Einen Tag nach dem Insolvenzantrag des nahezu zahlungsunfähigen Cabrio-Spezialisten Karmann kochen die Emotionen hoch: Rund 3500 Beschäftigte bangen um ihre Jobs. Politik, Gewerkschaften und Eigentümer schieben sich die Schuld an der Pleite gegenseitig in die Schuhe.

Osnabrück/Rheine. Einen Hoffnungsschimmer gibt es aber doch: Der Insolvenzverwalter des zusammengebrochenen Fahrzeugbauers Karmann sieht Chancen für eine Fortführung des Traditionsunternehmens.

Karmann verfüge über eine motivierte Mannschaft, eine große Marke mit Strahlkraft und gute Beziehungen zu Kunden und Lieferanten, sagte Rechtsanwalt Ottmar Hermann bei einer Betriebsversammlung am Karmann-Stammsitz in Osnabrück. Dies sei für eine Fortführung des Unternehmens eine gute Ausgangssituation.

Bei der Betriebsversammlung informierte Hermann rund 1500 Karmann-Mitarbeiter über erste Schritte zur Aufrechterhaltung der Produktion. Priorität habe zunächst die Sicherung der Liquidität des Unternehmens, sagte er. Wichtig sei zudem über Insolvenzgeld der Bundesagentur für Arbeit die Löhne und Gehälter der Mitarbeiter zu sichern.

"Landesregierung hätte früher helfen müssen"

Nach Angaben seiner Kanzlei führte der Anwalt nach der Versammlung ein erstes Gespräch mit der Arbeitsagentur über Insolvenzgeld für die Karmann-Beschäftigten. Ziel sei es, die Zahlung der Löhne und Gehälter bis zu einer Bewilligung des Insolvenzgeldes über Banken zwischenzufinanzieren, hieß es.

Unterdessen hagelte es gegenseitige Schuldzuweisungen für die Pleite des traditionsreichen Automobilunternehmens. Die niedersächsischen Sozialdemokraten werfen der Landesregierung Versäumnisse vor. Der parlamentarische Geschäftsführer der SPD-Fraktion, Heiner Bartling, sagte NDR Info, CDU und FDP seien vom Insolvenzantrag des Osnabrücker Unternehmens überrascht worden. "Dies beweist, dass die Verbindungen zu Karmann nicht so waren, wie sie sein sollten - dabei waren die Probleme dort seit längerem bekannt."

Auch der Autoexperte Ferdinand Dudenhöfer ist der Ansicht, die Landesregierung hätte viel früher und entschlossener helfen müssen. Hier sei Ministerpräsident Wulff gefragt gewesen, der auch im VW-Aufsichtsrat sitzt, sagte er der "Neuen Presse".

"Kein Unternehmen mehr gefördert als Karmann"

Der niedersächsische Ministerpräsident Christian Wulff weist den Vorwurf eines mangelnden Engagements für Karmann zurück. "Wir haben als Landesregierung kein anderes Unternehmen mehr finanziell gefördert als Karmann", sagte der CDU-Politiker. Er verwies zudem auf intensive Gespräche, die er zur Rettung der Traditionsfirma mit VW, Audi, Daimler, BMW, Opel und Saab geführt habe. Sie seien jedoch vor dem Hintergrund der weltweiten Krise gescheitert.

Wulff appelliert nun an das Verantwortungsbewusstsein von Karmanns Eigentümern. In einem Interview mit der "Neuen Osnabrücker Zeitung" sagte er, er hoffe sehr, dass die Eigentümer ihren Beitrag für "notwendige Instrumente" wie etwa eine Transfergesellschaft leisteten. Zugleich sollten die Eigentümer den Weg freimachen für einen Weiterbetrieb auf dem Werksgelände, etwa durch andere Firmen im Metall- oder Automobilbereich.

Zugleich kündigte der Ministerpräsident weitere Hilfen für das Unternehmen an. "Sofern eine Transfergesellschaft zustande kommt, werden wir mit allen zur Verfügung stehenden Mitteln helfen", sagte er.

Auch die IG Metall verstärkt ihre Kritik an den Eigentümerfamilien. Das Unternehmen habe Verhandlungen um einen 30-Millionen-Euro-Kredit geführt. Für diesen Kredit habe es bereits die Zusage einer Landesbürgschaft gegeben, teilte der Osnabrücker IG-Metall-Chef Hartmut Riemann mit. "Da eine Bürgschaft jedoch in der Regel nur maximal 80 Prozent eines Kredits abdecken kann, gehen wir davon aus, dass die Gesellschafter nicht bereit waren, die restlichen 20 Prozent zu verbürgen."