Verbraucherschützer warnen vor versteckten Preiserhöhungen. Kunden sollten Waren vergleichen.

Hamburg. Discounter Aldi hatte es vor drei Jahren schon einmal versucht: Eine Tafel Schokolade lag mit 95 Gramm statt mit dem gewohnten Gewicht von 100 Gramm im Regal. Damals verschwand die Süßigkeit wieder schnell aus dem Angebot. Denn wer, was in welchen Mengen verpacken darf, unterliegt bisher strengen Regeln. Noch. In wenigen Tagen werden die letzten strengen Verpackungsvorschriften für Lebensmittel aufgehoben. Vom 11. April an dürfte die Warenwelt vielfältiger werden. Dann darf eine Tafel Schokolade auch 95 statt 100 Gramm wiegen, die Milch im Tetrapak könnte von einem Liter auf 0,85 Liter schrumpfen und das gewohnte Kilo Zucker nur noch 960 Gramm wiegen.

"Wir befürchten ein Chaos und viele versteckte Preiserhöhungen", sagt Armin Valet von der Verbraucherzentrale Hamburg. "Der Preis bleibt und das Gewicht ändert sich nur geringfügig." Denn in schwieriger wirtschaftlicher Lage und bei sinkender Inflationsrate sind direkte Preiserhöhungen kaum durchzusetzen. Da drehen Hersteller gern an der Menge.

Betroffen von der neuen Freiheit bei Verpackungsgrößen sind insgesamt acht Produktgruppen: Milch, Mineralwasser, Bier, Limonade, Fruchtsäfte, Zucker, Tafelschokolade und Schokoladenriegel sowie Kakao. Lediglich für Spirituosen, Sekt und Wein wird es auch künftig noch vorgegebene Füllmengen geben.

Noch zeigen sich die Hersteller und der Handel unbeeindruckt von der weitgehenden Aufhebung der Fertigpackungsverordnung. Die Handelskette Rewe will nichts ändern. "Bei Lidl bleiben die Verpackungsgrößen unverändert", sagt Unternehmenssprecherin Petra Trabert. Allerdings hatte das Unternehmen in der Vergangenheit bereits bei Verpackungsgrößen an der Preisschraube gedreht, wie eine Übersicht der Verbraucherzentrale Hamburg belegt. Ob Kosmetiktücher oder Soßenpulver - die Menge verringerte sich, der Preis blieb gleich. Denn für viele Produkte wurde die Fertigpackungsverordnung schon im Jahr 2000 aufgehoben. Als Ausgleich dafür müssen seit dem die Grundpreise für 100 Gramm oder ein Kilo am Regal angegeben werden. "Die sind klein und schlecht lesbar", sagt Verbraucherschützer Valet. "Außerdem merken sich die Verbraucher eher die Preise eines Produkts als solche Angaben."

Die Molkerei Nordmilch will nichts an ihren Verpackungsgrößen ändern, sagt Unternehmenssprecherin Godja Sönnichsen. Der Bremer Schokoladenhersteller Hachez hat bereits eine 60-Gramm-Tafel im Angebot. "Ich kenne diese Fertigpackungsverordnung gar nicht", sagt Geschäftsführer Hasso Nauck. "Ärger hatten wir aber mit unserer 60-Gramm-Tafel noch nicht." Das liegt daran, dass die Regeln nur für Tafeln ab 85 Gramm gelten. Erst ab dieser Größe sind die Packungsgrößen noch festgelegt: 100, 125, 150, 200, 250, 300, 400 oder 500 Gramm. Die Brauerei Holsten plant aktuell keine Veränderungen. "Aber wir werden schon darüber nachdenken, wie wir die neue Freiheit nutzen können", sagt Unternehmenssprecher Udo Dewies und denkt dabei vor allem an Sonderdosen für Großereignisse. Bisher kann Bier unter anderem in 0,25, 0,33, 0,50, 0,75 und einem Liter abgefüllt werden. Künftig sind auch ganz andere Füllmengen möglich.

"Die größten Veränderungen wird es im Getränkebereich bei den Discountern geben", erwartet Sepp Gail, Vorsitzender des Verbandes des Deutschen Getränke-Einzelhandels. Der Grund sind die Einwegflaschen, die die Discounter verwenden. "Da die Flaschen nur einmal verwendet werden und in keine Kisten passen müssen, sind Änderungen der Füllmenge schnell umzusetzen", sagt Gail.

"Die Discounter werden Wege finden, um krumme Füllmengen anzubieten, auch um ihre Kalkulation zu verschleiern." Schon jetzt bieten die Discounter nach Gails Angaben Coca Cola als 1,25 Liter Flasche an, während die Mehrwegflasche 1,5 Liter fasst. "Wer nicht genau darauf achtet, denkt eine 1,5 Liter Flasche zu kaufen", sagt Gail. Er rät deshalb, stets den Literpreis zu vergleichen. Bei den Mehrwegflaschen sieht Gail zunächst keine Änderungen: "Das ganze System aus Flaschengrößen und dazugehörigen Kästen zu ändern, wäre viel zu kompliziert.

Mit noch größeren Veränderungen bei den Füllmengen rechnet Gail bei Fruchtsäften. Die Mehrwegquote liegt nur bei acht Prozent, die meisten Produkte werden also im Karton angeboten. "Hier wird es mit unterschiedlichen Füllmengen am schlimmsten werden."

Die Befürchtungen der Verbraucherschützer zu versteckten Preiserhöhungen hält Hubertus Pellengahr, Sprecher es Hauptverbandes des deutschen Einzelhandels, für völlig übertrieben: "Es wird eher so sein, dass zehn Gramm mehr in der Packung sind und der Preis gleich bleibt."

Verbraucherschützer Valet lässt sich davon nicht beeindrucken. "Wir registrieren seit Jahren hohe Preiserhöhungen durch Änderungen der Verpackungsgröße", sagt er. "Warum sollte es jetzt anders werden, wenn die letzte Hürde fällt." So hat gerade erst Pampers die Menge der Windeln von 44 auf 40 Stück reduziert, was eine Preiserhöhung von zehn Prozent entspricht. "Es ist bereits die zweite Preiserhöhung auf diese Art und Weise in weniger als drei Jahren", sagt Valet. Das Problem bei Stückware: Hier muss kein Preis pro Stück am Regal angegeben werden.