In der deutschen Schiffbauindustrie ist jeder zehnte Arbeitsplatz in Gefahr. Davon geht die IG Metall aus. 10 000 der 100 000 Branchenjobs seien...

Hamburg. In der deutschen Schiffbauindustrie ist jeder zehnte Arbeitsplatz in Gefahr. Davon geht die IG Metall aus. 10 000 der 100 000 Branchenjobs seien wegen wegbrechender Neubauaufträge unmittelbar bedroht, sagte die IG-Metall-Bezirksleiterin Jutta Blankau am Freitag in Hamburg. Betroffen seien Leiharbeiter und Arbeitnehmer mit Werkverträgen, deren Entlassung zum Teil begonnen habe.

Mindestens bis zum Jahr 2020 werde wegen der massenhaften Bestellungen der vergangenen Jahre ein Überangebot auf dem weltweiten Schiffsmarkt bestehen, geht aus einer am Freitag von der IG Metall vorgestellten Untersuchung hervor. Zurzeit seien die deutschen Werften noch gut ausgelastet, sagte der von der IG Metall beauftragte Schiffbauexperte Thorsten Ludwig. Er befürchtet allerdings Stornierungen, weil den Reedern die Finanzierungen wegbrechen.

Nach 29 Abbestellungen im vergangenen Jahr wurden nun bis zum 20. März weitere elf Neubauten storniert, sagte ein Sprecher des Verbandes für Schiffbau und Meerestechnik (VSM) am Freitag dem Abendblatt. Der Wert der stornierten Aufträge liegt somit bei insgesamt 1,5 Milliarden Euro. Als unsicher gelten 26 Aufträge.

Einen "schmerzhaften Anpassungsprozess" der Branche fürchtet auch der geschäftsführende Gesellschafter der Flensburger Schiffbau-Gesellschaft (FSG), Peter Sierk. "Zum Ende der Krise werden nicht mehr alle der heutigen Betriebe bestehen", sagte er dem Abendblatt.

Die Werft hat sich von 1998 an vom Frachtschiffbauer zum weltweit führenden Anbieter von Roll on/Roll off-Fähren entwickelt. "In diesem Bereich gibt es viel alte Tonnage, die Kunden kaufen nur kleine Serien von Schiffen und sie sind bereit, für effizientere Neubauten höhere Preise zu zahlen", sagte Sierk. Derzeit hat die Werft 17 Aufträge und ist bis Anfang 2013 ausgelastet. Die 780 Stellen sowie 100 Jobs für Leiharbeiter seien sicher. "Wir stellen uns mit flexiblen Arbeitszeiten auf die Krise ein", sagt Sierk.

Genau wie Blankau fordert Sierk, die Innovationsförderung für die Schiffbau auszuweiten. Dabei geht es darum, die Mittel nicht nur von 20 auf 40 bis 50 Prozent der Investitionen aufzustocken, sondern sie auch von Auftragsvergaben unabhängig zu machen. Blankau forderte zudem strengere Umweltauflagen für Schiffe, die europäische Häfen anlaufen. Dies solle alte Frachter mit umweltschädlichen Antrieben verdrängen. Laut IG Metall arbeiten in der maritimen Wirtschaft 100 000 Beschäftigte: 20 000 auf den 35 Seeschiffswerften, 70 000 bei Zulieferern sowie 10 000 Leiharbeiter.

Von Sonntagabend an werden rund 1000 Experten bei der sechsten nationalen Maritimen Konferenz in Rostock über die Auswirkungen der Krise auf Schifffahrt, Häfen, Werften und Meerestechnik beraten. Zum Abschluss am Montag hat sich Bundeskanzlerin Angela Merkel angesagt.