 2,7 Millionen Euro für eben jene fast deckungsgleichen 2,6 Millionen Euro haften, die Klaus Volkert kassiert hat. Da nickten sie in den hinteren Bänken und waren mindestens ein bisschen versöhnt. Wann das allerdings rechtskräftig wird, ist offen. Möglich ist, dass Hartz jetzt Rechtsmittel einlegt - um Zeit zu gewinnen. Die Anklageerhebung gegen Volkert steht unmittelbar bevor, das Verfahren gegen den früheren Betriebsrat Hans-Jürgen Uhl ist schon terminiert. Einer Zeugenaussage auch über Bettgeschichten kann Hartz nur entgehen, solange er noch nicht rechtskräftig verurteilt ist.